Mit provokanten Thesen zum Flächenverbrauch und zur Wohnungsbaupolitik in Haltern will Wilhelm Neurohr zur Diskussion anregen. Was sagen die Halterner Parteien zu seinen Thesen?

Haltern

, 22.04.2021, 12:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Der Halterner Wilhelm Neurohr hat eine Studie zum Flächenverbrauch und der Wohnungsbaupolitik in Haltern vorgelegt. Darin fordert er grundlegende neue Weichenstellungen für eine nachhaltige Zukunft der Stadt, darunter eine Reduzierung des Flächenverbrauchs und neue Standards in der Eigenheimpolitik. Wir haben die Halterner Parteien um ein Statement zu seinen Thesen gebeten.

CDU: Der RVR muss der Stadt ausreichend Flächen zubilligen

Unsere Wohnungsbaupolitik verfolgt zwei wesentliche Ziele: Zum einen möchten wir die Kleinteiligkeit sowie den Ein-/Zweifamilienhaus-Charakter möglichst erhalten und zum anderen den rasanten Preisanstieg eindämmen. Halterner und Familien im Besonderen sollen auch zukünftig ihren Traum vom Eigenheim verwirklichen können. Das wird durch die wenigen verfügbaren Flächen und den gleichzeitig großen Bedarf nach Wohnraum zunehmend schwieriger.

Eine Nachverdichtung mit immer größeren Baukörpern ist uns ein Dorn im Auge. Um den Bedarf nach Wohnraum unter Berücksichtigung unserer oben genannten Ziele bedienen zu können, muss uns der RVR ausreichend Flächen zubilligen. Dadurch kann die Politik dann wie in der Vergangenheit behutsam Neubaugebiete ausweisen, die der Nachfrage gerecht werden. Diese Erweiterungen können im Hinblick auf den Klima- und Umweltschutz auch sinnvoller sein, als wichtige Grünflächen im Bestand zuzubauen.

Klar ist: Ohne neue Flächen steigen die Preise weiter und / oder die Baukörper im Bestand werden größer zu Lasten von innerstädtischen Grün- und Freiflächen.

Grüne: Den immensen Flächenverbrauch reduzieren

Wilhelm Neurohr hat in seiner Studie mit Zahlen, Daten und Fakten belegt, dass es einer breiten kommunalpolitischen und öffentlichen Diskussion bedarf, um den immensen Flächenverbrauch zu reduzieren, d.h. eine Kurskorrektur in der städtischen Siedlungspolitik und Gewerbeflächenplanung einzuleiten. Das bedeutet für uns: Innen- vor Außenentwicklung, sozial verantwortungsvolle Nachverdichtung, bezahlbarer Wohnraum in urbanen und innovativen Wohnformen, qualitativ hochwertige Baukultur, Aufwertung des öffentlichen Raums zur Stärkung der sozialen Strukturen, konsequente Durchgrünung, Entsiegelung und Erhaltung von Freiflächen mit hoher ökologischer oder klimatischer Wertigkeit.

Es müssen Instrumente gefunden werden (z.B. die von Neurohr beschriebene Zukunftswerkstatt), mit denen Bürger*innen, Politik und Verwaltung - unter Beachtung der auch für Kommunen verbindlichen Nachhaltigkeitsvorgaben – gemeinsam strategische Ziele formulieren (z.B. Ansatz der Flächenkreislaufwirtschaft), Qualitätskriterien für die städtebauliche Entwicklung aufstellen und ein Konzept für eine zukunftsfähige Flächen- und Wohnungsbaupolitik in Haltern erarbeiten.

Bauprojekte in der Siedlung rund um die Dahlienstraße haben die Anwohner erzürnt.

Bauprojekte in der Siedlung rund um die Dahlienstraße haben die Anwohner erzürnt. © Martin Klose

SPD: Der Landschaftsverbrauch in Haltern hat keine unangemessenen Ausmaße

Die SPD-Fraktion begrüßt ausdrücklich eine faktenbasierte Diskussion zum Flächenverbrauch in unserer Stadt. Der Beitrag des iwipo-Institutes trägt dazu ebenso bei wie z.B. das „Siedlungsflächenmonitoring Ruhr“ des RVR, erschienen im März 2021, oder Beiträge des Mieterschutzbundes NRW. Kommunalpolitik bedeutet immer die Abwägung verschiedener Interessen zum Wohle der Allgemeinheit.

