Erst eins, dann zwei, dann drei – seit wenigen Tagen sind nun drei der fünf Startblöcke am 25-Meter-Becken im Nordbad in Dortmund gesperrt: Gelbe Pylone, festgezurrt mit rot-weißem Absperrband, verhindern, dass jemand darauf steigt und ins Wasser springt.
Gleichzeitig 20 Kilometer entfernt in südwestlicher Richtung, jenseits der Stadtgrenze: Auf dem Gelände des Hallenfreibads Bochum-Linden schaufeln Bagger die Erde. Parallel dazu werden neue Fenster eingebaut. Die Generalmodernisierung läuft, ein neues Hallen- und Naturfreibad entsteht.
In Dortmund bröckelt der Beton. Unter dem Becken wird es nass – im Nordbad ebenso wie im Freibad Hardenberg in Deusen. Bochum aber baggert. Für das Hallenfreibad Linden etwa versprechen die Verantwortlichen: „Man wird es nicht wiedererkennen.“
Baukosten steigen extrem
113 Millionen Euro beträgt der Investitionsstau in den 18 Bädern, die es in Dortmund gibt – und diese Zahl stammt noch aus dem Jahr 2021. Dass man mittlerweile mit dem Zwei- oder Dreifachen rechnen muss, wurde ausgerechnet beim maroden Nordbad deutlich.
Egal ob man sich für einen Neubau entscheidet, wie es die Politiker mehrheitlich getan haben, oder ob man für eine Sanierung ist – in beiden Fällen gab es zuletzt eine Preissteigerung von rund 10 auf über 30 Millionen Euro.
Andererseits: Gestiegene Baukosten – das ist kein Problem, das Dortmund exklusiv hat. Wie also regeln andere Großstädte in NRW, dass ihre Frei- und Hallenbäder nicht immer weiter verfallen?
Alle Städte haben dasselbe Problem
„Die Städte im Ruhrgebiet haben im Prinzip alle dasselbe Problem“, sagt Claudia Heckmann. Sie ist ehrenamtliche Präsidentin des Schwimmverbandes NRW und zudem beruflich seit Jahrzehnten für den Betrieb von Bädern verantwortlich.
Von 2004 bis 2018 war Heckmann Geschäftsführerin der Dortmunder Sportwelt, die aktuell im Auftrag der Stadt vier Frei- und vier Hallenbäder betreibt. Seit 2018 ist Heckmann nun Geschäftsführerin der KölnBäder GmbH. Sie sagt: „Viel Wandel, viel Veränderung“ liege nicht nur hinter Dortmund, sondern auch hinter Essen, Bochum, Duisburg und weiteren Großstädten.

Ausgegliedert an die Stadtwerke
„Alle Kommunen sind deutlich verschuldet“, verdeutlicht Heckmann. Sprich: Geld für die Sanierung von mindestens einem Dutzend Frei- und Hallenbäder hat keine Stadtverwaltung. In Bochum reagierte man darauf aber so: „Hier ist 2018 eine GmbH gegründet worden, bei der die Holding für Versorgung im Hause der Stadtwerke liegt“, erklärt Marcus Müller. Er ist Geschäftsführer eben dieser „WasserWelten Bochum“.
Die ist rechtlich gesehen eine Schwester der Stadtwerke. Heißt: Geld, das die Stadtwerke einnehmen, hilft, die Bäder der „WasserWelten“ zu finanzieren. Ähnlich ist es bei Claudia Heckmann in Köln. „Auch bei uns wurde der Betrieb ausgegliedert an die Stadtwerke.“
Köln: Stadtwerke speisen Bäder
Bei den KölnBädern habe man von dieser Struktur „sehr stark profitiert. Hier werden die Bäder finanziell auch aus dem Konzern gespeist. Wir sind viel stärker betriebswirtschaftlich ausgerichtet.“
Schwimmbäder instand zu halten, ist teuer. Das Wasser muss beheizt werden, das ganze Gebäude auch. Wasser, Chlor, die ganze Feuchtigkeit – das beansprucht Rohre, auch die der Lüftungsanlage. Mischt man dem Wasser noch Salz bei, wie übrigens beim Nordbad in Dortmund, greift das die Anlagen zusätzlich an.
Mehr Nichtschwimmer unter Kindern
Andererseits sagt Claudia Heckmann, jetzt in der Rolle der Schwimmverbands-Vorsitzenden: „Das Schwimmenlernen ist eine gesellschaftliche Aufgabe.“ Laut DLRG hatten im Jahr 2017 noch 69 Prozent aller Grundschüler das Seepferdchen, 2023 waren es nur noch 54 Prozent – Tendenz weiter stark fallend.
Zudem: „Schwimmen gehört immer noch zu den beliebtesten Sportarten in Deutschland.“ Laut einer Erhebung des Deutschen Olympischen Sportbundes gab es 2024 deutschlandweit 588.000 in Vereinen organisierte Schwimmer. Macht Platz neun der Sportarten – nicht eingerechnet diejenigen, die ohne Vereinszugehörigkeit schwimmen, einfach für sich.

