Theater im Land der Drogen
Theaterstück „Drugland“ im Theater im Depot
Das Theaterstück „Drugland“ wird Ende Mai im Theater im Depot aufgeführt. Regisseur Stefan Herrmann thematisiert die offene Drogenszene im öffentlichen Raum, Schauplatz des Stücks ist der Kölner Neumarkt. Im Ensemble spielen drogenabhängige Laienschauspieler mit.

Die Bühnenadaption der Inszenierung Drugland kommt ins Dortmunder Depot. © Meyer Originals
Das Theaterstück „Drugland“ von Regisseur Stefan Herrmann stellt die Frage, wie Drogenabhängige, Anwohner und Geschäftsinhaber in einem Viertel zusammenleben. Schauplatz des Projektes, das ursprünglich im öffentlichen Raum aufgeführt wurde, ist der Kölner Neumarkt. Das Ensemble besteht aus zwölf Drogenabhängigen und vier Profischauspielern. Am 23. Mai ist die Bühnenadaption von „Drugland“ im Theater im Depot zu sehen. Im Interview mit RN-Autorin Rebekka Wölky erzählt der Regisseur Stefan Herrmann von der Herausforderung, eigene Vorurteile abzubauen.
Warum ist ein Stück, das die Drogenprobleme am Kölner Neumarkt thematisiert, auch in Dortmund interessant?
Ich denke, der Neumarkt in Köln steht für einen Ort, den es so oder so ähnlich in jeder größeren deutschen Stadt relativ innenstadtnah gibt. Es ist ein Ort, an dem sich Drogenabhängige aufhalten. In jeder Stadt gibt es Anwohner und Geschäftsinhaber, die das nicht möchten. Der Konflikt der offenen Drogenszene im öffentlichen Raum ist also auch auf andere Städte übertragbar.
Genau dieser Konflikt steht im Mittelpunkt Ihres Stücks. Wie widmen Sie sich diesem ernsten Thema künstlerisch?
Gerade bei solchen ernsten gesellschaftspolitischen Themen bieten Kunst und insbesondere das Theater eine Möglichkeit, neue Perspektiven zu eröffnen. Häufig wird versucht, sie in politischen Gremien zu lösen. Der künstlerische Rahmen, ob klassisch im Theater oder im öffentlichen Raum, ermöglicht einen anderen Blickwinkel. In unserem Fall übersetzen wir die schwierigen persönlichen Biografien der Drogenabhängigen in Tanz, Sound- und Videoeinstellungen und chorische Elemente.
War es auch Ihr Ziel, den Ursprung der Konflikte am Neumarkt zu ergründen?
Den Ursprung des Konfliktes ergründen zu können, will ich mir nicht anmaßen. Im Laufe des Projekts habe ich gesehen, wie kompliziert er ist, wie viele Perspektiven es auf die Problematik gibt. Die der Polizei, die der Drogenhilfe, die der Anwohner und Geschäftsinhaber. Und bei diesem Projekt ganz zentral auch die Perspektive der Abhängigen selbst.

