Der 37. Evangelische Kirchentag soll die Gesellschaft wieder näher zusammenbringen. Es waren aber nicht nur Appelle und Botschaften, die die Eröffnung am Mittwochabend prägten.
Mit Appellen gegen eine gesellschaftliche Spaltung und für mehr Solidarität ist am Mittwochabend (19. Juni) in Dortmund der 37. Evangelische Kirchentag eröffnet worden. Kirchliche und staatliche Repräsentanten benannten die drängendsten gesellschaftlichen Fragestellungen, die das Kirchentreffen in den Tagen begleiten werden.
Um 18.15 Uhr hatte für 25.000 Menschen auf der Kreuzung am Ostentor das Warten ein Ende: Kirchtagspräsident Hans Leyendecker erklärte unter Applaus den 37. Evangelischen Kirchentag für eröffnet. „Endlich sind wir wieder beisammen“, freute er sich. Stunden hatten die Teilnehmer an der zentralen Eröffnung sitzend oder stehend auf den Straßen ausgeharrt. Sie sangen, unterhielten sich und genossen einen strahlenden Sommerabend.
Glauben und Handeln gegen das „Gift des Misstrauens“
Im Beisein von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Ministerpräsident Armin Laschet appellierte Hans Leyendecker gegen eine gesellschaftliche Spaltung und für mehr Zusammenhalt. Mit Blick auf wachsenden Nationalismus sagte Leyendecker, die Vokabel „Heimat“ sei eines der schönsten Worte. „Wer aber Nation und Volk zu Gott macht, der lästert Gott“, betonte er zum Start des Glaubensfestres.
Er mahnte: „Wir müssen gegen den Fremdenhass mehr machen.“ Dem „Gift des Misstrauens“ werde der Kirchentag mit Glauben und Handeln entgegentreten. Man werde nicht zulassen, dass der Hass der Hetzer und Spalter das Land hässlich mache.
„Danke, dass ihr eure Eltern und Großeltern mitgebracht habt“
Hans Leyendecker dankte der Jugend für ihr Engagement, dass sie der Gesellschaft „Dampf mache“. Und: „Danke, dass Ihr Eure Eltern und Großeltern mitgebracht habt.“ Die standen und saßen auf dem heißen Pflaster des Wallrings und der anliegenden Straßen.
In ihrer Predigt hatte die westfälische Präses Annette Kurschus zuvor dazu aufgerufen, der alltäglichen Angst und Sorge Geschichten von Hoffnung und Vertrauen entgegenzusetzen. „Wir sind sie all jenen schuldig, die diese Kraft in ihrem Leben gerade so schmerzlich vermissen“, sagte die leitende Theologin der Evangelischen Kirche von Westfalen.
Scheinbare Sicherheiten seien ins Wanken geraten und „was lange selbstverständlich schien, wackelt“, sagte Kurschus und verwies auf den Klimawandel, das Sterben im Mittelmeer, Fake News, Hassparolen und die unsichere Zukunft von Demokratie und einem gemeinsamen Europa. Eine „Zeitansage“ für die kommenden (Arbeits-)Tage des Christentreffens.
Aber auch ein kritischer Blick in die Kirche selbst: Auch sie habe teils Vertrauen erschüttert, schändlich missbraucht und „perfide ausgenutzt“, erklärte Annnette Kurschus. Angesichts dieser Erschütterung von Fundamenten des Lebens hätten junge Leute das Motto des Kirchentages, „Was für ein Vertrauen“, inspiriert. Wo Gott das Leben kreuze, wachse Vertrauen, sagte Kurschus. „Da finden Menschen heraus aus den Tälern ihrer Angst, weil man ihnen endlich zuhört.
Bundespräsident ruft zu Verständigung zwischen den Völkern auf
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ermutigte Kirchentagsbesucher zu mehr Engagement für eine bessere Welt. „Wir wollen die Welt nicht nur beschreiben und beklagen, sondern wir wollen sie zum Besseren verändern“, sagte Steinmeier nach Ende des Gottesdienstes in einem Grußwort.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach nach der Eröffnung ein kurzes Grußwort. © Stephan Schuetze
Die Zukunft sei angesichts der drängenden Probleme ungeduldig. „Daher lasst sie uns anpacken: für ein friedliches Zusammenleben in der Gesellschaft, für Verständigung zwischen den Völkern und Religionen, für Klima und Umwelt“, sagte er. Christen suchten nicht das stille Kämmerlein und nicht die Echokammer, der Glaube stelle Christen hinein in die Verantwortung für die Welt.
Ministerpräsident kritisiert Auswüchse des Kasinokapitalismus
Der zunehmende Mangel an Vertrauen in der Gesellschaft habe nicht allein mit Zweifeln zu tun, ob die Bundesregierung handlungsfähig sei oder ob Parteien zu sehr mit sich selbst beschäftigt seien, sagte Steinmeier weiter. Der Mangel an Zukunftsvertrauen gehe tiefer in alle Lebensbereiche hinein. So schauten viele Menschen mit großen Sorgen auf die digitale Zukunft und weitere gewaltige Veränderungen um sie herum. Er sei dankbar, dass sich der Kirchentag dieser Fragen annehme.
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) rief angesichts der Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) zu mehr Wachsamkeit gegenüber Rechtsextremismus auf. Mit Blick auf das Kirchentagsmotto „Was für ein Vertrauen“ erklärte Laschet, dass durch Auswüchse eines Kasinokapitalismus und „Fake News“ Vertrauen der Gesellschaft verloren gegangen sei. Wenn keiner mehr vertraue, ziehe sich jeder zurück in seine eigene Filterblase. „Ich erhoffe mir von diesem evangelischen Kirchentag, dass Vertrauen wachsen kann“, sagte Laschet.
Mit Material von dpa und epd
Geboren 1964. Dortmunder. Interessiert an Politik, Sport, Kultur, Lokalgeschichte. Nach Wanderjahren verwurzelt im Nordwesten. Schätzt die Menschen, ihre Geschichten und ihre klare Sprache. Erreichbar unter uwe.von-schirp@ruhrnachrichten.de.
