Das Westfalenforum in der Dortmunder City ist nicht gerade ein Ort des blühenden Lebens. Der riesige Komplex an der Ecke Kampstraße / Hansastraße wollte einmal ein aufstrebendes Einkaufszentrum sein. Davon ist er heute aber mehr denn je entfernt. Der Großteil der Flächen steht leer.
Es gibt aber eine Ausnahme. Eine Konstante über all die Jahre. Einen Ort in diesem wirren Komplex, in dem es durchaus sehr viel Leben gibt. Und das schon seit 20 Jahren. Die Disko im ersten Stock an der Hansastraße. Das Nightrooms.
Von außen ist der Club so unscheinbar, so unspektakulär wie der Rest des Gebäudes. „Nightrooms“ steht in schnörkellosen Lettern an der Fassade an der Hansastraße 5-7.
Wer am Freitag- oder Samstagabend hier vorbeigeht, sieht aber meistens eine Traube junger Leute vor dem Gebäude versammelt, die in der Schlange stehen, um reinzukommen. Und manchmal wummert ein Bass so laut, dass der Wind ihn auf die andere Straßenseite trägt. Ansonsten weist von außen wenig auf das hin, was drinnen passiert.
Dieser Text erschien zum ersten Mal 9. Juni 2018 im Rahmen unserer Serie „Legenden des Dortmunder Nachtlebens“. Für die erneute Veröffentlichung zum 20. Geburtstag des „Nightrooms“ haben wir ihn leicht aktualisiert.
Haben die Gäste Türsteher und Eingang passiert, landen sie zunächst im Lounge-Bereich des Clubs - es ist, das ist das Besondere, ein Rondell, von dem die drei verschiedenen Tanzbereiche abgehen. Je nachdem, welche Party gerade läuft, werden die Gäste hier begrüßt.
Bei der Cookies-Party zum Beispiel gibt’s als erstes was Süßes auf die Hand. Im Rondell gehen die Gäste an einem Abend meistens ein paar Mal im Kreis, um von Bereich zu Bereich zu kommen. Disko-Hopping in der Disko.
„Das Nightrooms ist ein ordentlicher Laden“
Ins „Nightrooms“ gehen die Leute, weil sie tanzen wollen. Und das stundenlang, zu Hits, die sie kennen, mit Leuten, die sie kennen. Es ist hier nicht so szenig oder extravagant oder abgerockt wie in anderen Diskos. Aber trotzdem oder vielleicht gerade deshalb ist das „Nightrooms“ über Jahre eine beliebte Adresse im Dortmunder Nachtleben geblieben.
„Das Nightrooms ist ein ordentlicher Laden, ein ehrliches Produkt“, sagt Holger Schmidt, der das „Nightrooms“ mit Patrick Schröder betreibt. Janis Bramel kümmert sich als Club-Manager um das operative Geschäft.

Die Geschichte dieser Diskothek beginnt kurz vor der Jahrtausendwende. Es muss 1998 gewesen sein, als sie eröffnete. Damals noch unter einem anderen Namen, mit einem anderen Konzept: das „Stadtpalais“.
„Das war ein Mördererfolg“, sagt Holger Schmidt, der im Jahr 2000 zum Stadtpalais stieß. Die Gäste seien damals auch aus 100 Kilometern Entfernung gekommen, um im „Stadtpalais“ zu feiern. Dabei seien die ersten Wochen sehr holprig gewesen. „Aber irgendwie haben die Leute von damals es auf dem Weihnachtsmarkt geschafft, die Nachricht zu verbreiten, dass es da einen neuen Laden für Junggebliebene gibt“, sagt Schmidt. Und dann lief’s.
Büsten und Kronleuchter
Das Stadtpalais war pompös eingerichtet – mit Büsten und Statuen, Deckengemälden, Kronleuchtern, teurem Parkett- und Teppichboden. Es war damals etwas ganz Neues für Dortmund. Eine Disko, so schick, wie es sie bisher nicht gegeben hatte. Und weil alles so schick war, machten sich auch die Gäste schick. Sie trugen eher Abendgarderobe als Jeans und T-Shirt.
Das Publikum war nicht so jung, wie es das heute ist. Gespielt wurden auch damals schon in jedem der drei Bereiche verschiedene Musikstile, Dance-Musik im ersten, Charts und Schlager im zweiten, 80er und 90er im dritten, sagt Holger Schmidt. Am Anfang tanzten die Leute, wie man das halt so machte, noch Foxtrott. „Aber das passte nicht zum Stadtpalais“, sagt Schmidt. „Es war viel moderner da.“
Wie sich das „Nightrooms“ verändert hat











