Mehr Personal für die Bundespolizei in Dortmund

Bundespolizei beklagt gefährliche Einsätze an Bahnhöfen

Nach massiver Kritik der Polizeigewerkschaften an den Personalkonzepten kann die Bundespolizei-Inspektion Dortmund bereits 2018 mit mehr Personal für die Ruhrgebiets-Bahnhöfe rechnen. Das führt zu logistischen Problemen. Aktuell stehen Einsatzkräfte vor einer neuen Dimension der Gewalt.

Dortmund

, 06.06.2018 / Lesedauer: 5 min

Bundespolizei-Einsatz im Dortmunder Hauptbahnhof. Immer öfter greifen Straftäter zu Waffen. © Peter Bandermann

Zuletzt im August 2017 schlugen die Kreisgruppe Westfalen/Ruhr der Gewerkschaft der Polizei (GdP) und die Deutsche Polizeigewerkschaft Alarm: Die Ruhrgebiets-Wachen der Bundespolizei mit Brennpunkt-Bahnhöfen wie in Dortmund und Essen seien unterbesetzt.

Die Gewerkschafter Jürgen Lipke und Hauke Reetz wollten nicht länger stillhalten. Die Sprecher der konkurrierenden Gewerkschaften sprachen mit einer Stimme und ließen die Öffentlichkeit wissen, dass die personellen „Abordnungen“ aus der Bundespolizeiinspektion Dortmund zu den internationalen Flughäfen Düsseldorf, Frankfurt und München sowie an die deutsch-österreichische Grenze im Ruhrgebiet große Sicherheitslücken aufreißen würden.

Die Bundespolizei in Potsdam und Sankt Augustin hörte das nicht gern und beschwichtigte: Alles werde gut. Eine große Anzahl fertig ausgebildeter Polizeischüler werde in absehbarer Zeit die Reviere verstärken.

Tatsächlich soll es Fortschritte geben. Und zwar auf den Bahnhöfen Dortmund, Bochum, Hagen, Gelsenkirchen, Essen und Recklinghausen sowie dem Flughafen Dortmund. Heute müssen Einsatzkräfte für Kontrollen auf dem Airport quer durchs Ruhrgebiet reisen und ihre Wachen verlassen. Auch das steht auf dem Prüfstand.

Polizeischüler verstärken Dienstgruppen

2018 soll es soweit sein. Bereits jetzt sind 30 Polizeimeister-Anwärter in den Dienstgruppen im Einsatz. Sie seien zwar nicht so intensiv einsetzbar wie erfahrene Kräfte, aber am Ende ihrer Ausbildung dennoch eine wichtige Unterstützung. Fertig ausgebildete Kräfte sollen in den nächsten Monaten die Bahnhöfe, Züge und Strecken - für die Bürger deutlich sichtbar - sichern. Im Einsatz sind auf Bahnhöfen und in Zügen auch wieder mobile Kontroll- und Überwachungseinheiten der Bundespolizei.

Für das Jahr 2019 rechnet Inspektionsleiter Oliver Humpert mit noch mehr Personal - so viel Personal, dass die Wache am Dortmunder Hauptbahnhof und die Büros für den Innendienst im Dreier-Hochhaus in Dortmund-Körne zu klein sein werden.

Für deutlich mehr Personal ist auch der Fuhrpark viel zu klein. Die Bundespolizei muss also massiv investieren. In Immobilien und Material. Die Vorbereitungen für den Ausbau der Logistik laufen. Oliver Humpert: „Wenn wir genau wissen, wie viel Personal wir einsetzen, müssen wir die Infrastruktur anpassen. Was wir jetzt haben, wird definitiv nicht reichen.“

Neue Videoanlage im Hauptbahnhof

Die Bundespolizei nutzt am Dortmunder Hauptbahnhof eine neue Videoanlage, die Bilder in HD-Qualität liefert. Die Polizisten können jetzt wesentlich besseres Bildmaterial der Deutschen Bahn nutzen, das Geschehen im Bahnhof live verfolgen und für schnelle Fahndungen auch herangezoomte Fotos in guter Qualität ausdrucken.

Bundespolizei zu schlecht besetzt

Das Personalproblem bei der Dortmunder Bundespolizei-Inspektion ist ein altes Thema. Schon seit Jahren gibt es eine Diskussion über veraltete Zahlen aus den Anfangszeiten der Inspektionsgrenzen bundesweit. Auf dem Papier existierende Zahlen reichten nicht, weil Stellen unbesetzt sind und Dortmunder Kräfte für langfristige Einsätze im gesamten Bundesgebiet und für die Arbeit in den Ausbildungszentren abgezogen worden sind.

„Jetzt hat sich die Lage stabilisiert“, berichtet Polizeidirektor Oliver Humpert. Die „Abordnungen“ an die Grenzen in Bayern seien deutlich zurückgefahren worden. „Unser Personal ist wieder vor Ort. Die Bundespolizei stellt erheblich mehr Personal ein. Wir werden verstärkt“.

