
Maria Celners Badezimmer wird saniert. Die Bewohnerin des zukünftigen Bergmannsgrün-Viertels muss auf einen Sanitär-Container ausweichen. © Natascha Jaschinski
Dortmunder Quartier wird umgebaut: Maria Celner (79) soll im Container duschen
Bergmannsgrün
Der viel diskutierte Umbau eines Viertels im Dortmunder Westen ist gestartet. Für einige Bewohner heißt das: Sie können Toilette und Dusche nicht nutzen. Die Alternative stellt manche vor Probleme.
Wenn Maria Celner zur Toilette muss, dann muss sie eine Jacke anziehen und – ganz wichtig – einen WC-Schlüssel einstecken: Denn sie muss ein Stockwerk runtersteigen, den kleinen Gehweg vor ihrem Haus bis zum Bürgersteig der Thielenstraße entlanglaufen, um dort einen knallgelben Container aufzuschließen. Hinter der Tür mit der Nummer drei liegt ihr momentanes Ausweich-Bad. Ein Raum mit zwei Zimmern: In dem einen ist eine Toilette untergebracht, in dem anderen eine Dusche und ein Waschbecken.

So sieht es in Maria Celners Ausweich-Bad aus: Rechts ist die Toilette, geradeaus die Dusche, die die 79-Jährige vor Probleme stellt. © Natascha Jaschinski
Maria Celner ist 79 Jahre alt, seit 17 Jahren wohnt sie in der Thielenstraße in Huckarde. Mitten in einer ehemaligen Eisenbahnersiedlung und damit mitten in einem Viertel, dem ein gigantisches Facelifting bevorsteht: Das Wohnungsunternehmen Vivawest wird seinen Bestand in insgesamt vier Straßen umbauen, mitunter wird auch neu gebaut. Entstehen soll das Quartier „Bergmannsgrün“. Ein im Vorfeld bereits hitzig debattiertes Zukunftsviertel mit modernen und energieeffizienten Wohnungen und einem attraktiven Umfeld. So sind eine Paketstation genauso geplant wie ein E-Bike-Verleih und ein Café. Angepeilte Bauzeit: fünf Jahre.
Arbeiten starten in der Thielenstraße
Die ersten Modernisierungsarbeiten sind laut Vivawest Anfang September in der Thielenstraße 33 bis 39 gestartet. Hier werden Bäder und Heizungsleitungen erneuert und Fenster ausgetauscht. Bei Maria Celner sind die Handwerker seit Montag (19.9.). Da sei ihr altes Bad raugerissen worden, erzählt sie. „Es ist alles weg.“ Die Fliesen, die Einrichtung, die Leitungen. Seitdem kann Celner weder in ihrer Wohnung zur Toilette gehen, noch sich waschen. Auch nicht in der Küche. Zurzeit gebe es gar kein Wasser. „Das ist abgestellt.“
Dafür hat die 79-Jährige nun den Schlüssel mit der Nummer drei. Insgesamt acht Not-Badezimmer hat die Vivawest in der Thielenstraße aufbauen lassen. „Externe Sanitäranlagen“ nennt das Unternehmen die Ausweich-Bäder. Nötig seien sie, weil die Wohnungen im bewohnten Zustand saniert werden und die Bäder während der Arbeiten „gar nicht bzw. nur eingeschränkt“ genutzt werden könnten. Dies ließe sich nicht vermeiden, heißt es bei Vivawest auf Anfrage. Und weiter: „Uns ist bewusst, dass dies für die betroffenen Mieter keine einfache Situation ist.“

