
© Badisches Landesmuseum Karlsruhe
Wie ein legendärer Wild-West-Held vor 127 Jahren nach Dortmund kam
Buffalo Bill
Vor 127 Jahren kam Buffalo Bill nach Dortmund. Das Gastspiel des legendären Wild-West-Helden lockte die halbe Stadt an den Fredenbaum – und die Pferdebahn setzte Sonderwagen ein.
Halb Dortmund schien auf den Beinen zu sein. „Schon in den frühen Nachmittagsstunden, zwischen zwei und drei Uhr, ist auf der Münsterstraße kein Durchkommen mehr. Eine unübersehbare Menschenmenge schiebt sich nach Norden, und die Pferdebahn, die Sonderwagen einsetzen muss, kann den Transport kaum bewältigen.“
Der Auslöser der Begeisterung ist Buffalo Bill. Der berühmte Wild-West-Held gastierte im Mai 1891 mit „200 Indianern, Cowboys, Scharfschützen und Reitern, 175 Ponies, Maultieren, wilden Pferden und Büffeln“ auf seiner Europa-Tournee für vier Tage am Fredenbaum.
Massenandrang beim Umzug durch die Nordstadt
Schon die Anreise der Truppe wurde zum Ereignis. „Die Büffel frei voran, ringsum von berittenen Treibern geleitet, die Indianer auf ihren Rossen hinterher, und zuletzt ein seltsames Gefährt, anscheinend eine gewesene Postkutsche aus dem Wilden Westen von vier Maultieren gezogen. Besonders die Indianer mit ihren kupferbraunen, teilweise bemalten Gesichtern erregten in ihrer phantastischen Tracht und ihrem seltsamen Kopfputz lebhafte Aufmerksamkeit“, berichtete damals der „Generalanzeiger“. Die Zuschauermenge, die den ungewöhnlichen Umzug begleitete, „brach, wenn sich der berühmte Buffalo Bill persönlich zeigte, in Hochrufe aus“, berichtet der Reporter.
Die Wildwest-Begeisterung war typisch für die Zeit, wie Andreas Seim feststellt. Der Kulturwissenschaftler vom Badischen Landesmuseum Karlsruhe ist Kurator der Ausstellung „Cowboy & Indianer – Made in Germany“, die nach Stationen in Karlsruhe und Koblenz ab Sonntag für vier Monate im Museum für Kunst und Kulturgeschichte an der Hansastraße zu sehen ist.
Sehnsucht nach einem ursprünglicherem Leben
Das Gastspiel von Buffalo Bill im Fredenbaum im Mai 1891 ist dabei Aufhänger für die für Dortmund leicht angepasste Familienausstellung, die einen Einblick in die Wildwest-Verklärung Ende des 19. Jahrhunderts gibt. „In der Industriegesellschaft mit ihren sozialen Umbrüchen war sie Ausdruck einer Sehnsucht nach einem besseren, ursprünglicheren Leben“, erklärt Seim. Da kommt der Besuch von Buffalo Bill mit seinen vermeintlich wilden Indianern gerade recht.

Der Saalbau am Fredenbaum war Endpunkt der ersten Pferdestraßenbahn in Dortmund. © Stadtarchiv
Der als Büffeljäger und Oberst der US-Armee im Kampf gegen die Indianer berühmt gewordene William Frederick Cody, genannt „Buffalo Bill“ wusste seinen Ruf als Wildwest-Held bestens zu vermarkten, bediente die damals neu aufkommenden Medien etwa mit Foto-Postkarten oder Groschenromanen, die ihn auch in Europa bekannt machten. Schon in den USA hatte er eine Wild-West-Show organisiert, mit der er erstmals 1887 auch nach Europa reiste.
Zwei Jahre auf Tournee durch Europa
1891 machte er sich mit einer mehr als 600 Mitglieder zählenden Truppe – darunter 200 Sioux-Indianer – erneut auf die Reise über den Atlantik, zog damit zwei Jahre lang durch halb Europa. Dortmund war eine von einem halben Dutzend Stationen in Deutschland. Und die Dortmunder Tageszeitungen, in denen in Anzeigen für die Wildwest-Show geworben wurde, begleiteten schon die Ankunft der Truppe mit langen und begeisterten Artikeln.
Schon beim Entladen des Zuges „hatte sich eine nach vielen Hunderten zählende Menschenmenge eingefunden, die dem seltsamen Schauspiel aufmerksam zusah“, heißt es in einem Bericht. Das „Durcheinander von Indianern, Pferden und Büffeln, die sich schließlich ordneten und in langem Zuge zum Fredenbaum in Bewegung setzten“ bot „einen eigenartigen Anblick“.

