
Dietmar Müller-Bonner, (v.l.) Ilka Bleikert und Bärbel Bonner sind den Gestank an der Stever und das Fischsterben leid. Sie fordern von Gelsenwasser ein entschiedeneres Handeln. © Nora Varga
Anwohner sind stinksauer: „Gelsenwasser ist sehenden Auges in die Katastrophe gegangen“
Fischsterben
Seit dem Wochenende sind in der Stever Tausende Fische verendet. Die Anwohner haben das Umwelt-Desaster kommen sehen und werfen Gelsenwasser vor, nicht rechtzeitig eingegriffen zu haben.
Es stinkt ordentlich an der Zwischenstever in Haltern. Schon bevor man den Fluss sieht, riecht man ihn. Zu dem penetranten Geruch nach Fisch mischt sich Verwesung und Fäulnis. Überall im Wasser dümpeln tote Fische, sie verfangen sich am Ufer, liegen in der prallen Sonne im seichten Wasser. Das Bild des Grauens wird abgerundet von einem Schmierfilm, der über dem ganzen Fluss zu liegen scheint.
Am Wochenende ist die Stever gekippt, seitdem wurden von Gelsenwasser Hunderte Kilogramm tote Tiere aus dem Wasser gezogen. Ilka Bleikert, Bärbel Bonner und Dietmar Müller-Bonner wohnen an der Stever. Sie sind verärgert darüber, dass es schon wieder zum Massensterben in dem Fluss gekommen ist. Dabei seien die Anzeichen schon früh da gewesen.
Bärbel Bonner: „Es ist jedes Jahr das gleiche hier. Erst ist der Fluss grün, dann wird er durch die Algen braun. Die Stever fängt an zu stinken und dann japsen die Fische nach Luft.“ Kurz danach kippe der Fluss dann. In den vergangenen fünf Jahren haben sich die Anwohner diesen Verlauf viermal angeschaut.
Auch in diesem Jahr wieder, wie Ilka Bleikert berichtet: „Am 17. August habe ich morgens Gelsenwasser informiert. Mein Mann kam vom Joggen und hat die Fische an der Wasseroberfläche nach Luft schnappen sehen.“ Dort habe man ihr gesagt, der Sauerstoffgehalt sei ausreichend.
Das bestätigt auch Gelsenwasser auf Anfrage. Trotzdem werden zu diesem Zeitpunkt auf der Höhe des Lakeside Inn Oberflächenbelüfter eingeschaltet. Für Ilka Bleikert die falsche Maßnahme: „Nur am Ende der Stever die Dinger anzumachen, hilft hier bei uns in der Mitte ja nicht.“
„Die Maßnahme mit den Sauerstoffmessungen ist gescheitert.“
Erst am 22. August wird auf Höhe der Siedlung Overrath ein Strahllüfter in Betrieb genommen. Ilka Bleikert: „Für die Fische kam das zu spät, die waren dann alle schon tot.“ Eigentlich soll der Sauerstoffgehalt in der Zwischenstever durch regelmäßige Messungen überwacht werden, um rechtzeitig einzugreifen. Auf Anfrage erklärt Gelsenwasser, dass am 15., 17., 18., 19. und 21. August Messungen gemacht wurden.

Es sind vor allem kleine Fische, die in der Stever erstickt sind. Den Tieren ist am Wochenende der Sauerstoff ausgegangen. © Nora Varga
Für Bärbel Bonner muss Gelsenwasser jetzt Konsequenzen ziehen: „Die Maßnahme mit den Sauerstoffmessungen ist gescheitert. Die sind der Katastrophe sehenden Auges entgegengegangen.“ Sie hofft, dass Gelsenwasser im nächsten Jahr anders handelt: „Eigentlich müsste das Wasser belüftet werden, sobald die Stever wieder braun wird. Das müsste automatisch passieren.“
Gelsenwasser bestreitet den Vorwurf der Untätigkeit
Gelsenwasser hat nach eigenen Angaben schon vor den Meldungen der Anwohner versucht, den Sauerstoffgehalt der Stever zu verbessern. Seit Mitte Juli werden täglich 50.000 m³ Wasser aus dem Dortmund-Ems-Kanal entnommen. Pressesprecherin Heidrun Becker sagt: „Dieses Wasser fließt mit der Stever der Talsperre Hullern zu und wird von dort am Wehr Heimingshof in die Zwischenstever gepumpt.“ So verdoppele sich der Abfluss der Stever in der trockenen Sommerzeit.

