Wagners „Walküre“ fällt aus Bezirksregierung verbietet Oper in Dortmund an Karfreitag

Wagners „Walküre“: Bezirksregierung verbietet Oper in Dortmund
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Auf dem Spielplan des Dortmunder Theaters stand bis vor wenigen Tagen die Inszenierung eines Opern-Klassikers, der seit einigen Jahren viele Menschen nach Dortmund lockt. Richard Wagners „Walküre“ war für den 18. April, Karfreitag, im Opernhaus angesetzt, viele Karten waren bereits verkauft. „Bei Wagner haben wir ein Publikum, das national bis international anreist“, sagt Alexander Kalouti, Sprecher der Oper am Theater Dortmund.

„Stiller“ Feiertag

Doch die Aufführung wird nicht stattfinden. Der Hintergrund: Die Bezirksregierung Arnsberg hatte dem Theater deutlich gemacht, dass sie voraussichtlich keine Ausnahmegenehmigung für das Stück erteilen würde. Diese ist notwendig, weil an Karfreitag die gesetzlichen Regelungen für „stille Feiertage“ gelten.

„Die Vorgaben des Feiertagsgesetzes sind sehr streng“, sagt Christoph Söbbeler, Sprecher der Bezirksregierung Arnsberg. Unter anderem sind Tanzveranstaltungen, sportliche Veranstaltungen oder Märkte verboten. NRW hat bundesweit eine der strengsten Auslegungen der Ruhe-Regeln an den stillen Feiertagen Karfreitag, Allerheiligen, Volkstrauertag und Totensonntag.

Deshalb müssten alle geplanten Veranstaltungen beantragt und genehmigt werden. Die zuständige Fachabteilung für ordnungsrechtliche Themen treffe dann „Einzelfallentscheidungen“ mit Blick auf die Inhalte.

Tänzerinnen in einer Szene aus dem Ballettstück "Der Traum der roten Kammer" in Dortmund.
Das Stück „Der Traum der roten Kammer“ stand 2024 an Karfreitag auf dem Spielplan der Oper Dortmund. Dagegen gab es keine Einwände der Bezirksregierung. © Nils Foltynowicz

„Christentum und Totengedenken“

Für die „Walküre“-Inszenierung gab es offenbar solche inhaltlichen Bedenken. Opern-Sprecher Alexander Kalouti sagt über den Austausch mit der Bezirksregierung: „Es hieß, dass bestimmte religiöse Bedingungen wie der Verweis auf das Christentum und das Totengedenken erfüllt sein müssen. Das sehe man bei Walküre nicht.“

Die Oper von 1870 ist Teil von Richard Wagners vierteiligem Gesamtwerk „Der Ring des Nibelungen“. In der Handlung tauchen viele Symbole der germanischen Mythologie wie das göttliche Reich Walhalla auf. Es gibt verschiedene Kampfsequenzen sowie die Andeutung einer inzestuösen Liebe zwischen den Geschwistern Siegmund und Sieglinde. Richard Wagner (1813-1883) wird inzwischen wegen seines offenen Antisemitismus und der Nähe seiner Nachfahren zum NS-Regime auch kritisch betrachtet.

„Nicht groß thematisiert“

Formal ist es so: Das Theater hat das Stück für den 18. April vom Plan genommen und bereits gekaufte Tickets auf einen anderen Termin umgebucht. „Wir haben uns gefügt, aber mit Bedauern“, sagt Alexander Kalouti. „Aber die Position der Bezirksregierung ist schon erstaunlich, weil es in den vergangenen Jahren nicht groß thematisiert worden ist.“

2024 lief am stillen Feiertag im Opernhaus „Der Traum der roten Kammer“, eine Ballett-Inszenierung mit Wurzeln in der chinesischen Mythologie. In den beiden Jahren davor war es laut Kalouti das Wagner-Stück „Lohengrin“. Vor dem Corona-Lockdown spielte in Dortmund die Oper „West Side Story“, ein Stück, das inhaltlich weit entfernt von einer Darstellung des Christentums oder des Totengedenkens scheint.

Bochum sagt ebenfalls Stück ab

Am Montag ist bekannt geworden, dass auch am Schauspielhaus Bochum eine Inszenierung an Karfreitag auf Anweisung der Bezirksregierung abgesagt worden ist. Dort geht es um eine Theaterfassung des Romans „Meine geniale Freundin“ von Elena Ferrante.

Eine grundlegend neue Strategie steht laut Bezirksregierungssprecher Christoph Söbbeler nicht dahinter. Er verweist nochmals auf die Entscheidungen, die von Fall zu Fall getroffen würden. „Die zuständigen Kolleginnen und Kollegen beraten sich untereinander. Das macht sich keiner leicht“, sagt Söbbeler. An vergleichbare Fälle aus der jüngeren Vergangenheit könne er sich nicht erinnern.

Düsseldorf darf spielen

Für Unverständnis sorgt beim Theater Dortmund die Tatsache, dass Häuser in anderen Regierungsbezirken in NRW am Feiertag spielen dürfen. So läuft an der Düsseldorfer Oper etwa das Stück „Lady Mac Beth von Mzensk“ von Dmitri Schostakowitsch, das Gewalt- und Sex-Szenen enthält.

Hintergrund ist, dass jede der fünf Bezirksregierungen in NRW Spielraum bei der Auslegung des Feiertagsgesetzes hat. „Offenbar sieht man es überall ein wenig anders“, sagt Alexander Kalouti. Für die Zukunft ziehe das Theater den Schluss, „dass wir sehr sensibel damit umgehen müssen“.

Und sogar innerhalb eines Regierungsbezirks kann es unterschiedliche Interpretationen geben. So zeigt die Gruppe „Religionsfrei im Revier“ seit 2018 mit einer Ausnahmegenehmigung im Bahnhof Langendreer die filmische Religionssatire „Das Leben des Brian“ - auch in diesem Jahr. Inhaltlich widerspricht der Film allen Grundlagen des Feiertagsschutzes.

Möglich ist das, weil die Gruppe aus einer atheistischen Position heraus argumentiert, also dem Glauben an das „Nicht-Glauben“. Wenn ein - so der rechtliche Begriff - „dringendes Bedürfnis“ nach einem Treffen an diesem Feiertag glaubhaft gemacht werden kann, ist eine solche Ausnahme möglich. Ein Theater wie das in Dortmund kann so allerdings nicht argumentieren, weil es auch wirtschaftliche Interessen hat.

In einem Statement von „Religionsfrei im Revier“ zu den aktuellen Fällen heißt es: „Es ist ein Anachronismus, wenn im 21. Jahrhundert die Mehrheit der Bevölkerung bevormundet wird.“

Humanistischer Verband

Der Humanistische Verband Deutschlands, der seinen Sitz in Dortmund hat, spricht sich für eine liberale Auslegung des Feiertagsgesetzes aus und kritisiert die „staatliche Mission ohne Auftrag“.

Laut dem Vorsitzenden Thomas Küpfer sei es „weit humaner, in gegenseitigem Respekt und ohne Beeinträchtigungen gleichzeitig Veranstaltungen wie eine Feier oder eine Opernaufführung und die stille Trauer der Christen zu ermöglichen, statt an überkommenen Einstellungen festzuhalten, die an Zensur grenzen“.

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 7. April 2025.