Debatte über Rad-Infrastruktur und Elterntaxis in Haltern Stegemann und Giese beziehen Stellung

Radinfrastruktur und Elterntaxis: Stegemann und Giese beziehen Stellung
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Für eine Verkehrswende und den Ausbau des Radwegenetzes macht sich die Ortsgruppe Haltern des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) stark. Zur Diskussion über die Radverkehrssituation der Stadt, über lobenswerte Maßnahmen und Elterntaxis hatten die Mitglieder jetzt an jeweils einem Abend die Bürgermeisterkandidatin für Haltern von SPD und Grünen, Dr. Vanessa Giese, und Bürgermeister Andreas Stegemann eingeladen.

„Es geschieht wenig, um das Fahrrad als gesundes und umweltfreundliches Verkehrsmittel zu stärken“, meinte ADFC-Sprecher Adalbert Pollerberg. „Wer Radwege sät, wird Radverkehr ernten“, war er sicher und befragte die politischen Gäste nach ihren Absichten.

Unter einer Fahrrad-Abstellanlage stehen viele Fahrräder.
Die Fahrrad-Abstellanlage am Bahnhof wird erweitert. © Luka Berheide

Eins vorab: Positive Signale gaben beide Gesprächspartner. Die selbstständige Unternehmensberaterin, die nach eigenen Angaben selbst gern Rad fährt, will die „Mobilitätswende vorantreiben“. Bürgermeister Stegemann versprach, das Thema Fahrradmobilität mit in den Kommunalwahlkampf zu nehmen.

Radvorrangrouten gefordert

Der ADFC fordert durchgehende Radrouten in die umliegenden Ortsteile. Die Radvorrangrouten in alle Halterner Ortsteile sind demnach unzureichend und/oder ausbaufähig. An durchgehenden Radwegen Richtung Dülmen, Marl, Dorsten und Reken mangele es ebenfalls.

„Struktur schafft Kultur“, meinte Vanessa Giese. Ein zusammenhängendes Radwegenetz ohne Brüche sei notwendig. Die Erhöhung der subjektiv empfundenen Sicherheit durch derartige Maßnahmen sei dabei ganz wichtig, um die Menschen von solchen Maßnahmen zu überzeugen.

Grün, gelb und rot sind die Hauptstraßen, die in umliegende Halterner Ortsteile führen, markiert.
Der ADFC hat die seiner Meinung nach vorhandenen (grün), ausbaufähigen (gelb) und unzureichenden (rot) Radvorrangrouten skizziert. © Skizze ADFC

„Natürlich wäre es wünschenswert, wenn man die Routen auch interkommunal, also auch über unsere Ortsteile hinaus ausweisen könnte“, erklärte Stegemann. Doch es gebe Probleme wie gestiegene Baukosten sowie die Prioritätensetzung bei Straßenbaumaßnahmen durch den Kreis Recklinghausen oder die Landesbehörde Straßen.NRW.

„Wenn Halterner Projekte für den Ausbau der Fahrradvorrangrouten dort nicht so hoch im Kurs stehen, wird es eben schwer.“ Stegemann glaubt nicht, „dass wir in den nächsten fünf Jahren an das Radschnellwegnetz angeschlossen sind“.

Breitenweg und Radpassage

Der ADFC mahnt allerdings auch Radvorrangrouten im Stadtbereich an. So sei die Situation am Breitenweg mit geteiltem Fuß-/Radweg und an der Dülmener Straße (grober Schotterweg) dringend verbesserungswürdig. Stegemann richtete seinen Fokus dagegen auf die Stever-Lippe-Passage. Er sei zuversichtlich, dass der Kreis den geplanten Rad- und Fußweg entlang des Recklinghäuser Damms bald durchwinken werde.

Lipptor, Weseler Tor

Für eine Verbesserung der Rad-Infrastruktur an den Einfahrtsstraßen in die Kernstadt wie beispielsweise am Lipptor wirbt unterdessen Vanessa Giese.

Handlungsbedarf hinsichtlich mehr Sicherheit für Radler sieht Sprecher Pollerberg außerdem am Weseler Tor beim Überqueren der Weseler Straße sowie am Südwall in Höhe der Bahnhofstraße. Auch dort fehlten Radfahrstreifen.