Halterns Einwohnerdichte (13,9Einwohner/1ha)(Quelle IT.NRW) widerspricht dem Eindruck, dass der Landschaftsverbrauch unangemessene Ausmaße angenommen habe. Gleichwohl hat die SPD-Fraktion z. B. gegen die Bebauungspläne Schulte-Hülsen und Sixtus-Park gestimmt, um zum einen gewachsene Strukturen nicht zu überlasten und zum anderen, wie im Sixtus-Park, Freiraum und Grünschneisen im Innenstadtbereich nicht zuzustellen.

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Die Durchlüftung der Innenstädte ist auf Grund der Klimaerwärmung eine wichtige Aufgabe, der wir als Kommunalpolitik Rechnung tragen müssen. Leider war die SPD-Fraktion die einzige Fraktion, die gegen die Bebauungspläne gestimmt hat. Wir erwarten, dass zunächst bereits beschlossene Baugebiete (Nesberg) endlich entwickelt werden.

WGH: Weiter Wohnen und Gewerbe ansiedeln

Die vom „IWiPo-Institut“ ohne erkennbaren Auftrag an Politik und Verwaltung im März gemailte Studie hat einen Umfang von 260 Seiten.

Dies alleine wäre ein Grund, sich vor dem Hintergrund aktueller Probleme nicht weiter damit zu beschäftigen, zumal auch die Wortwahl des Autors mit Begriffen wie „Flächenleugner“ nicht dazu verleitet. Erst recht, wenn man dann noch feststellen muss, dass der Verfasser dieser Studie zwar vehement anprangert, dass Haltern einkommensstarke Neubürger aus dem Ballungsraum „anlockt“, andererseits er selbst aber aus Recklinghausen ins schöne Lavesum gezogen ist.

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Man kann über den Verbrauch von Flächen zur Ansiedlung von Wohnen und Gewerbe unterschiedlicher Meinung sein. Unserer Stadt aber vorzuwerfen, dass sie dabei unverhältnismäßig hohe Ansprüche stellt, ist nicht nachvollziehbar. Während Haltern mit seinen großen Wald- und Wasserflächen entwicklungstechnisch natürliche Grenzen gesetzt sind, weisen unsere Nachbarstädte (z.B. Olfen, Lüdinghausen, Senden) nahezu unbeschränkt neue Wohngebiete aus.

Die WGH möchte in Haltern am See weiter Wohnen und Gewerbe ansiedeln.

FDP: Ungebremstes Wachstum ist aus ökologischen Gründen nicht wünschenswert

Die aussagekräftige Studie fasst die wesentlichen Herausforderungen gut zusammen:

1. Es existiert eine große Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum.

2. Ein ungebremstes Wachstum ist aus ökologischen Gründen nicht wünschenswert und birgt zudem die Gefahr, dass Charme und Charakter unserer schönen Seestadt verloren gehen.

3. Vorhandene und neu zu entwickelnde Siedlungs- und Gewerbeflächen sollten besser ausgenutzt werden, ohne dass Maximalbebauung zugelassen wird.

Die vorgeschlagenen Lösungsansätze können wir in großen Teilen nachvollziehen; sie können tatsächlich einen Beitrag zu einer behutsamen Stadtentwicklung leisten. Für uns steht darüber hinaus fest, dass der Schlüssel zur Steuerung der Stadtentwicklung in der Aufstellung von Bebauungsplänen liegt. Bebauungspläne ermöglichen es, Einfluss auf Gebäudeart, Geschosszahl und Gestaltung zu nehmen.

Im Rahmen des Planungsverfahrens findet eine Bürgerbeteiligung statt, so dass die unterschiedlichen Interessen abgewogen werden können. Unstrittig ist, dass die nachträgliche Aufstellung alles andere als einfach ist und nicht das gesamte Stadtgebiet von heute auf morgen überplant werden kann, gerade deshalb gilt: Wir sollten uns auf den Weg machen, um behutsamer und nachhaltiger planen zu können