Politiker: Alle Bäder sollen bleiben
Auch für das Schulschwimmen müssen die Städte und Gemeinden Wasserflächen zur Verfügung stellen. Das regelt die Stundentafel für die Grund- und die weiterführenden Schulen. Eine weitere Sache, die in vielen Städten gleich ist – etwa in Bochum, Essen und Dortmund: Überall haben die Politiker Grundsatzbeschlüsse gefasst.
Der Inhalt: Alle Frei- und Hallenbäder sollen erhalten bleiben. Keins soll schließen.
Doch wie kann das klappen? Alle Hallen- und Freibäder gleichzeitig zu sanieren oder neu zu bauen – das funktioniert nicht. Erstens aus finanzieller Sicht, zweitens weil ja auch genügend Baufirmen parallel arbeiten müssen und die Bäder-Verwaltung das alles koordinieren müsste. Claudia Heckmann unterstreicht: „Man muss überlegen und priorisieren, bei welchem Bad fange ich an?“
Bochum: viele kleine Maßnahmen
Viele kleine Maßnahmen seien es, mit denen man die Bäderlandschaft in Bochum attraktiv halten wolle, sagt der dortige Geschäftsführer Müller. Ähnlich wie Claudia Heckmann kennt auch er die Bäderlandschaft weit über die eigene Stadt hinaus. Früher war er für Kamen, Bönen und Bergkamen zuständig, kennt also auch die Sicht der kleineren Städte.
Jetzt aber hat Müller die Zahlen für Bochum parat. 1,8 Millionen Euro für eine kleinere Maßnahme in Langendreer, rund 7,5 Millionen Euro vor der Neueröffnung des Freibads in Bochum-Werne, beim Bau in Linden werde man wohl 26 Millionen Euro benötigen. Und zuletzt sei man relativ gut hingekommen mit den veranschlagten Kosten.
„Wir haben eine relativ überschaubare Verwaltung“, unterstreicht Müller. Das sei ein Vorteil, weil man schneller Dinge umsetzen könne. Zumindest meistens: „Wenn Sie mal vier Bäder gleichzeitig planen, müssen Sie natürlich gucken, wie Sie es machen!“

Komplizierte Bäder-Struktur
Eine solch komplette Bäder-Struktur wie in Dortmund gebe es wohl nirgends sonst in NRW – da sind sich mehrere Bäder-Experten aus NRW einig. Sie alle wollen zwar ihren Namen nicht im Zusammenhang mit dieser Aussage lesen, weil sie Dortmund nicht so offensiv angreifen wollen.
Hinter vorgehaltener Hand aber heißt es: Dortmunds Probleme liegen auch an der Organisation. Die Stadt selbst ist zwar Eigentümerin aller 18 Bäder, betreibt aber mittlerweile nur noch zwei selbst: Nord- und Südbad.
18 Bäder. viele Betreiber
Um acht Bäder kümmert sich die Sportwelt – dieses Konstrukt aus DLRG, Schwimmvereinen und Stadtsportbund, das mittlerweile seit Jahrzehnten existiert, wenn auch mit wechselnden Gesellschaftern. Die Idee sorgte einst dafür, dass alle Bäder erhalten bleiben konnten – logisch: Wo Ehrenamtliche helfen und weniger Personal bezahlt werden muss, wird es günstiger.
In fünf Bädern kümmern sich Schwimmvereine um den Betrieb, bei den beiden Bädern in Wischlingen ist es der Revierpark. In allen Fällen zahlt die Stadt Betriebskostenzuschüsse, mit denen Personal wie alle kleineren Reparaturen bezahlt werden sollen. Bei größeren Schäden aber wird es komplizierter.
Die Stadtverwaltung schreibt für die Politik eine Vorlage: Sollen wir das so und für diese Kosten machen? Es folgt eine Ausschreibung. Derweil zieht einige Zeit ins Land.

Oder es wird noch trickreicher – so wie beim 18. der 18 Dortmunder Bäder in dieser Aufzählung: dem Freibad Stockheide. Das wurde auch mal von der Sportwelt betrieben, wechselte dann aber wieder direkt zurück zur Stadt. Die kümmerte sich um ordentlich Fördermittel der EU, damit das Freibad saniert werden konnte.
„Kurz vor der Schließung ist zu spät“
Bochum, Köln oder auch Düsseldorf, wo sich die Stadt-Tochter „Bädergesellschaft Düsseldorf“ um den Betrieb aller Bäder kümmert, gelten hingegen als Positiv-Beispiele.
„Wir wollen eine gewisse Steigerung der Attraktivität“, sagt der Bochumer Geschäftsführer Marcus Müller. „Wenn ein Bad in einem Zustand ist, dass es kurz vor der Schließung steht, ist das oft zu spät für eine Sanierung“, sagt die Kölner Geschäftsführerin Claudia Heckmann.
In Dortmund wird alle drei Monate erneut geschaut, ob die Stadt das Nordbad noch weiterbetreiben kann. Oder ob es für immer dichtmacht.
Nordbad soll nicht mehr saniert werden: Schwierige Suche nach Standort für einen Neubau