Über den Fluss zieht sich ein schmieriger weißer Film, der von den toten Fischen ausgeht. © Nora Varga
Aber es gibt weitere Instrumente, wie Sprecherin Heidrun Becker erklärt: „Im Frühsommer hat Gelsenwasser in der Hullerner Talsperre vor der Pumpanlage am Wehr Heimingshof auf dem Grund eine variable Sperre (Dammbalken) eingesetzt.“ Die 100.000 Euro teure Konstruktion soll bewirken, dass sauerstoffreiches Oberflächenwasser aus der Talsperre Hullern in die Zwischenstever hinüber gepumpt wird.
Tierwelt wird durch Fisch-Sterben belastet
Trotz aller Maßnahmen ist in diesem Jahr ist der Zug abgefahren, wissen auch die Anwohner. Jetzt fürchten sie Folgen für das Ökosystem am Fluss. Dietmar Müller-Bonner: „Eigentlich hatten sich hier wieder Eisvögel eingenistet. Die werden jetzt kein Fressen mehr finden und wahrscheinlich verhungern oder abwandern.“
Dietmar Müller-Bonner möchte zusammen mit anderen Anwohnerinnen und Anwohnern einen Fragenkatalog an Gelsenwasser und die Stadt schicken. Ihn treibt die Frage um, wieso es trotz Warnungen schon wieder so weit kommen konnte.
Gelsenwasser möchte die Erfahrungen der vergangenen Jahre nutzen, um dann besser vorbereitet zu sein. Sprecherin Heidrun Becker: „Heißes, trockenes Sommerwetter im Zuge des Klimawandels beeinflusst die Biologie in Gewässern immer wieder negativ.“ Auch die aktuelle Entwicklung wolle man nutzen, um neue Maßnahmen zu entwickeln.
Anwohner fordern schnelles Entfernen der toten Fische
Die toten Fische werden jetzt von den Mitarbeitern des Wasserwerks, der Stadt und Gelsenwasser eingesammelt. Auch hier geht es nach Ansicht der Anwohner zu langsam voran. Ilka Bleikert: „Ich kann ja verstehen, dass das kein schöner Job ist, aber hier bleiben viel zu viele Fische liegen. Bei den Temperaturen wird das dann natürlich nur schlimmer.“ Gelsenwasser verspricht: „So lange noch tote Fische erkennbar und abfischbar sind, werden diese eingesammelt und entsorgt.“

Seit dem 22. August ist der Strahllüfter auf Höhe der Siedlung Overath in Betrieb. Die Hilfe kommt viel zu spät, meinen einige Anwohnerinnen und Anwohner der Siedlung. © Nora Varga
Ilka Bleikert, Bärbel Bonner und Dietmar Müller-Bonner hoffen, dass es das letzte Fischsterben ist, dass sie an der Stever erleben mussten. Bärbel Bonner: „Wir haben in Haltern so viele Touristen, das ist hier ja ein Aushängeschild.“ Tote Fische kann da keiner gebrauchen, immerhin da sind sich die Anwohner und Gelsenwasser einig.
Jahrgang 2000. Ist freiwillig nach Castrop-Rauxel gezogen und verteidigt ihre Wahlheimat gegen jeden, der Witze über den Stadtnamen macht. Überzeugte Europäerin mit einem Faible für Barockmusik, Politik und spannende Geschichten.
