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Zwei-Euro-Jobber: EDG muss Hilfskräfte nach Hause schicken
Corona-Krise
Sie sortieren Kleidung. Sie sammeln Müll oder gehen bei der Altenpflege zur Hand. Bis die Corona-Krise kam. Nun sitzen viele Zwei-Euro-Jobber wieder zu Hause. Das hat bald sichtbare Folgen.
„Hoffentlich bricht da nichts weg.“ Regina Schubert macht sich Sorgen. Sie ist die Gründerin des Vereins Halte-Stelle e.V., der psychisch kranken Menschen Unterstützung bietet. Viele leben von Hartz IV und haben mit persönlichen Problemen zu kämpfen. Ihre Tage haben oft keine klare Struktur, einigen fällt bereits das regelmäßige Aufstehen schwer. An einen regulären Job im sogenannten ersten Arbeitsmarkt ist für viele vorerst nicht zu denken.
Eine erste Hilfe bei der Rückführung in ein normales Leben bieten ihnen die AGH-Maßnahmen. Im Behördendeutsch heißen sie „Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung“, früher „Ein-Euro-Jobs“ genannt. Meist handelt es sich um leichtere und zusätzliche Tätigkeiten, mit denen Betroffene langsam (wieder) ans Berufsleben herangeführt werden sollen.

Regina Schubert sorgt sich um ihre Mitarbeiterinnen: „Wir halten telefonischen Kontakt.“ © Gregor Beushausen
Fünf AGH-Kräfte, allesamt Frauen, haben zuletzt im „Second-Fashion-Laden“ an der Bayrischen Straße unter Leitung von Regina Schubert gearbeitet. Sie haben drei bis sechs Stunden am Tag Kleidung sortiert, gewaschen, gebügelt und Kunden beraten. Und sich so zwei Euro pro Stunde anrechnungsfrei hinzuverdient.
Sorgen um die Menschen werden größer
„Die Kräfte sind für uns unverzichtbar geworden“, sagt Regina Schubert. So, wie der Laden auch für die Betroffenen unverzichtbar geworden ist: Seit der Öffnung vor 20 Jahren hätten rund 80 Kräfte, die einige Zeit im „Second Fashion“ tätig waren, später einen regulären Job im „ersten Arbeitsmarkt“ gefunden.

Alexandra Furmann, festangestellte Mitarbeiterin im „Second Fashion“, hofft, dass ihre fünf Kolleginnen bald zurückkehren. © Gregor Beushausen
Mitte März musste der Laden mit seinen beiden Festangestellten und den AGH-Kräften wegen der Corona-Krise schließen. Wie alles, was nicht als „systemrelevant“ gilt. Je länger die aktuellen Einschränkungen dauern, desto größer wird bei Schubert die Verunsicherung.
Die Arbeit im Geschäft habe den Menschen Halt gegeben, eine Struktur. „Ich hoffe, das verliert sich jetzt nicht alles wieder.“ Sie hält engen telefonischen Kontakt zu den betroffenen Frauen – und hofft auf ein baldiges Wiedersehen im „Second-Fashion“.
Das werde es auch geben, versichert Michael Schneider vom Jobcenter. Vorgesehen sei, dass alle AGH-Kräfte nach dem Ende der Corona-Krise wieder an ihren bisherigen Arbeitsplatz zurückkehren können. Knapp 1400 Dortmunder sind derzeit in AGH-Maßnahmen untergebracht, die jeweils sechs Monate, aber auch drei Jahre dauern können.

Vor 20 Jahren wurde der Second-Hand-Laden an der Bayrischen Straße eröffnet. Rund 80 Hilfskräfte konnten seitdem in einen regulären Job vermittelt werden. © Gregor Beushausen
Die meisten Zwei-Euro-Jobber sitzen derzeit tatsächlich zu Hause, ihr kleiner Nebenverdienst fällt damit flach. Etwa 20 Prozent der Maßnahmenteilnehmer arbeiten, auch unter den aktuellen Bedingungen. „Das sind die, die tatsächlich in systemrelevanten Bereichen wie etwa in der Seniorenbetreuung tätig sind und dort hauptamtlichen Helfern zur Hand gehen“, sagt Schneider.
EDG-Helfer zum Nichtstun verdammt
Allein beim Diakonischen Werk sind 101 Menschen in Zwei-Euro-Jobs untergebracht. Sie arbeiten für gewöhnlich in den Sozialkaufhäusern der Diakonie, helfen im Wichern-Haus aus oder beim Bootsverleih im Fredenbaumpark. „Die Arbeit der Menschen hat einen großen Wert für uns“, sagt Tim Cocu von der Diakonie.
Weitere 50 Zwei-Euro-Jobber stehen in Diensten der Entsorgung Dortmund (EDG). Besser gesagt: Sie standen. Zwar ist die EDG als kommunaler Entsorger „systemrelevant“. Trotzdem mussten alle Hilfskräfte erst einmal nach Hause geschickt werden. „Am 19. März haben wir die schriftliche Ansage bekommen, dass die Maßnahmen ausgesetzt sind“, sagt EDG-Sprecher Matthias Kienitz.
Das Problem: Zum Job der Helfer gehört, mit Schubkarre und Zange durch die Innenstadt zu ziehen, den Müll aus öffentlichen Grünanlagen und vom Boden zu fischen und ganz einfach Präsenz zu zeigen. Kienitz: „Die haben dort gereinigt, wo andere nicht mehr hinkommen.“ Diese Arbeiten würden in der Corona-Krise erst einmal wegfallen. „Und genau das wird sich in der City auch bald zeigen“, fürchtet Kienitz.
Jahrgang 1961, Dortmunder. Nach dem Jura-Studium an der Bochumer Ruhr-Uni fliegender Wechsel in den Journalismus. Berichtet seit mehr als 20 Jahren über das Geschehen in Dortmunds Politik, Verwaltung und Kommunalwirtschaft.