Ursprunglich wurde das Stück als Street-Perfomance im öffentlichen Raum rund um den Kölner Neumarkt aufgeführt. © Meyer Originals
Sehen Sie Möglichkeiten, diesen Konflikt zu lösen?
Ein wichtiger erster Schritt wäre es sicherlich, wenn man die betroffenen Parteien in Kontakt miteinander bringen könnte, damit sie ein gewisses Verständnis für einander entwickeln und respektvoll miteinander sprechen.
Die Inszenierung wird zum Großteil aus biografischen Texten und Szenen der mitwirkenden „Experten des Alltags“ bestehen: Substituierende, Ex-Junkies, Sozialarbeiter, Ordnungshüter, Anwohner. Haben Sie mit all diesen Menschen vorab Interviews geführt?
Ja. In unserem Ensemble gibt es zwölf Abhängige, mit denen wir lange und intensive Einzelgespräche geführt haben. Die haben wir aufgenommen und verschriftlicht. So haben wir es auch mit Polizisten, Politikern, Streetworkern, Geschäftsinhabern und der Bürgerinitiative „Zukunft Neumarkt“ gemacht. Am Ende hatten wir wahnsinnig viel Textmaterial, aus dem wir dann Szenen gebaut haben. Es sind Monologe, die die Drogenabhängigen selbst allein vortragen, aber auch dialogische Szenen entstanden.
Was hat Sie bei diesen persönlichen Gesprächen berührt oder verwundert?
Alle Parteien waren sehr schnell bereit, uns Auskunft zu geben, besonders die Drogenabhängigen Ensemblemitglieder. Sie sind froh, dass ihnen jemand zuhört und an ihren Schicksalen interessiert ist. Alle haben starke Erfahrungen mit Verachtung gemacht, wurden als Abschaum und Bodensatz der Gesellschaft bezeichnet und auch entsprechend behandelt.
In den Gesprächen haben wir sehr persönliche und berührende Erzählungen gehört. Man entwickelt viel Empathie und Verständnis und baut eigene Vorurteile ab.
Haben Sie alle verschiedenen Perspektiven berücksichtigen und ihnen auch gerecht werden können?
Ja, ich denke schon. Die Drogenabhängigen rücken zwar durch ihre große Anzahl im Ensemble in den Mittelpunkt, aber trotzdem kommt auch jede andere Perspektive im Stück vor. Ich wollte niemanden vorführen oder in eine Ecke stellen. Das ist es auch, was ich am Theater besonders liebe: Wenn man nicht nur Schwarz und Weiß, die Guten und die Bösen, sieht, sondern viele Positionen und Meinungen dazwischen.
Wie hat die Zusammenarbeit mit einem Ensemble aus Schauspielern, Tänzern und Laien als „Experten des Alltags“ funktioniert?
Bei der Zusammenarbeit mit Drogenabhängigen gab es neue Herausforderungen, obwohl ich schon früher Projekte mit Laien durchgeführt habe. Zu Beginn des Projekts hatte auch ich Vorurteile, habe mich gefragt in welchem Zustand sie kommen, ob sie überhaupt kommen.
Unser Ensemble besteht aus insgesamt 18 Darstellern: Vier Profischauspieler, ein Profitänzer, zwölf Drogenabhängige und eine Straßenmusikerin. Ich war insgesamt positiv überrascht, hatte mit mehr Problemen gerechnet, als tatsächlich aufgetreten sind.
Bedenken hatte ich auch, weil ich anfangs nicht einschätzen konnte, wie konzentriert die Abhängigen sein würden. Viele haben von vornherein gesagt, dass sie den Text nicht lernen können. Wir kamen irgendwann darauf, ihnen einfach Zettel mit Stichworten in die Hand zu drücken. Das hat dann gut funktioniert.

Das Ensemble besteht aus 18 Darstellern: Vier Profischauspieler, ein Profitänzer, zwölf Drogenabhängige und eine Straßenmusikerin. © Meyer Originals
Ursprünglich wurde das Stück am Neumarkt aufgeführt und war eine immersive Stadtraum-Performance. Was heißt das genau?
Das Stück startet im Gesundheitsamt am Neumarkt, wo die Zuschauer in drei Gruppen eingeteilt werden. Von dort wandern sie zu verschiedenen Orten am Neumarkt. An den Orten selbst und auf dem Weg dorthin, unter anderen in der U-Bahn und im Haus der Architektur, finden Szenen statt.
Jede Zuschauergruppe sieht alle Szenen. Am Ende gibt es noch einmal Einzelgeschichten von sieben Ensemblemitgliedern, von denen jeder Zuschauer zwei sieht.
Was unterscheidet die Aufführungen im öffentlichen Raum von der in Dortmund im Depot?
Die Adaption für die Bühne ist nicht ganz einfach. Kurz vor der Premiere am Neumarkt haben wir uns aber auf der Probebühne die Szenen gegenseitig vorgespielt. Dabei ist eine ganz andere Intimität entstanden, als im öffentlichen Raum. Eine eins zu eins Übertragung des Stückes wird nicht funktionieren. Aber die Bühnenfassung bekommt durch die große Nähe eine andere Qualität.
Was erwartet die Zuschauer in Dortmund im Depot?
Sie werden die Drogenabhängigen in einem komplett neuen Licht sehen. Es geht nicht nur um Leidensgeschichten und harte Biografien. Wir zeigen auch, wie viel Humor diese Menschen haben, wie sie mit ihren Schicksalen umgehen und zu was sie fähig sind. Außerdem wird die Komplexität der Drogenproblematik deutlich. Auf künstlerische und nicht nur sachlich-trockene Weise.