Acht Badezimmer-Container hat das Wohnungsunternehmen Vivawest in der Thielenstraße aufgestellt. © Natascha Jaschinski
Renterin: Da dusche ich nicht mehr
Das kann Maria Celner bestätigen: „Die Container sind zwar schön gemacht“, sagt die Rentnerin. Trotzdem sei die Situation für sie „ganz schlimm“. Die Toilette nutze sie, aber nachdem sie ein Mal duschen war, stehe fest: „Das mache ich nicht noch mal.“ Sie sei nicht mehr so fit zu Fuß und ohne Haltegriff in der Dusche ginge es nicht. „Für Ältere sind die Container nichts.“
Ihr Nachbar Ulrich Keiluweit hat weniger Probleme mit der Nutzung: „Die Ausweich-Bäder sind zweckmäßig“, sagt er. Er und seine Frau kämen zurecht. Mit WC wie Dusche. Mit dem Spülen. Hierzu hole er mit Eimern Wasser aus dem Container und spüle dann in einer alten Babybadewanne. Eine andere Wahl, als sich zu arrangieren, habe er in seiner Situation eh nicht. Er stelle sich aber generell die Frage: „Muss man solche Sanierungen machen, während der Mieter in der Wohnung wohnt?“ So wäre ein vorübergehender Umzug in ein Hotel eine Alternative gewesen, schlägt er vor.

Ulrich Keiluweit hat Ausweich-Bad Nummer zwei. Er komme zurecht, sagt er. Fragt sich aber, ob es keine andere Möglichkeit gegeben hätte. © Natascha Jaschinski
Immerhin: Nachts muss er nicht im Dunkeln zum Container laufen. Genauso wenig wie seine Nachbarin Maria Celner. Beide haben von der Vivawest eine portable Toilette bekommen. „Da ist man mir gleich entgegengekommen“, sagt die Dortmunderin. Zum Glück: Denn nachts müsse sie oft raus.
Badezimmer auch nachts nicht nutzbar
Allerdings: Ursprünglich soll die Vivawest den Bewohnern angekündigt haben, dass die Container generell nur tagsüber genutzt werden müssten. Nachts sollten sie wieder in ihre Badezimmer können. Auch Pressesprecher Gregor Boldt äußert sich am Mittwoch (21.9.) so: „Ausschließlich“ wenn die Baufirmen in den Wohnungen arbeiten, müsse auf die Container ausgewichen werden. „Abends und nachts werden die Toiletten in den Wohnungen wieder angeschlossen und können von den Mietern genutzt werden.“
Dem ist aber nicht so, beteuern die Bewohner der Thielenstraße. Wie soll das auch funktionieren, fragt Ulrich Kaluweit, wenn neue Leitungen verlegt werden und zurzeit gar keine sanitären Anlagen in seinem Badezimmer vorhanden sind.
Zwei Wochen soll es insgesamt dauern, ehe die Badezimmer saniert sind, sagt der 64-Jährige. Die Handwerker vor Ort machten am Mittwoch aber Hoffnung, dass wenigstens das Wasser in der Küche Ende der Woche wieder fließen könne. Dann muss Ulrich Kaluweit zumindest keine Eimer mehr schleppen. Maria Celner wird noch etwas länger auf eine andere Dusche ausweichen müssen. Doch sie hat Glück: „Ich gehe zu meiner Tochter.“
Ein 100-Millionen-Euro-Projekt
- Die Sanierung der Bäder in der Thielenstraße ist nur der Beginn der Umbauarbeiten an den dortigen Häusern: Es werden auch noch Balkone erneuert und die Fassaden neu gedämmt. Abschließend werden die Häuser um eine Etage (zwei Wohnungen) aufgestockt. Dies soll bis Frühjahr 2023 geschehen. Bewohner sollen bereits die Ankündigung erhalten haben, dass die Mieten steigen werden.
- Für die Zeit der „konkreten Belastung“ durch die Modernisierung aber verzichtet Vivawest auf 100 Euro Miete pro Monat. Nach Abschluss der Bauarbeiten wird allen Quartiersbewohnern eine Monatsgrundmiete erlassen.
- Im Walkmühlenweg und im Brunshollweg werden Häuser mit insgesamt 144 Wohnungen abgerissen. Die ersten Arbeiten sollen im Dezember beginnen. 50 Prozent der Wohnungen sollen laut Vivawest bereite leergezogen sein.
- Vivawest investiert insgesamt 100 Millionen Euro in das Bergmannsgrün-Viertel.
Ist fürs Journalistik-Studium vor 20 Jahren nach Dortmund gezogen und hat danach jahrelang in der Nachrichtenredaktion gearbeitet. Lebt schon lange im Dortmunder Westen und freut sich, hier und in Castrop-Rauxel auch journalistisch unterwegs zu sein.
