Burnout nach Streunerkatzenprojekt in Haltern „Ich hatte kein normales Leben mehr“

Aus für Streunerkatzenprojekt: „Ich hatte kein normales Leben mehr“
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So richtig kann Tina Uhländer es selbst noch nicht begreifen. Die 45-Jährige, die in Haltern stadtbekannt ist, weil sie mehrere hundert herrenlose Katzen gerettet hat, macht Schluss mit ihrem ehrenamtlichen Streunerprojekt. Ein „breakdown“, wie sie es nennt, hat sie dazu gezwungen. „Zusammengebrochen“ war sie bereits im Juni 2022. Aber erst jetzt kann und will sie darüber sprechen.

Auf ihrem weißen Sofa im Wohnzimmer hat sie es sich gemütlich gemacht. Blauer Pullover, blaue Jeans, lange Haare, ein offener Blick und entspannte Gesichtszüge: Dass die Katzenliebhaberin ihr Leben auf links gedreht hat und zur Ruhe gekommen ist, sieht man ihr an. Katze Merle springt auf ihren Schoß.

Seit 2011 hat Tina Uhländer sich in Haltern für Katzen eingesetzt. „Ich bin katzenverrückt“, gesteht sie. Wo in anderen Städten ganze Teams aktiv sind, kämpfte sie allein für den Tierschutz.

Streuner fangen, unterbringen, für die Kastration beim Tierarzt sorgen, anschließend weiter betreuen, füttern, reinigen, Käfige desinfizieren, Einlagen waschen, Medikamente reichen. Und schließlich wieder in die Freiheit entlassen, wenn verwilderte Katzen wegen ihrer Scheu nicht für eine Vermittlung geeignet waren. Ansonsten kam die Vermittlung noch hinzu. Auch Futterstellen wurden betreut.

Eine Katze hat es sich in einem Schuhkarton gemütlich gemacht. Im Hintergrund ist noch ein Kater zu sehen.
Vier Katzen leben bei Tina Uhländer. „Die freuen sich auch, dass ich jetzt so viel Zeit für sie habe.“ © Ingrid Wielens

Dazu Spenden eintreiben, oft als Katze Minka verkleidet, Todfunde sichern, die Streunerkatzenprojekt-Seiten in den Sozialen Medien pflegen. Und dabei, wenn nötig, immer erreichbar und fast rund um die Uhr im Einsatz sein. Kaum vorstellbar, wie bei einem solchen ehrenamtlichen Arbeitspensum auch noch Berufstätigkeit möglich ist.

„Tatsächlich habe ich einen Vollzeitjob als Sachbearbeiterin in einer Finanzabteilung“, erzählt die 45-Jährige. Und ja, ihr Chef habe immer großes Verständnis für ihre ehrenamtliche Tätigkeit gehabt. „Ich konnte relativ flexibel arbeiten.“ Vor und nach der Arbeit, oft auch in der Mittagspause kümmerte sie sich um die herrenlosen Samtpfoten.

Keine Freunde

Zeit für ein Privatleben gab es nicht mehr. „Ich habe keine Freunde“, stellt die 45-Jährige heute fast ein wenig überrascht fest. „Woher auch, ich war immer für die Katzen unterwegs“, sagt sie. „Ich hatte kein normales Leben mehr.“

Mühsam versucht sie nun, Leute kennenzulernen, sich ein privates Umfeld aufzubauen. Denn die bisherigen Kontakte standen mit dem Katzenprojekt in Verbindung. „Und diese Kontakte habe ich alle abgebrochen.“ Tina Uhländer muss sich schützen: „Es macht nur so Sinn, denn sonst hört es nicht auf mit den immer wieder neuen Anfragen und Hilfeersuchen.“

Ein paar Tiere hat die Katzenliebhaberin ganz privat. Im Bild Merle.
Ein paar Tiere hat die Katzenliebhaberin ganz privat, das hier ist Merle. © Ingrid Wielens

Im Juli 2022 kam es, wie es wohl auch kommen musste. Es war ein fast alltäglicher Fall. „Ich musste wieder mal eine Katze kastrieren lassen, der Tierarzt hatte aber erst einige Tage später Zeit.“ Also sorgte sie so lange für die Katze. „Ich wusste plötzlich nicht mehr, wie ich das alles schaffen soll. Ich hatte keine Kraft mehr.“ Die Katze übergab sie einer anderen Tierschützerin. Und dann meldete sie sich ab.

„Ich kann nicht mehr“

Es sollte nur eine einjährige Pause werden. Ein Jahr später erbot sie sich bei ihren Followern weitere sechs Monate Ausstand. In dieser Zeit wurde ihr klar: „Es geht gar nicht mehr.“ Schon der Gedanke an die Wiederaufnahme des Projekts versetzte sie in Panik. Erst der Entschluss, ganz aufzuhören, brachte die lang ersehnte Erleichterung.

Eine schwarze Katze sitzt auf einem Kratzbaum.
Tina Uhländer ist nach eigener Aussage katzenverrückt. Und trotzdem tritt sie jetzt kürzer. © Ingrid Wielens

„Ich kümmere mich jetzt um mich“, sagt Tina Uhländer und lacht. Joggen, lesen und sich ihren eigenen vier Katzen widmen - sie genießt ihre neue Freiheit und Freizeit. „Ich fühle mich nicht mehr in Lage, das Katzenprojekt fortzuführen. Es tut mir leid, aber ich kann einfach nicht mehr.“

Zukunftsprojekte

Styroporhütten für die Streuner will sie aber ab Oktober, wenn es nass und kalt wird, wieder bauen. Sie kommt eben nicht so richtig los vom Katzenschutz. „Und eventuell werde ich nächstes Jahr auch wieder Todfunde sichern.“

Mikrochips, falls vorhanden, beim Tierarzt auslesen lassen, die Besitzer, wenn vorhanden, benachrichtigen, tote Katzen ins Krematorium bringen - das würde sie gerne noch machen, sagt Tina Uhländer. „Mehr aber nicht.“ Und wieder lächelt sie: „Auch wenn Katzenschutz immer noch ein Triggerwort für mich ist.“

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