Oberstleutnant der Reserve Detlev Lachmann ist Leiter des Kreisverbindungskommandos Dortmund der Deutschen Bundeswehr.

© dpa/Lachmann

Bundeswehrsoldaten: Vom Einsatz in Dortmund geht es direkt nach Litauen

rnKrieg in der Ukraine

Dortmund bereitet sich darauf vor, Flüchtlinge aus der Ukraine aufzunehmen. Doch nicht allein beim Krisenstab der Stadtverwaltung denkt man voraus – auch beim Kreisverbindungskommando der Bundeswehr.

Dortmund

, 01.03.2022, 04:30 Uhr / Lesedauer: 3 min

Es trifft sich gut, dass die letzten 40 Bundeswehrsoldaten und -soldatinnen am Montag (28.2.) nach Dienstschluss im Dortmunder Gesundheitsamt ihre Sachen gepackt haben und in ihre Kaserne zum Versorgungsbataillon 7 in Unna zurückgekehrt sind. Ihr Auftrag, bei der Kontaktverfolgung von Corona-Infizierten zu helfen, ist am 1. März beendet.

Die Glückauf-Kaserne in Unna-Königsborn hat derweil wegen der Spannungen in Russland den Auftrag, eine Kompanie Soldaten nach Litauen zur multinationalen Nato-Einheit zu schicken. Das ist aber nicht der Grund dafür, dass die Soldaten ihren Einsatz in Dortmund beenden, obwohl die Unterstützungsanträge des Krisenstabs der Dortmunder Stadtverwaltung eigentlich noch bis zum 17. März laufen.

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„Die Soldaten und Soldatinnen werden für die Kontaktverfolgung und die Impfunterstützung von der Stadt nicht mehr gebraucht“, berichtet auf Anfrage der Leiter des Kreisverbindungskommandos Dortmund der Bundeswehr, Oberstleutnant Detlev Lachmann, „die Zahlen würden den Einsatz nicht mehr rechtfertigen.“

Bindeglied zwischen Militär und Zivilgesellschaft

Detlev Lachmann ist militärisch Pionier und hat Brücken, sogenannte Pontons, gebaut. Das macht der 63-Jährige heute noch gern, aber im übertragenen Sinn. Im Zivilberuf arbeitet der Beamte bei der Dortmunder Wirtschaftsförderung. Als Bundeswehr-Soldat ist er seit September bis Ende Juni 2023 als Leiter des Kreisverbindungskommandos Dortmund bestallt und damit Bindeglied zwischen Militär und Zivilgesellschaft.

Er sei so etwas wie ein Zwitter, sagt Lachmann. Aktuell sei er Soldat im Ehrenamt. Als Reservist könne er sich aber mit einem einfachen Anruf im Lagezentrum aktivieren lassen. „Dann bin ich im vollen Umfang Soldat.“

In seinem zivilen Beruf arbeitet Detlev Lachmann als Beamter bei der Dortmunder Wirtschaftsförderung im Bereich des Social Innovation Centers (CSR) und ist dort zuständig für die gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen und Nachhaltigkeit.

In seinem zivilen Beruf arbeitet Detlev Lachmann als Beamter bei der Dortmunder Wirtschaftsförderung im Bereich des Social Innovation Centers (CSR) und ist dort zuständig für die gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen und Nachhaltigkeit. © privat

Wenn der Vater von drei erwachsenen Kindern und Großvater von drei Enkelkindern die Berichterstattung aus der Ukraine verfolgt und die russischen Angriffe sowie das Leid der Flüchtlinge sieht, kommen schreckliche Erinnerungen zurück. Er selbst war im Bosnienkrieg im Einsatz. „Die kriegsversehrten Kinder, die ich damals gesehen habe, haben mich sehr mitgenommen. Jetzt kommt alles wieder hoch, was ich eigentlich vergessen wollte.“

Vorbereitet sein, wenn Flüchtlinge kommen

Doch Lachmann belässt es nicht dabei. „Wir denken voraus“, sagt der Stabsoffizier, „wir wollen vorbereitet sein, falls Flüchtlinge kommen. Da brauchen die Zivilen unsere Unterstützung.“

Oberbürgermeister Thomas Westphal hat angekündigt, dass Dortmund bereit sei, Flüchtlinge aus der Ukraine aufzunehmen. Noch gebe es allerdings keine Entscheidungen vom Bund und entsprechende Zuweisungen vom Land.

