Noch ehe man einen Brief vom Amt oder einer Behörde geöffnet hat, beschleicht einen das Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben. Woran liegt das? Vielleicht daran, dass man schon ahnt: „Jetzt könnte es schwierig werden“. Und sich fragt: „Was wollen die jetzt von mir?“
Auch wenn Behördenbriefe nicht unfreundlich oder zumindest nicht so gemeint sind, sind sie doch oft lese-unfreundlich und schwer verständlich. Das wiederum ist schwer zu verstehen; denn eine Sprache, die Bürger und Bürgerinnen nicht begreifen, ist sinnlos, wenn die Botschaft Erfolg haben soll.
Die Redaktion hat einige solcher Verwaltungsschreiben aus Dortmund gesammelt und Bernd Weber gebeten, sie auf Verständlichkeit und Tonfall zu untersuchen. Der Dortmunder ist Kommunikationstrainer und gibt Seminare zu verständlichem Schreiben unter anderem fürs Bundeskanzleramt, für eine Reihe von Bundesministerien, für Rechnungshöfe und die Deutsche Bundesbank.
Post vom Ordnungsamt
Seine Analyse der Briefe von Ämtern und Stadttöchtern wie EDG, DEW und Sparkasse sowie vom Finanzamt bestätigt das Unbehagen, das die Schreiben zuweilen bei Bürgern und Bürgerinnen auslösen können. Doch nicht alle von Weber geprüften Schreiben wurden von ihm beanstandet. So hatte der Inhaber der Dortmunder „Medienagentur mct“ gegen einen Brief des Amtsgerichts mit einer Zeugenladung „nichts Wesentliches einzuwenden“.
Ein negatives Beispiel dagegen ist ein Brief vom Ordnungsamt. Es geht darum, dass ein ordnungswidrig geparktes und dann abgeschlepptes Auto vom Besitzer bisher nicht abgeholt wurde. Im Kern kündigt das Amt in dem Schreiben an, dass das Auto verwertet oder verschrottet wird, wenn der Besitzer es nicht innerhalb von sechs Wochen abholt.
Zugegeben, schon der Anlass des Schreibens ist für den Besitzer unangenehm. Doch statt gleich im Betreff und in den ersten Sätzen zur Sache zu kommen, arbeitet der Sachbearbeiter erst noch mal die gesamte Historie auf mit Formulierungen wie „Einleitung einer Abschleppmaßnahme“ oder einem unnötig hoheitlichen „Ich gebe Ihnen ebenfalls bis zu der gesetzten Frist Gelegenheit, sich zu der Angelegenheit zu äußern“. Bernd Weber sagt: „Besser wäre eine direkte Ansprache: ‚Sie können sich bis zum …. dazu äußern.‘“
„Unnötig harsch“
Im Bescheid der Stadtkasse zu den Grundbesitzabgaben sei die Zahlungsaufforderung „unnötig harsch“, merkt Weber an. . „Ich fordere Sie auf … die aufgeführten Beträge … zu entrichten“, heißt es da. „Ausreichend und freundlicher wäre: ,Bitte begleichen Sie diese Beträge‘“, erläutert der Fachmann.
Die Sparkasse Dortmund kündigt mit einem Schreiben ihren Kunden mit Wertpapierdepot an, dass sie die Informationen künftig ins elektronische Postfach bekommen und nichts unternehmen müssen. Der Brief beginnt jedoch mit dem Satz „aufgrund neuer gesetzlicher Vorgaben sind wir verpflichtet, . . .“
„Das ist aus der Perspektive der Sparkasse geschrieben, nicht aus der Kundenperspektive“, kritisiert der Kommunikationstrainer: „Eine ungeschickte Gliederung.“
Beim insgesamt freundlichen Schreiben des heimischen Energieversorgers DEW21 zu Preiserhöhungen findet Weber dennoch Kritikwürdiges. So heißt es neben klaren Formulierungen darin auch verbrämend formuliert „anpassen“ statt erhöhen und „Preisänderung“ statt Preiserhöhung.
Verwirrende Anweisungen
Geradezu „miserabel“ sei das Schreiben des Gesundheitsamtes von April 2022 zu den Quarantäne-Regelungen nach einem positiven Corona-Test, sagt Weber. Statt damit anzufangen, was der Adressat eigentlich tun solle, „wird über die ‚Übermittlung eines positiven Testergebnisses‘ gesprochen – ohne, dass auch nur annähernd klar wird, wer da eigentlich wem wessen Ergebnis übermittelt hat.“
Es folgten „verwirrende Anweisungen“ und eine Reihe von Begriffen, bei denen teilweise unklar sei, was sie genau bedeuten: Quarantäne, Isolierung, Selbstisolierung, häusliche Absonderung. Schwere Verständnishürden sind auch ungebräuchliche Begriffe wie Selbstmonitoring und Exposition, so Weber.
Sein Fazit: Häufig sind die Schreiben deutlich formaler als notwendig und mit gesteltzten Formulierungen. Oft sind sie im unpersönlichen Nominalstil verfasst, also mit Substantiven statt leichter verständlichen Verben. Weber: „Damit werden die eigentlichen Tätigkeiten verschleiert.“
Zentrale Botschaft am Anfang
Zudem hat Weber viele überlange Sätze gefunden, mit mehr als einem Gedanken pro Satz. Er kritisiert auch häufig die inhaltliche Gliederung: „Die zentrale Botschaft sollte am Anfang stehen.“ Besonders, wenn ein Amt Bedingungen aufzählt, sei auch eine optische Gliederung hilfreich, sagt der Experte.
Verwaltungssprache muss den Spagat schaffen zwischen rechtssicherer Fachsprache und Verständlichkeit für die Bürger. So fachbezogen wie nötig - so bürgernah wie möglich sollte die Devise für Briefe von Ämtern und Behörden lauten. Wenn Bürger mit Unmut auf unübersichtlich gestaltete und/oder schwer verständliche Amts- und Behördenschreiben reagieren, haben die Verwaltungen Nachholbedarf in Bürgernähe.
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