Das Mega-Revier Ruhrgebiet und Sauerland

Laut Plan soll die Bundespolizei-Inspektion Dortmund für ihr Mega-Revier Sauerland und Ruhrgebiet über 320 Stellen verfügen. Aktuell liegt sie 20 Prozent unter dem Soll. Die Gewerkschaften fordern eine Verdoppelung der Zahlen. „Sachgerecht besetzt sind wir immer noch nicht“, stellen die Gewerkschafter Jürgen Lipke und Hauke Reetz fest.

Die genaue Zahl, die Oliver Humpert für das Jahr 2019 erwartet, steht noch nicht fest. „Aber sie liegt sehr deutlich über den jetzigen Zahlen.“ Mit der Folge, dass die Bundespolizei für die Bürger sichtbarer werde. Oliver Humpert: „Wir werden in den Bahnhöfen sein und wollen rein in die Züge.“

Polizeioberrat Sven Srol über das neue Konzept: „Wir wollen nicht mehr nur reaktiv arbeiten, sondern aktiv werden, bevor Straftaten begangen werden.“ Eine starke Präsenz in den Zügen im Einsatz gegen Taschendiebe und Gewalttäter solle die Sicherheit für Reisende deutlich erhöhen.

Der Stellenwert des Ruhrgebiets

Hauke Reetz und Jürgen Lipke von den beiden Polizei-Gewerkschaften sagen, dass die Bundespolizei auf einem „guten Weg“ sei, aber wichtige Fragen warteten noch auf eine Antwort. Eine dieser wichtigen Fragen laute: „Welchen Stellenwert hat das Ruhrgebiet?“ Faktisch sei es vergleichbar mit den Ballungsräumen Hamburg, München und Berlin - „und genau in diesen Ballungszentren müssen wir das Personal haben“, sagt Jürgen Lipke.

So positiv die aktuellen Prognosen auch sind: für ihn ist die Diskussion nicht beendet. Zumal die Streifenteams der Bundespolizei an den Bahnhöfen und in den Zügen vor Gewaltproblemen einer neuen Dimension stehen würden - es geht um Waffen und Einsätze gegen große aggressive Personengruppen.

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„Inzwischen ist es in bestimmten Milieus völlig normal, dass die Täter mit Messern bewaffnet sind und diese auch einsetzen“, berichtet Sven Srol aus dem Alltag. Ein Streit unter Trinkern können ebenso schnell außer Kontrolle geraten wie ein Junggesellenabschied oder die Identitätsfeststellung eines Asylbewerbers.

Der Polizeioberrat: „Wir hatten in den vergangenen drei Jahren mehrere Fälle, in denen wir die Schusswaffe ziehen und den Einsatz der Schusswaffe androhen mussten.“ Der Einsatz der Schusswaffe in der Enge des Bahnhofs und in den Zügen ist immer mit einem hohen Risiko auch für Dritte verbunden.

Angreifer sind bewaffnet

Unter dem Einfluss von Drogen oder Alkohol stehende Angreifer seien kaum noch ansprechbar. Sie würden schon in einem sehr frühen Stadium einer Auseinandersetzung zur Waffe greifen. Bundespolizeisprecher Volker Stall: „Wir haben bereits auf dieses Phänomen reagiert und Trainingskonzepte erarbeitet, um auf engstem Raum auch in Zügen reagieren zu können.“

Für diese Einsatztrainings nutzt die Bundespolizei Dortmunder Sporthallen. Auf „engstem Raum“ bedeutet bereits eine Distanz von sechs Metern: Wenn ein Angreifer bei diesem Abstand mit einem Messer auf einen Polizisten losgehe, bestehe Lebensgefahr. Volker Stall: „Selbst das kleine Schweizer Offiziersmesser ist bereits eine lebensbedrohliche Waffe.“

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Angebote für Süchtige fehlen

Inspektionsleiter Oliver Humpert erkennt am Dortmunder Hauptbahnhof die Grenzen der Bundespolizei: „Wir kommen mit unseren Mitteln nicht mehr weiter. Die Zuständigkeit endet für uns Vordach des Bahnhofsgebäudes, sodass wir auf dem Bahnhofsvorplatz keine polizeilichen Maßnahmen treffen können.“ Er meint eine Alkohol- und Trinkerszene, die für viele Ladendiebstähle im Hauptbahnhof verantwortlich sei und interne Streitereien schnell auch mit Waffengewalt austragen würden.

Bei Straftaten kann die Bundespolizei mit einer „Eilzuständigkeit“ einschreiten. Sie kann aber nicht präventiv tätig werden. Oliver Humpert: „Für uns ist das eine andauernde Herausforderung, für die es andere Angebote geben muss.“ Denn das Strafrecht könne keine Alkohol- und Drogenprobleme lösen. Ähnlich sei die Lage bei obdachlosen Jugendlichen. Volker Stall: „Immer wieder greifen die Minderjährige auf, die im Bahnhofsbereich schlafen. Wir können sie immer nur in die Jugendschutzstellen fahren. Auch hier fehlen Angebote vor Ort.“