Daher hat auch das Kreisverbindungskommando noch keine Anforderung vom städtischen Krisenstab und noch keine Überprüfung, ob solch ein Einsatz vom Grundgesetz gedeckt wäre; denn „die Bundeswehr“, so Lachmann, „darf innerhalb Deutschlands nur eingesetzt werden, wenn alle Stricke gerissen sind.“

Nur wenn zivile Kräfte ausgeschöpft sind

Das heißt: Die Bundeswehr kann nur unterstützend und auf Antrag von Behörden in deren jeweiligem Aufgabenbereich helfen. Die Unterstützung erfolgt nach dem Subsidiaritätsprinzip: Bevor Streitkräfte unterstützen, sollen zivile Unterstützungsmöglichkeiten ausgeschöpft sein.

Ist das der Fall, verläuft die Meldekette folgendermaßen: Der Antrag des städtischen Krisenstabs geht an die Bezirksregierung, von dort an Landesministerien, dann an die Landeskommandos und schließlich an das Kommando für Territoriale Aufgaben in Berlin, das die Gesamtlage in Deutschland im Blick hat.

„Wenn der Auftrag das vorsieht, sind wir Reservisten stolz darauf, eines der Kreisverbindungskommandos zu sein, das voll besetzt ist“, sagt der Leiter. „Wenn die zivile Seite uns auffordert und wir nach dem Grundgesetz helfen dürfen, stehen wir sofort zur Verfügung, sieben Tage in der Woche, Tag und Nacht.“

Unterstützung ausländischer Streitkräfte

Die Kreisverbindungskommandos, wie das in Dortmund, beraten zu militärischen Aspekten; denn sie kennen die Fähigkeiten der Bundeswehr, sind ortskundig, mit zuständigen Ansprechstellen vernetzt und wissen um die territorialen Strukturen der Amtshilfe. „Ich habe ein Riesennetzwerk, kenne die Probleme vor Ort und bin stolz, dass ich für meine Heimatstadt Positives tun kann“, betont Lachmann.

Als Beispiel für eine zivil-militärische Zusammenarbeit nennt Lachmann den sogenannten Host Nation Support, die Unterstützung ausländischer Streitkräfte in Deutschland. Das geht beispielsweise von der Planung und Genehmigung von Durchfahrten über deutsche Straßen oder Gewässer bis hin zum Bereitstellen von Unterkünften oder Betankungsmöglichkeiten.

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So könnte zum Beispiel eine 40 Kilometer lange Marschkolonne der Amerikaner auf dem Weg von Holland zum Einsatz auf Natogebiet in Polen oder Litauen mit Zwischenstopp in Sennelager nicht einfach die Autobahn sperren, erläutert der Oberstleutnant der Reserve. „Das Kamener Kreuz freihalten müssten die zivilen Stellen.“ Das zu vermitteln, zu organisieren und mit personeller Unterstützung – auch bei der Unterbringung und der Versorgung mit Material – zu helfen, wären typische Aufgaben für die Kreisverbindungskommandos.

Drehscheibe in der Flüchtlingskrise

Schon bei der Flüchtlingskrise im Syrien-Krieg in den Jahren 2015/2016 war Dortmund bei der Verteilung der Flüchtlinge Drehscheibe. „Da hat unser Kreisverbindungskommando 44 Drehscheiben abgewickelt“, erinnert sich Lachmann. Als Anerkennung gab es eine Medaille von der Verteidigungsministerin.