
© Uwe von Schirp
Vivawest will Wohnquartier umfassend verändern: Mieter sind in Angst
Wohnungsbau
Ein Wohnquartier soll einen vollkommen neuen Charakter erhalten. „Bergmannsgrün“ heißt es. Das Wohnungsunternehmen Vivawest investiert 100 Millionen Euro. Viele Mieter aber sind in Sorge.
Vier Straßen, Mehrfamilienhäuser in Zeilenbauweise, eine Wohnsiedlung aus der Nachkriegszeit. Ein Quartier mit Geschichte. Jetzt soll es Vergangenheit und Zukunft miteinander verbinden: Wohnen in einem attraktiven Umfeld – modernisiert, energetisch, nachhaltig. „Bergmannsgrün“ soll das neue Modellquartier heißen.
100 Millionen Euro will der Wohnungskonzern Vivawest in den kommenden Jahren an den Straßen Walkmühlenweg, Thielenstraße, Brunshollweg und Pothmorgenweg im Huckarder Süden investieren. Dabei sollen insgesamt 408 „moderne, senioren- und familiengerechte sowie energieeffiziente Wohnungen entstehen“, erklärt Dr. Maurizio Lindemann. Er ist Fachbereichsleiter Zentrale Quartiersentwicklung bei Vivawest.
Für den Neubau von 235 Wohnungen, und das sorgt jetzt für Ängste bei vielen der teils langjährigen Mieter, müssen allerdings 27 Häuser mit 144 Wohnungen aus dem Bestand abgerissen werden. 122 Wohnungen bleiben erhalten. Die Häuser, in denen sie liegen, erhalten ein neues aufgestocktes Dachgeschoss mit insgesamt 51 weiteren Wohneinheiten.
Öffentlich geförderter Wohnraum
30 Prozent der Wohnungen werden öffentlich gefördert. „Derzeit gibt es in diesem Quartier keinen öffentlich geförderten Wohnraum“, betont Lindemann. Keine der derzeitigen Wohnungen sei zudem barrierefrei und damit seniorengerecht. Und: Die kleinen Zuschnitte von rund 60 Quadratmetern würden nicht mehr den Bedarf an Wohnraum für Familien erfüllen.

Viel Grün soll das Wohnumfeld der Neubauten bestimmen. Die Dächer werden begrünt und mit Photovoltaikanlagen ausgestattet. Die Planung folgt zudem modernen Anforderungen an die Mobilität. © Vivawest
„Bergmannsgrün“ soll das Quartier heißen. Der Name verbinde die Huckarder Tradition und eine grüne Zukunft. Vivawest „möchte damit demonstrieren, wie die Vereinbarkeit von Klimaschutz durch regenerative Energie- und Wärmeversorgung sowie neuem und bezahlbaren Wohnraum gelingen kann“, erklärt Uwe Eichner, Vorsitzender der Geschäftsführung, in einer Presseinformation.
In Anlehnung an das Motto der Internationalen Gartenausstellung (IGA) 2027 soll das Modellprojekt auch Antworten auf die Frage „Wie wollen wir morgen leben?“ geben. Das IGA-Areal liegt nur einen Steinwurf entfernt vom Emschertal an der Huckarder Straße. Menschen aller Generationen sollen hier künftig leben.

So soll das künftige Quartier im Emschertal von oben aussehen. © Vivawest
Deswegen plant das Gelsenkirchener Wohnungsunternehmen zudem ein Quartierszentrum mit 44 Mikroappartements für Studenten, rund 200 Parkplätzen und zahlreichen Zusatzleistungen wie beispielsweise Paketstation, E-Bike- und E-Scooterverleih, Carsharing oder Co-Working-Plätze. Hinzu kommen eine Kindertagesstätte und ein Quartierscasino als Begegnungsstätte.
Informationsschreiben für die Anwohner
In rund 400 Schreiben hat Vivawest die jetzigen Bewohner und die benachbarten Anwohner am Montag (24.1.) über das Vorhaben informiert. Viele der Mieter haben jetzt massive Sorgen, schrieb eine der Mieterinnen an die Redaktion mit dem Hinweis, dass Hunderte Mieter ausziehen müssten.

Eine Kita (im Bild) und ein Bürgercasino sollen das Quartier für Familien attraktiv machen. © Vivawest
Maurizio Lindemann versucht, die Mieter zu beruhigen. „Es ist niemandem gekündigt worden.“ Vielmehr sei das Infoschreiben nur der Auftakt zu einer Kommunikationsoffensive. „Wir werden mit jedem Bewohner die individuelle Herausforderung thematisieren.“
Klar sei auch, dass das Unternehmen Bewohnern der Häuser, die abgerissen werden, eine Ersatzwohnung in den dann schon aufgestockten Bestandsbauten anbieten will. Für andere denke man an eine Zwischenlösung mit einem vorübergehenden Umzug und der anschließenden Rückkehr in einen der Neubauten. „Zudem gibt es Bewohner, die ohnehin aus dem Quartier raus wollen“, sagt Lindemann.
Klar ist aber auch, dass Menschen ihre teils lange gewohnte Umgebung, gewachsene Nachbarschaftsstrukturen verlieren werden. Das sorgt nicht überall für Begeisterung. Und wie die Mietgestaltung nach Sanierung und Neubau aussehen wird, ist auch noch nicht kommuniziert. Viele Fragen und Ängste also, die sechs Teams von Vivawest in Einzelgesprächen jetzt beantworten sollen.
Geboren 1964. Dortmunder. Interessiert an Politik, Sport, Kultur, Lokalgeschichte. Nach Wanderjahren verwurzelt im Nordwesten. Schätzt die Menschen, ihre Geschichten und ihre klare Sprache. Erreichbar unter uwe.von-schirp@ruhrnachrichten.de.