Eine stark befahrene Straße, an der auf beiden Seiten Autos parken.
Radwege oder Parkstreifen am Schüttenwall? Die Politik ist uneins. © Ingrid Wielens

Streitpunkt städtebauliches Verkehrskonzept: „Wann entsteht der durchgehende Radwegering in Haltern und was wird an Lavesumer Straße, Rochfordstraße und Schüttenwall für die Sicherheit der Radler getan?“, wollte Pollerberg wissen.

Stegemann erklärte die Gesamtproblematik am Beispiel der Koeppstraße. Hier sollten bekanntlich im Rahmen der Umgestaltung der Straße gesunde Kastanien gefällt werden. Ein Bürgerprotest stoppte diese Pläne.

Und genau darin liegt laut Stegemann die Krux. Die Belange von Autofahrern, Radfahrern, Fußgängern, der Natur, aber auch Parkplätze müssten in die Planungen einbezogen werden. „Wir haben hier Zielkonflikte“, betonte Stegemann. Die seien auch der Grund dafür, dass für den Schüttenwall noch kein Verkehrskonzept beschlossen wurde.

Förderung von Carsharing

Um mehr Menschen zum Umsteigen auf das Fahrrad zu bewegen, denkt Giese auch über intermodale Verknüpfungen, also die Nutzung unterschiedlicher Verkehrsmittel für eine Wegstrecke, nach. Die 46-Jährige spricht sich daher für die Förderung eines Carsharing-Angebots aus.

Von einer Kooperation mit Unis verspricht sich die Sythenerin Erfolge bei der Analyse von Verkehrsproblemen und der Entwicklung entsprechender Lösungen.

Von Politik und Verwaltung wünscht sie sich, dass „Hand in Hand“ gearbeitet werde. Mit einem kommunalen Verkehrsmanagement solle die Verkehrswende gemeinsam gestaltet und umgesetzt werden.

Lobenswerte Projekte

Es gab auch Lob vom ADFC. Die Radinfrastruktur der Stadt habe sich stellenweise bereits verbessert, sagte Adalbert Pollerberg. So gebe es überdachte Fahrrad-Stellplätze und Ladesäulen in der Innenstadt, eine neue blaue Brücke am Wehr und neue Radwege an der Recklinghäuser Straße.

Erfolgreich wird laut Stegemann zudem das geplante Fahrradparkhaus am Bahnhof: „Ich habe schon die Hoffnung, dass wir das in den nächsten fünf Jahren abgeschlossen kriegen“, meinte er. Und auch die Fahrrad-Abstellanlage auf der Bahnhof-Südseite solle erweitert werden.

Was tun gegen Elterntaxis?

Viele Eltern bringen ihre Kinder mit dem Auto zur Schule. Vor den Schulen stauen sich die „Elterntaxis“. Der ADFC fragte auch nach, wie die Stadt dagegen vorgehen will.

Andreas Stegemann verweist auf bereits vorgenommene Maßnahmen, die an manchen Schulen die Lage entzerrt hätten. An der Silverbergschule beispielsweise sei die Straße zeitweise gesperrt. Komplette Straßensperrungen hält er indes nicht für möglich. „Manche Autofahrer sind leider unbelehrbar“, bedauerte Stegemann.

Auch die Aktion „Goldener Fuß“ sei vielerorts erfolgreich. Wer per pedes kommt, sammelt „goldene Füße“. Diese können dann in der Schule ausgehängt werden. Giese: „So entsteht ein spannender Wettbewerb unter den Schülern.“

„Elterntaxis kann man nicht komplett abschaffen“, sagt auch Vanessa Giese. Manche Eltern seien auf das Auto angewiesen, wenn keine alternativen Verkehrsmittel vorhanden seien.

Dennoch gebe es Angebote, die das Elterntaxi überflüssig machten. So böten andere Kommunen zum Beispiel den sogenannten Fahrradbus an: Dabei befährt eine Gruppe von Menschen mit dem Fahrrad gemeinsam eine Route, indem sie einem festgelegten Zeitplan folgt, um an den Zielort zu gelangen. An verschiedenen Punkten entlang der Route können Radler sich dem Fahrradbus anschließen oder ihn verlassen. Ein Fahrradbus bildet ab 16 Teilnehmenden laut Straßenverkehrsordnung einen „geschlossenen Verband“, für den sinngemäß die Verkehrsregeln eines einzelnen Fahrzeugs gelten.