Kaufleute schränken Öffnungszeiten in Haltern ein „Deshalb haben wir nicht mehr Freizeit!“

Kaufleute kürzen Öffnungszeiten: „Deshalb haben wir nicht mehr Freizeit!“
Lesezeit

Die Halterner Kaufleute setzen auf Kundschaft, die kleine, individuelle Geschäfte, persönliche Kontakte und den Flair Halterns schätzt. Die IHK Nord Westfalen sagte schon vor Jahren, die schöne Innenstadt müsse gehegt und gepflegt werden. Das tut die Kaufmannschaft auch, nur bezüglich einheitlicher Öffnungszeiten konnte sie sich noch nie einigen. Aktuell müssen sich Kundinnen und Kunden mit ganz unterschiedlichen Zeiten arrangieren.

Einige Geschäfte wie beispielsweise das Möbelhaus Döbber oder Schenken & Genießen Bilkenroth öffnen montags nicht mehr. Meisterflorist Ludger Stegemann tut das seit zwei Jahren nicht mehr. „Wir brauchen einen Ruhetag“, sagt er, der mit Herzblut seit 30 Jahren selbstständig ist und sein Geschäft mitten auf der Rekumer Straße hat. Morgens um 3 Uhr fährt er schon zum Großmarkt, diese Fahrten sind der Beginn langer Arbeitstage mit weit über 40 Wochenstunden.

Er muss aus gesundheitlichen Gründen achtsam sein und will auch sein Team vor einem viel zu hohen Arbeitspensum schützen. „Montags gibt es ohnehin keine frische Ware.“ Das Ehepaar Stegemann hat sich sogar noch zu einem weiteren Schritt entschließen müssen: Weil Mitarbeitende krank sind, gehen bereits um 17 Uhr die Lichter im Geschäft aus. Das soll aber nur eine Übergangslösung sein.

Große Sorgen macht sich der Meisterflorist wegen des Personalmangels. Seit fünf Jahren habe er keine Bewerbungen für einen Ausbildungsplatz mehr erhalten. Ludger Stegemann sitzt im Prüfungsausschuss der Industrie- und Handelskammer. Er erzählt von Zeiten, als noch 100 Schülerinnen und Schüler in den Klassen unterrichtet wurden, 2023 gingen gerade einmal 12 Auszubildende in die Prüfung. Und Meisterklassen bilden sich nur noch, wenn genügend Anmeldungen vorliegen. „Früher gab es an der Meisterschule Gelsenkirchen Wartelisten!“

Andreas Bredeek hinter der Ladentheke.
Andrea Bredeek (Fisch-Feinkost Bredeek) kann sich über die große Beliebtheit ihres Geschäftes freuen, aber mit Personalknappheit hat auch sie zu kämpfen. © Elisabeth Schrief

Personalmangel vor allem ist es, den die Kaufleute beklagen. Auch Andrea Bredeek (Fisch-Feinkost, Rekumer Straße): „Ich kann nicht verlangen, dass meine Mitarbeitenden täglich 15 Stunden arbeiten.“ Folglich haben sie und ihr Mann Klaus die Reißleine gezogen. Weil sie nur noch in einer statt wie früher in zwei Schichten arbeiten können, sind die Öffnungszeiten gekürzt worden.

Montags hat das Geschäft seit jeher geschlossen, dienstags, mittwochs und donnerstags gehen die Türen um 8 Uhr auf, aber schon um 16 Uhr wieder zu. Freitags ist dann wie immer bis 18 Uhr geöffnet. Für Bredeeks fängt jeder Tag mit dem Einkauf um 4 Uhr auf dem Großmarkt an.

Mehr Freizeit, weniger Stress

Andrea Bredeek sieht in den neuen Gegebenheiten ein Zusammenspiel von mehreren Faktoren: Nachwuchsmangel, Ausscheiden einer starken, sehr arbeitswilligen Generation und eine veränderte Einstellung zur Arbeit seit der Corona-Pandemie.

Mehr Freizeit, weniger Stress: Das wünschen sich immer mehr Arbeitnehmer. So haben auch zwei Mitarbeiter von Klaus und Hanna Bilkenroth (Schenken & Genießen, Merschstraße) ihre Wochenarbeitsstunden auf 30 verkürzt. „Diesen Wunsch haben wir respektiert. Wir brauchen spezialisierte Fachkräfte, und die sind schwer zu finden“, sagt Klaus Bilkenroth.

„Wir haben aber durch die Schließung montags nicht mehr Freizeit“, betont Hanna Bilkenroth, „unsere Arbeit hört ja nicht bei den Öffnungszeiten auf. Hanna und Klaus Bilkenroth bieten Tastings und Veranstaltungen an, diese beanspruchen inklusive Vorbereitungen je sieben Stunden Extrazeit. Die Nachfrage sei enorm.

Samstags einheitliche Zeiten

Dass es in Haltern bei so vielen inhabergeführten Geschäften keine einheitlichen Öffnungszeiten gibt, können Bilkenroths gut verstehen. Ihr Vorschlag aber ist, wenigstens samstags einheitlich bis 16 Uhr zu öffnen und nicht nur - wie ein Großteil der Geschäfte - bis 14 Uhr. „Montags zu und samstags länger auf“, das wäre für Klaus Bilkenroth eine gute Lösung.

Klaus Bilkenroth am Weinregal
Für Klaus Bilkenroth wäre die Einigung der Kaufleute auf "montags zu, dafür samstags einheitlich länger" eine gute Lösung. © Benjamin Kübart (A)

„Öffnungszeiten sind ein Klassiker-Thema im Einzelhandel“, sagt Jens von Lengerke, Abteilungsleiter Handel bei der Industrie- und Handelskammer Nord Westfalen. In kleinen Städten seien einheitliche Zeiten utopisch, „selbst Münster hat das nicht geschafft.“ In Kommunen wie Haltern am See müsse man gerade inhabergeführten Geschäften Mittagspausen oder verkürzte Zeiten angesichts von Personalmangel und steigenden Nebenkosten zugestehen.

Ein großer Druck

Für Stammkunden sei das in der Regel kein Problem. „Aber es kommen auch Gäste einfach spontan zum Bummeln nach Haltern. Sie können sich auf die Zeiten nicht einstellen.“ Die dürfe man nicht unterschätzen, findet Jens von Lengerke. Sein Tipp: Unbedingt auf der Homepage die Öffnungszeiten einpflegen.

Auf den Einzelhandel inklusive Gastronomie laste heute ein schlimmer Druck. „Niemand findet mehr genügend Personal.“ Umso wichtiger sei es, wenigstens Kerneinkaufszeiten aufeinander abzustimmen und wenigstens an den stark frequentierten Tagen wie freitags und samstags eine große Schnittmenge zu erreichen.

Die Öffnungszeiten der Geschäfte in der Innenstadt variieren an den Werktagen. Morgens beginnen die Kaufleute zu unterschiedlichen Zeiten: 8 Uhr, 9 Uhr, 9.30 Uhr oder 10 Uhr. Einige Geschäfte schließen mittags von 13 bis 14.30 Uhr. Abends ist um 17 Uhr, 18 Uhr oder 18.30 Uhr Schluss. Es gibt auch noch Geschäfte, die mittwochs nachmittags geschlossen bleiben.

Die „letzte Schiene“ liegt im Vorgarten: Friedhelm Lorenz errichtet kleines „Denkmal“

Lastenradfahrer werden ausgebremst: Umlaufsperren in Haltern sind unüberwindbare Hindernisse

Renovierung der Sixtus-Kirche dauert länger: 300 Schwämme gegen den Ruß