Er erinnert sich an eine legendäre Studio-54-Party. Das Hamburger DJ-Team „Discoboys“ legte damals auf, verband den typischen Discosound mit House-Musik. „Damals war das etwas Neues“, sagt Schmidt.
Magdalena Ferens war Stammgast an der Hansastraße. „Das Stadtpalais war eine Disko mit Stil“, sagt sie. „Es war einfach etwas anderes.“ Sie erinnert sich noch, dass es immer für zwei Stunden ein Buffet gab, das die Gäste gerne plünderten, bevor es auf die Tanzfläche ging.
„Prisma“ war ein harter Konkurrent
Dann habe das „Prisma“ in Eving eröffnet - mit einem ganz ähnlichen Konzept. Und das „Stadtpalais“ habe ein bisschen an Ansehen verloren, sagt Ferens. Um sich etwas abzugrenzen, sei im „Stadtpalais“ der Dresscode etwas gelockert worden, das Publikum wurde jünger. „Das Stadtpalais war für mich wie ein Wohnzimmer, wie ein Zuhause“, sagt Ferens. „Wir waren jeden Freitag und Samstag da.“
Sie habe dort immer irgendwen getroffen, den sie kannte. „Und eigentlich sind wir gekommen, um in der Hip-Hop-Halle zu tanzen, die immer rappelvoll war“, sagt sie. Dort habe sie einen Gast kennengelernt, an den sie sich noch heute erinnert. Er hieß Friday und sei immer nur freitags da gewesen.
Neues Konzept musste her
Doch irgendwann passte das Konzept des „Stadtpalais“ nicht mehr so richtig zu den immer jünger werdenden Gästen. Die Betreiber entschieden sich für einen Relaunch, aus dem „Stadtpalais“ wurde im Oktober 2003 das „Nightrooms“.
Seit diesem Relaunch ist sich die Disko in ihrem Grundgerüst treu geblieben. Die Gäste sind jung, die meisten zwischen 18 und 25 Jahre, und sie hören hier Musik, die zwar cool ist, aber auch kommerziell. Vor allem in dem größten der drei Bereiche läuft überwiegend Radiomusik. In den anderen gibt es Black-Music und Hip-Hop zum einen und House zum anderen. Das „Nightrooms“ arbeitet dafür mit einem Stamm von DJs zusammen, es sind etwa drei feste für jeden Bereich.
Immer wieder stehen aber auch Gast-DJs an den Plattentellern. Über die Jahre waren so einige hier, die die elektronische Musik geprägt haben: DJ Antoine, Martin Garrix, Hardwell und Afrojack, der damals noch mit Paris Hilton liiert war. Der amerikanische DJ Blend legte mit Zombiemaske auf.
Einer dieser Gäste hat es wenig später zu Weltruhm gebracht – mit tragischem Ende. Zum siebten „Nightrooms“-Geburtstag am 16. Oktober 2010 hatte das „Nightrooms“-Team ganz spontan die Möglichkeit, den schwedischen DJ Tim Bergling zu buchen.
Avicii legte für kleines Geld auf
Irgendwer kannte irgendwen, der Kontakt zu dem DJ mit dem Künstlernamen Avicii hatte, und dann kam er kurzfristig nach Dortmund und legte zwei Stunden auf. Der damalige Newcomer habe nur eine sehr kleine Summe gekostet, verraten die „Nightrooms“-Macher.
Wenig später schaffte Avicii mit dem Lied „Levels“ seinen Durchbruch, wurde zu einem der gefragtesten DJs der Welt, spielte nicht mehr in Clubs, sondern vor Hunderttausenden auf Festivals und verdiente Millionen. Im April 2018 starb er, überraschend, mit nur 28 Jahren.

Im Nightrooms legen nicht nur bekannte Gesichter auf. Auch die Gäste sind keine ganz Unbekannten in der Stadt. Seit vielen Jahren gehen die Spieler von Borussia Dortmund im „Nightrooms“ feiern.
Als der BVB 2011 und 2012 Meister wurde, haben die Spieler jeweils einen Bereich gemietet und dort ordentlich gefeiert. „Die haben hier richtig Gas gegeben“, sagt Holger Schmidt. „Vor allem Neven Subotic. Das war ein cooles Partyschwein.“ Der Innenverteidiger hätte damals selbst das DJ-Pult übernommen. „Die Jungs waren echt sympathisch“, sagt Schmidt.
„Wir wollen ein Club sein“
Mit seinen drei Tanz-Bereichen und den 2000 Quadratmetern Fläche entspricht das „Nightrooms“ den Vorstellungen einer klassischen Großraumdisko. Die Betreiber versuchen da aber immer wieder gegenzusteuern, wegzukommen von diesem Image. „Wir wollen ein Club sein“, sagt Holger Schmidt.
Das „Nightrooms“ unterscheidet sich durchaus von großen, unpersönlichen Disko-Tempeln. Die Bereiche sind nicht so groß, dass sie Hallencharakter haben. Ein kleiner gemütlicher Club ist’s aber eben auch nicht.
Denn wenn man mit seinen Freunden feiern gehen will, aber nicht weiß wohin, dann geht man ins „Nightrooms“. Da ist man immer auf der sicheren Seite. Gefällt einem die Musik im einen Bereich nicht, geht man zum nächsten. Und wenn man eine Pause braucht, dann setzt man sich eben auf ein Getränk ins Domicil nebenan, sagt Magdalena Ferens.
Ferens geht zwar nicht mehr so oft feiern wie zu Stadtpalais-Zeiten, ist aber immer noch ab und zu im Nightrooms. „Es liegt einfach super zentral“, sagt sie. „Das ist der große Vorteil.“
„Nightrooms“ blieb sich stets treu
Auch wenn sich die Disko stets treu geblieben ist, die Zeit bleibt nicht stehen.
Das Diskogeschäft ist schnelllebig, die Gäste wollen etwas geboten kommen, wenn sie feiern gehen. Mitte der 2010er-Jahre sind im Nightrooms deshalb - wieder einmal - alle Bereiche renoviert worden.
Es gibt immer wieder neue Partyangebote, die teilweise schon Eventcharakter haben. Bei der Urban-Circus-Party alle zwei Monate werden die Gäste zum Beispiel zu Akteuren einer Zirkusshow. Feuerspucker, Zauberer und eine Schlangenfrau sind dann die Stargäste und die Besucher Teil einer großen Geschichte.
Tanzen wollen sie aber trotzdem. Noch immer.
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