Die Krisen reißen nicht ab. Auf Corona folgten der Ukrainekrieg, Inflation, Kostensteigerungen bei der Energie und weitere Belastungen, die nicht nur zu psychischen Problemen führen. Sie verschärfen auch für viele Halterner ihre finanzielle Lage. Ein neues Netzwerk will ihnen Hilfen anbieten, will Wege aus der Krise aufzeigen.
Auf einander zugehen, die Lage des Mitmenschen sehen und sich gegenseitig unterstützen, wo es notwendig ist: Das ist schon seit einigen Jahren das Ziel der Initiative „Brücken bauen“, die sich zunächst im Umfeld der evangelischen Gemeinde Haltern gebildet hatte.
Zusammen mit Diakonie, Caritas, den vier christlichen Halterner Kirchen, der Haltener Bürgerstiftung und weiteren Partnern hat die Intiative jetzt mit dem Schuldnerberater des Diakonischen Werkes, Christian Overmann, ein Hilfskonzept entwickelt.
Dieses stellte die Initiative „Brücken bauen“ unlängst im Halterner Ausschuss für Generationen und Soziales vor. „Es geht uns darum, ein Umdenken zu initiieren“, sagt Thomas Knuth, einer der Gründer der Initiative. „Nicht die Betroffnen müssen für alles Anträge stellen, die Behörden, Banken, die Stadtwerke oder das Jobcenter können auch von sich aus auf Hilfsangebote aufmerksam machen. Denn in prekären Lagen sind viele Betroffene mit dem Verwaltungsaufwand überfordert.“

Christian Overmann geht davon aus, dass ein nicht unerheblicher Teil der Halterner Bevölkerung ihm zustehende Antragsleistungen auf finanzielle Hilfen nicht in Anspruch nimmt und dadurch lange unter dem gesetzlich vorgesehenem Existenzminimum lebt und weiter Schulden bedient, obwohl schon er längst zahlungsunfähig ist. Die Krisensituationen hätten dieses Dunkelfeld weiter erhöht, so Overmann.
„Geschwächte Personen fallen in eine Art Schockstarre, die sie handlungsapathischer werden lässt“, so Overmann. „Zur Problematik gesellen sich meinungsbezogene Vorurteile, die Menschen davon abhalten, Fremdhilfe in Anspruch zu nehmen. Oft wird das Eingeständnis ‚Ich brauche finanzielle Fremdhilfe‘ mit eigenbiographischen Versagen und Schwäche gleichgesetzt. Aber Armut ist kein biografisches Versagen.“
Betroffene ansprechen
Es sei notwendig, zu diesem Menschen Brücken zu bauen, sie initiativ anzusprechen, um ihnen die Hilfe zuteil werden zu lassen, die ihnen zustehe, so die Mitglieder der Initiative. „Wir schlagen deshalb einen Maßnahmenplan vor, wie auf Menschen zugegangen werden sollte, um aktuell krisenbedingt steigende Notlagen abzumildern“, sagt David Schütz von der Caritas, ebenfalls Mitglied der Initiative.

In ihrem Maßnahmenplan wenden sich die Mitglieder an die Stadtkasse als Vollstreckungsbehörde, an die Stadtwerke als Energielieferant, an Banken und Sparkasssen, an die Stadt Haltern und an das Jobcenter. Sie erheben aber keine Forderungen, sie stellen Fragen.
So zum Beispiel, ob die Stadtkasse auf einen Notlagenflyer hinweisen kann, den die Initiative gerade erstellt, ob die Stadtwerke in Notlagen ihr Forderungsmanagement anpassen können, ob die Banken dafür Sorge tragen können, dass verschuldete Kunden nicht zu lange teure Dispokredite zahlen, oder die Stadt verstärkt über mögliche Hilfen informieren kann.
„Wie wird örtlich das digitale Existenzminimum verbessert? Wer weder W-Lan noch einen Laptop oder PC hat, kann online auch keine Anträge stellen“, fragt die Initiative weiter.
Positive Resonanz der Politik
Bei den Politikern im Ausschuss sei der Maßnahmenplan auf eine sehr positive Resonanz gestoßen, so Christian Overmann. Da die Halterner Politiker auch in den meisten anderen Institutionen in den Aufsichtsratsgremien vertreten sind, hoffen die Initiatoren, dass ihre Initiative auch dort positiv aufgenommen wird.
In vielen Bereichen wie Bürgergeld, kindebezogenen Leistungen oder Grundsicherung im Alter werden über 60 Prozent der finanziellen Hilfen, die Bürgern zustehen, nicht abgerufen, informiert die Initiative. Dies wollen die Mitglieder ändern, indem sie die Institutionen in die Pflicht nimmt.
“Die Menschen müssen darüber informiert werden, was ihnen zusteht“, sagt David Schütz. „Wir wollen den Weg umkehren“.
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