Mit diesen Zeitungsanzeigen wurde für die Wildwest-Show in Dortmund geworben. © Archiv
Der Fredenbaum war als Gastspiel-Ort gut gewählt. Am Rande der wachsenden Nordstadt, dem Industrie- und Arbeiterquartier der Stadt, war das Waldgelände mit mehreren Ausflugslokalen schon seit längerer Zeit ein beliebtes Freizeitziel. Hier trafen sich die Schützen, es gab Garten-Konzerte und Freiluft-Theater-Aufführungen und ab 1886 die erste Pferderennbahn der Stadt.
Schon seit 1881 war der Fredenbaum Ziel der ersten Dortmunder Pferde-Straßenbahnlinie, die am Steinplatz begann und über 2.3 Kilometer in Richtung Norden führte. Endpunkt war die alte Straßenwirtschaft an der Münsterstraße, die zwei Jahre danach um einen Gartensaal mit Biergarten wuchs.
Riesiger Saalbau lockte die Massen zum Fredenbaum
Noch größer wurde es einige Jahre später, als die Besitzer der Dortmunder Klosterbrauerei, die Gebrüder Meininghaus, aus der alten Gastwirtschaft einen großen Saalbau machten. Mit allen Räumen zusammen bot er Platz für fast 5000 Besucher und war damit für Jahrzehnte einer der größten Veranstaltungssäle in Deutschland. Hier fanden regelmäßig Konzerte, Feste und Tagungen statt. Mit in den Veranstaltungsreigen einbezogen war auch die große Festwiese, die gleich hinter dem Saalbau lag. Dort gab es Zirkus-Gastspiele und Volksfeste oder es konnte der Start eines Heißluft-Ballons bewundert werden.

Der Saalbau Fredenbaum war ein beliebtes Ausflugsziel. © Archiv MKK
Für Buffalo Bills Wildwest-Show war der Fredenbaum also ein passender Ort. Große Tribünen waren dafür auf der Festwiese aufgebaut worden und eine kleine Zeltstadt, die die Truppe beherbergte. Für den Aufbau hatte die „Buffalo-Bill-Gesellschaft zuvor per Zeitungsanzeigen „hundert Arbeitsleute“ gesucht. Die Tournee mit Wechsel der Auftrittsorte innerhalb von einem Tag war eine logistische Meisterleistung.
Noch am Tag der Ankunft, am 13. Mai 1891, gab es am Nachmittag die erste Vorstellung. „Die Pferdebahn war trotz des Einsatzes von Sonderwagen völlig überlastet. 5000 zahlende Zuschauer, für die auf der Festwiese große Tribünen aufgebaut waren, sahen ein farbenfrohes Spektakel mit Wettrennen und gespielten Gefechten zwischen Cowboys, Trappern und Indianern, Postkutschen-Überfällen, Lagerleben, Büffeljagd und ‚wilden Pferden‘ und natürlich – allen voran die bekannte Meisterschützin Annie Oakley, die mit ihrer Rolle in der Wildwest-Show die Vorlage für das Musical „Annie get your gun“ lieferte, und natürlich Buffalo Bill (alias William Frederick Cody) selbst.

Mit diesen Anzeigen wurden Arbeitskräfte gesucht. © Archiv
„Das Programm begann mit einem imposanten Aufzug aller Indianer, Vaqueros (Cowboys) und Farmerfrauen. Zuletzt erscheint Buffalo Bill, ein schöner Mann, mit 45 Jahren im Zenit seines Lebens, von den Zuschauern stürmisch begrüßt. Das Pferdematerial sowie die Kostüme sind glänzend. Vor der großen Sportplatztribüne sitzt eine Kapelle von 15 Mann. (...) In bunter Folge ziehen die Bilder nun vorüber. Wettrennen zwischen Indianern und Kuhjungen, zwischen Farmerfrauen und zwischen Indianerjungen, Gefechte zwischen Indianern und Trappern. Überfall der alten Deadwood-Postkutsche durch Indianer, Lagerleben der Indianer, Büffeljagd, Einreiten wilder Pferde. Das letzte rief große Heiterkeit hervor. Die Pferde bockten so furchtbar, dass selbst die geübten Vacqueros kaum in den Sattel kommen konnten, und wenn sie hinein waren, sehr schnell wieder herausflogen. Es spielten sich hierbei köstliche Scenen ab“, berichtete die „Dortmunder Zeitung“ am 14. Mai 1891. Einen Eindruck von der Show bieten Filme, die in der Ausstellung „Cowboy & Indianer“ im MKK zu sehen sind.

