
Mit viel Organisationsaufwand und Improvisation meistert der ATV Haltern die Sperrung der Seestadthalle für den Halterner Sport zugunsten einer möglichen Flüchtlingsaufnahme. Das Konzept werde von der Mehrheit der Mitglieder getragen, sagt Vereinsvorsitzender Rupert Joemann. © Montage Dittgen
ATV-Mitglieder mussten Seestadthalle räumen - aber die steht noch immer leer
Flüchtlingsunterkunft
Sportler, die sonst die Halterner Seestadthalle nutzten, sind auf andere Quartiere ausgewichen, um Platz für Flüchtlinge zu schaffen. Doch die sind immer noch nicht in die Halle gezogen. Warum?
Mit einem Kraftakt, bei dem der ATV Haltern sowie andere Vereine und Einrichtungen in Haltern gemeinsam mit dem Stadtsportamt an einem Strang zogen, wurde die Seestadthalle samt Spiegelsaal im späten Frühjahr von den sportlichen Nutzern leer gezogen und für die Erstaufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine vorbereitet. Seit dem 27. Juni steht die Halle auf Stand-by und könnte quasi auf Knopfdruck bezogen werden. Kurz vor dem Ende der Sommerpause ist sie immer noch verwaist.
Es gibt jedoch aktuell kaum Aussichten für die Sportler, noch in diesem Jahr in die Seestadthalle zurückzukehren. Die Gründe hat die Bezirksregierung Münster auf Nachfrage genannt. Zum Paradoxon gehört, dass sich die Verantwortlichen trotz der weiteren Reservierung als zentrale Aufnahmestelle wünschen, die Halle in Haltern nicht in Betrieb gehen lassen zu müssen. „Wir hoffen, dass wir den Platz nicht benötigen“, erklärte Ulrich Tückmantel, Sprecher der Bezirksregierung.
Die Lage wird täglich neu eingeschätzt
Sollte die Halle in Haltern doch gebraucht werden, würde dieser Schritt nämlich mit einer Verschlechterung der Lage für die Menschen in der Ukraine zusammenhängen. Wie ernst dort die Lage ohnehin ist, zeigt die Nachricht, dass in Dorsten in diesen Tagen zwei vorbereitete Notunterkünfte für rund 1000 Kriegsflüchtlinge aktiviert werden.

Die Seestadthalle ist seit Juni für die Aufnahme von Flüchtlingen bereit. © Silvia Wiethoff
Zwischenzeitlich war die Zahl der aktiven Plätze in zentralen Unterkünften von der Bezirksregierung auf insgesamt 650 heruntergefahren worden (250 in Dorsten und 400 in Schöppingen). Nun meldet Ulrich Tückmantel: „Wir laufen voll.“ Deshalb müssen die Kapazitäten in der Reserve genutzt werden.
Die Aktivierung in Dorsten habe sich dabei angeboten, weil die Unterkunft direkt an eine bereits bestehende angrenze. Die vorhandene Infrastruktur samt Dienstleister (der Arbeiter-Samariter-Bund) müsse lediglich weiter hochgefahren werden. In Haltern müsste dagegen erst noch eine Organisation bestellt werden, die sich um die Betreuung der Einrichtung mit maximal 258 Plätzen kümmert.
Die Bezirksregierung hat sich bewusst breit aufgestellt
Die Planung der Flüchtlingsunterbringung gleicht dem Blick in eine Glaskugel. „Von Anfang an wussten wir nicht, wie viele Flüchtlinge zu welchem Zeitpunkt zu uns kommen werden“, machte Ulrich Tückmantel deutlich. Die Bezirksregierung habe sich deshalb in der Vorbereitung sehr breit aufgestellt.
Für die Sportler in Haltern ist die Situation nicht optimal. Aber das Konzept, nach Möglichkeit Ausweichquartiere zu nutzen, wird von der Mehrheit mitgetragen. „Ich habe bisher noch nichts Negatives gehört“, sagte ATV-Vorsitzender Rupert Joemann. Sein Verein gehört zu den Hauptnutzern der Seestadthalle und ist deshalb stark betroffen. Die Mitglieder hätten mit viel Verständnis auf die neue Situation reagiert. Gemeinsam mit dem Sportamt der Stadt habe man gute Lösungen finden können.
„Die Vereine in Haltern sind zusammengerückt“, beschrieb er die Solidarität in der Stadt. So haben beispielsweise auch die Schützen Haltern ihr Gildehaus für Sporteinheiten zur Verfügung gestellt. Der ATV gehe davon aus, dass die sportliche Nutzung der Seestadthalle noch bis ins nächste Jahr nicht möglich sein werde, teilte Rupert Joemann mit. Bis Ende 2022 habe der ATV einen entsprechenden Vertrag geschlossen, mit Option auf Verlängerung.
Für die Kompromissbereitschaft aller Beteiligter in Haltern ist der Vereinsboss sehr dankbar. Für den ATV wäre es nämlich fatal gewesen, nach zweijähriger Corona-Zeit und Mitgliederschwund weiterhin nicht in Präsenz Sport treiben zu können.
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