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Dortmunder Olympia-Teilnehmer: Ihr Offizier entscheidet, ob sie zurück nach Moskau dürfen
Eiskunstlauf
Katharina Müller und Tim Dieck sind Deutschlands beste Eistänzer, waren gerade bei den Olympischen Spielen in Peking. Sie sind aber auch Sportsoldaten mit Lebensmittelpunkt Moskau. Und da wird es gerade schwierig.
Tim Dieck ist noch sichtlich geschockt. Gerade erst ist er mit seiner Eistanz-Partnerin aus China zurückgekehrt, und beide waren dabei, im Kreise ihrer Familien ihre vielen Eindrücke beim Olympia-Debüt zu verarbeiten, bevor es zurück in die russische Hauptstadt gehen sollte. Zurück nach Moskau, wo das Paar seit zwei Jahren in der Eistanz-Akademie der russischen Weltmeisterin Anjelika Krylova trainiert. Diese Reise-Pläne sind über Nacht geplatzt.
Große Sorgen um ukrainische Sportler
„Ich bin total geschockt. Nie im Leben hätte ich damit gerechnet, dass so etwas passiert“, sagt der Dortmunder mit bebender Stimme. Direkt nach dem Aufstehen am vergangenen Freitagmorgen hat der 25-Jährige Kontakt zum ukrainischen Eistanz-Paar Maksym Nikitin und Oleksandra Nazarova aufgenommen, die mit ihnen übers olympische Eis getanzt waren. „Sie haben mir erzählt, dass sie in ihrer Wohnung in Kiew das Fenster geöffnet und sofort Schüsse gehört haben. Ich mache mir große Sorgen und bin ich Gedanken bei ihnen“, sagt Tim Dieck.

Eigentlich würde sich das Dortmunder Eistanz-Paar gerade in Moskau auf die WM vorbereiten. © privat
Auch für das Dortmunder Paar hat die russische Aggression in der Ukraine direkte Folgen. Dieck und seine Partnerin Katharina Müller (26), die seit einigen Jahren als Sportsoldaten finanziell von der Bundeswehr unterstützt werden, wollten eigentlich bereits nach Moskau zurückgekehrt sein, um sich dort, im Mutterland des Eiskunstlaufs, auf die Weltmeisterschaft im März vorzubereiten. „Das haben wir zurückgestellt. Ich warte noch auf Rückmeldung unseres Führungsoffiziers“, erklärt Dieck.
Das Verteidigungsministerium berät noch
Auf Nachfrage erklärte das Verteidigungsministerium in Bonn durch Hauptfeldwebel Daniela Dürr: „Wie der Presse bereits zu entnehmen ist, werden im Zuge der gegenwärtigen Entwicklungen und Spannungen im Russland-Ukraine-Konflikt sportliche Aktivitäten (z.B. das Fußball Champions League Finale in St. Petersburg) verlegt oder abgesagt. Gleiches gilt für die Beteiligung von Sportsoldatinnen und Sportsoldaten der Bundeswehr. Entsprechende Reisen nach Russland werden derzeit überprüft.“
Für Tim Dieck, der inzwischen passabel russisch spricht, und seine Partnerin Katharina Müller, die in Sibirien geboren wurde und im Alter von drei Jahren nach Deutschland kam, eine äußerst ungewisse Situation - auch mit praktischem Hintergrund: „Wir haben in Moskau unsere Wohnungen, die wir monatlich von unseren Konten vor Ort bezahlen. Außerdem bezahlen wir natürlich unsere Trainerin und die Eiszeiten. Auslandsüberweisungen von Deutschland aus sind sehr, sehr teuer. Da müssen wir dringend klären“.
Fassungslosigkeit über Putins Krieg
Nach den intensiven olympischen Wochen in Peking hat sich das junge Paar gerade ein paar - überwiegend - Handy-freie Tage verordnet, um die vielen Eindrücke ihres Olympia-Debüts zu verarbeiten und neue Kraft zu schöpfen. Den Kontakt zu ihren ukrainischen Sportlerfreunden aber, den wollen sie nicht abreißen lassen. Und die Rückmeldung ihres Führungsoffiziers, auf die warten sie dringend. Der Dortmunder Sportsoldat schüttelt noch einmal den Kopf: „Damit hätte ich nie und nimmer gerechnet, dass Wladimir Putin so etwas macht“.
Die Liebe zum Sport im Großen wie im Kleinen und die Liebe zum Schreiben führten 1988 direkt in die Sportredaktion des Medienhauses Lensing. Persönliche journalistische Highlights: die Berichterstattung von den Olympischen Spielen 2000 in Sydney und 2008 in Peking. Immer noch mit Begeisterung am Ball.