Anzeigen rund um das Buffalo-Bill-Gastspiel. © Archiv
Die Dortmunder Beobachter waren fest davon überzeugt, das authentische Wildwest-Leben zu sehen. „Den Wert der ganzen Schaustellung finden wir in der Echtheit des Gebotenen“, heißt es in der „Dortmunder Zeitung“. Die Vorstellungen sind die getreue Wiedergabe der Ereignisse im amerikanischen „Far West“. Keine im Zirkus üblichen Szenen spielten sich ab, sondern wirkliches, oft märchenhaftes Leben und Treiben aus den weiten Ebenen des nordamerikanischen Indianergebietes zieht an uns vorüber.“
Auch der Berichterstatter der Tageszeitung „Tremonia“ war davon überzeugt, „ein getreues Bild des ‚wilden Lebens‘ im fernen Westen“ zu erleben. Die Zeitung vermittelte aber auch die historischen Hintergründe. „Die Indianer, welche Buffalo Bill jetzt bei seiner Truppe führt, sind zum Teil kriegsgefangene Sioux, welche bei dem jüngsten blutigen Indianer-Aufstand von den Nordamerikanischen Truppen gefangen genommen wurden. Um dieselben nicht sofort nach Friedensschluss in ihre Heimatgründe, wo noch eine tiefe Gärung herrscht, zurückkehren zu lassen, gestattete man Buffalo Bill, dieselben mit nach Europa zu seinen Schaustellungen zu nehmen.“
„Wir haben hier nicht reiche Leute genug“
Eine kritische Anmerkung gibt es auch in der „Dortmunder Zeitung“: Die Eintrittsgelder seien zu hoch. „Wir haben hier nicht reiche Leute genug, welche in der Lage oder gewillt sind, 4 Mark für einen Platz zu bezahlen. Auch das Eintrittsgeld für den untersten Platz mit 1 Mark für die große Masse der Bevölkerung ist zu hoch. Den Betrag von 50 Pfennig hätte am Ende ein jeder daran gewagt, namentlich wenn diese auch für ein Kind gezahlt werden soll, rechnet man schon“, heißt es rückblickend in einem Artikel vom 19. Mai.
Immerhin gibt es auch außerhalb der Wildwest-Shows Gelegenheit die exotischen Gäste zu bewundern – wie schon bei der Anreise durch die Nordstadt. Die Tageszeitung „Tremonia“ berichtete am 15. Mai 1891 von einem aufsehenerregenden „Bier-Ausflug“ einiger Indianer nach der Abendvorstellung. „In ihrem bunten Geflitter mit ihren seltsam bemalten Gesichtern zogen sie die Münsterstraße herauf, bald zur Rechten, bald zur Linken einkehrend un sich an einem Gläschen echten Dortmunder gütlich thuend. Dass viel Volk hinterherzog, ist selbstverständlich.“
Buffalo Bill wiederum soll große Begeisterung für die Dortmunder Pferdebahn gezeigt haben. Die Direktion der Dortmunder Straßenbahn lud ihn und seine engsten Mitarbeiter am Vormittag des letzten Gastspieltages zu einer Rundfahrt durch Dortmund ein. Trotzdem blieb der Auftritt im Mai 1891 das einzige Dortmund-Gastspiel der Buffalo-Bill-Gesellschaft. Bei einer weiteren Europa-Reise 1906 stand Dortmund nicht mehr auf dem Tourneeplan.
Oliver Volmerich, Jahrgang 1966, Ur-Dortmunder, Bergmannssohn, Diplom-Journalist, Buchautor und seit 1994 Redakteur in der Stadtredaktion Dortmund der Ruhr Nachrichten. Hier kümmert er sich vor allem um Kommunalpolitik, Stadtplanung, Stadtgeschichte und vieles andere, was die Stadt bewegt.
