
Die kleinen Kameras sollen Straftaten verhindern. Man erhofft sich, dass Angreifer nicht zuschlagen, wenn sie wissen, dass sie gefilmt werden. © dpa
Video: Bodycams der Polizei an oder aus? „Das macht natürlich keiner“
Mouhamed D.
11 Polizisten vor Ort, aber keine Bodycam angeschaltet. Über die Kameras wird schon lange diskutiert. Es gibt keine Nutzungspflicht, aber Regeln, wann man sie überhaupt nutzen darf.
Elf Polizeikräfte waren vor Ort, als Mouhamed D. erschossen wurde. Die Bodycams, die sie zur Verfügung hatten, waren ausgeschaltet. Im Live-Talk „Wir müssen reden“ unserer Redaktion entwickelte sich eine rege Diskussion über Sinn und Zweck dieser Kameras.
„Es gilt nicht der Strafverfolgung, sondern dem Schutz der Polizeibeamtinnen und -beamten“, stellte Torsten Seiler, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei in Dortmund, fest. Das ist im Polizeigesetz NRW geregelt, aber relativ allgemein gehalten.
„Die Polizei kann Bild- und Tonaufzeichnungen anfertigen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dies zum Schutz von Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten oder Dritten gegen eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist“, heißt es. Aber: „Die Aufzeichnung personenbezogener Daten, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, ist unzulässig.“
„Besonderes Gefühl der Schamverletzung“
Laut Innenministerium umfasse das beispielsweise sexuelle Handlungen oder Taten von hilflosen Personen, deren Aufnahme „ein besonderes Gefühl der Schamverletzung“ hervorrufen könne. Auch die Ankündigung eines Suizids, die Mouhamed D. geäußert haben soll, könne man hierzu zählen, so das Ministerium. Und: „Die Aufzeichnung des Geschehens nur zum Zwecke der Beweissicherung ist kein gesetzlich zulässiger Grund für das Einschalten der Bodycam.“
Polizei-Gewerkschafter Torsten Seiler meint jedoch: „Hier für diesen konkreten Fall würde ich sagen, hätten die Voraussetzungen vorgelegen.“
Die begrenzte Einsatzmöglichkeit hält Kriminologe Prof. Dr. Rafael Behr für einen „schlimmen Zustand, was die Transparenz, die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in die Polizei betrifft“. Es entstehe der Eindruck, die Polizei habe kein Interesse daran, zu dokumentieren, was sie selbst tut: „Und das entzieht ihr unheimlich viel Vertrauen in die Aufrichtigkeit und die Rechtmäßigkeit ihrer Handlungen.“
„Das macht natürlich keiner“
Er sagte bei der Online-Diskussion am Mittwochabend (17.8.): „Das ist doch absurd, von den Polizisten zu verlangen: ‚Jetzt werde ich angegriffen, jetzt mache ich die Kamera an.‘ Das macht natürlich keiner.“ Er finde es klüger, den gesamten Einsatz zu dokumentieren und die Kamera schon bei der Anfahrt anzuschalten. „Die anderen haben auch ein Recht, Angriffe von sich abzuwehren und das dokumentiert zu haben.“
Bislang sind Polizeikräfte in Nordrhein-Westfalen aber nicht verpflichtet, die Kameras überhaupt anzuschalten, erklärt Torsten Seiler. Im Gesetz steht eben, dass man sie nutzen „kann“ und nicht „muss“. Geschulte Beamte der Polizei Dortmund haben sie „mitzuführen“. Ob das bedeutet, dass sie am Körper getragen werden müssen oder im Auto liegen können, ist aber nicht eindeutig formuliert.
Bodycams werden mit Tasern gekoppelt
Die neue schwarz-grüne Landesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag jedoch eine Änderung in einem Teilbereich angekündigt. „Im polizeilichen Alltag werden wir – zur Steigerung der deeskalierenden Wirkung – die Anwendung des Distanzelektroimpulsgerätes mit der Aufnahme der Einsatzsituation durch eine mitgeführte Bodycam koppeln“, steht darin.
Jedes Mal wenn ein Elektro-Taser benutzt wird, soll also zukünftig die Kamera den Einsatz automatisch aufnehmen. Durch eine drahtlose Verbindung der beiden Geräte desselben Herstellers ist dies möglich.
Kevin Kindel, geboren 1991 in Dortmund, seit 2009 als Journalist tätig, hat in Bremen und in Schweden Journalistik und Kommunikation studiert.
