
Lärm verursacht Stress. Wenn er zum Dauerzustand wird, leiden Menschen unter gesundheitlichen Problemen. (Symbolbild) © Benjamin Glöckner
Das sind die Lärm-Hotspots in Haltern – doch gemessen hat sie niemand
Akustik
Lärm stört und macht krank – das gilt auch für den Verkehr an Halterner Straßen. Ein Blick auf die Lärm-Hotspots zeigt: Hier werden keine Geräusche gemessen, sondern Autos gezählt.
Grollende Motoren, quietschende Reifen und der Presslufthammer auf der Baustelle – im Alltag begegnen Menschen Umgebungsgeräuschen, die sie als störend empfinden können. Verbunden mit einer (gesundheitlichen) Belastung spricht man im Allgemeinen von „Lärm“.
Dr. Dirk Schreckenberg erforscht die allgemeinen Auswirkungen von Lärm auf den Menschen im Zentrum für angewandte Psychologie, Umwelt- und Sozialforschung in Hagen. Er erklärt: „Umgebungslärm wie Verkehrs- oder Nachbarschaftslärm verursachen Stress: Der Blutdruck steigt, die Herzrate steigt und ich fühle mich belästigt. Das ist erstmal nicht tragisch, der Organismus mobilisiert im Rahmen dieser Stressreaktion. Schlimm wird es erst, wenn Sie nicht aus Lärm und Stress herauskommen.“
Die Lautstärke der lärmenden Geräusche lässt sich in Dezibel beschreiben. Die Einheit misst den sogenannten Schalldruckpegel – erhöht sich dieser Pegel um jeweils 10 Dezibel, nehmen wir das als Verdoppelung der Lautstärke wahr. Während Schall mit einem Pegel von 40 bis 65 Dezibel noch als angenehm empfunden wird, kann der Straßenverkehr auf der Hauptstraße mit 85 Dezibel bereits Hörschäden hervorrufen.
Vor allem bei hohen Tönen kann es dabei zu permanenten Hörverlusten kommen, weil die Haarzellen im Innenohr absterben. Sie sind für die Aufnahme des Schalls im Ohr zuständig.
Hat Haltern ein Lärmproblem?
Das Landesamt für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz veröffentlicht Lärmkarten, auf denen die Lärmbelastung an bestimmten Verkehrswegen verzeichnet ist:
In den aktuellen Karten für Haltern gehört die direkte Umgebung der A43 dazu. Ihr Verkehrslärm kann mit bis zu 60 Dezibel noch in nahegelegenen Wohngebieten gehört werden. Auch an der B58, die durch die Innenstadt verläuft, ist die Belastung groß. Auf der Weseler Straße kommt es zum Beispiel zu Lärmbelastungen von 75 Dezibel. Diese Pegelhöhe betrifft auch unmittelbare Grundstücke am Schüttenwall oder am Recklinghäuser Damm.

Die Straßen werden erst ab einem Verkehrsaufkommen von 3 Millionen Kraftfahrzeugen im Jahr für die Lärmkartierung berücksichtigt. © Grafik Sauerland
Besonders hoch ist die Lärmbelastung für Haushalte in der Umgebung der Bahngleise. In direkter Nähe werden Menschen mit über 75 Dezibel beschallt. In mehr als einem Kilometer Entfernung, etwa in Hamm-Bossendorf, bleiben von dieser Belastung noch 60 Dezibel zu hören.
In diese Kartierungen gehen die Verkehrsrouten ein, über die mehr als 3 Millionen Kraftfahrzeuge pro Jahr (etwa 8.200 Kfz/Tag) fahren. Die Werte an der Bahnstrecke kommen vom Eisenbahnbundesamt.
Bei der Ermittlung des Lärms wird der Schall allerdings nicht mit einem Messgerät gemessen. Stattdessen wird eine Verkehrszählung durchgeführt – die Lärmbelastung aus den Karten wird daraus berechnet. Die Stadt begründet das Verfahren mit Vergleichbarkeit, denn direkte Messungen würden nur Momentaufnahmen darstellen. „Im Grunde genommen ist das eine Schätzung“, sagt Dr. Schreckenberg. „Die Idee des Berechnens ist Jahrzehnte alt.“

Der Lärm an Schienenwegen wird durch das Eisenbahnbundesamt in eigenen Lärmaktionsplänen behandelt, sagt die Stadt. © Grafik Sauerland/LANUV NRW/Straßen.NRW/BKG/Planet Observer
Maßnahmen gegen Lärm
Die Karten werden im Rahmen der sogenannten Lärmaktionsplanung erstellt. Sie zielt darauf ab, den Lärm in Kommunen zu senken. Für die Umsetzungen der Maßnahmen, zum Beispiel Lärmschutzwände, ist jedoch der Baulastträger Straßen.NRW zuständig.
Auf städtischer Ebene gibt es aktuell keine Projekte, um den Lärm in Haltern loszuwerden. „Es besteht jedoch ein ständiger Kontakt zur Kreisverwaltung Recklinghausen und zur Verkehrspolizei“, erklärt die Stadt. So solle beispielsweise der Verkehr überwacht werden, um die Geschwindigkeit einzudämmen und damit den Lärm zu mindern. Anwohner an Bundesfernstraßen, wie der B58, können zum Beispiel Förderungen für Schallschutzfenster anfragen. Dazu sei laut Stadt ein Antrag auf Überprüfung der Lärmsituation bei der Straßenbauverwaltung nötig.
Wer das Gefühl hat, viel Lärm ausgesetzt zu sein, aber in den Karten nicht berücksichtigt zu werden, hat laut Dr. Schreckenberg nur eine Chance: „Anstelle sich zertifizierte Messgeräte zu kaufen, lohnt es sich, den Verkehr zu zählen, um damit zu zeigen: Die Eingangsdaten für die Berechnung sind falsch.‘“
Geboren im Ruhrgebiet, kann auch die B-Seiten auf „4630 Bochum“ mitsingen. Hört viel Indie-Rock. Hat das Physikstudium an der Ruhr-Uni durchgespielt und wurde Journalist. Liebt tiefe Recherchen, Statistiken und „The Big Lebowski“. Sieht lokale Geschichten im großen Kontext und erzählt sie in Schrift, vor dem Mikro und der Kamera.
