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Tierschützer schlagen Alarm: „Dann darf in Dortmund kein Tier mehr erkranken“
Notstand in Dortmund
Für Dortmunder Tierhalter gibt es ein Problem. Ein Notdienst fehlt völlig in der Stadt, man muss im Notfall weit fahren. Die Tierärztekammer weiß darum - und nennt mehrere Gründe für die Lücke.
Gabriele Bayer von der Tierschutzorganisation Arche90 erlebte in einer Nacht, wie sich das Fehlen eines tierärztlichen Notdienstes auswirkt: Um zwei Uhr morgens klingelte es an ihrer Haustür. Draußen stand eine Frau mit ihrem schwerverletzten Hund. Sie fand zu dieser Uhrzeit keinen Tierarzt.
Dabei war es dringend: Ihr Vierbeiner legte sich zuvor mit einem Artgenossen an und wurde offenbar so stark gebissen, dass an seinem Brustkorb eine offene Wunde klaffte.
Für Tierhalter in Dortmund kann es zu dramatischen Situationen kommen. Denn an Wochenenden, Feiertagen oder nachts fehlen in Dortmund tierärztliche Notdienste.
Alle Praxen schließen spätestens gegen 22 Uhr. „Dann darf in Dortmund kein Tier mehr verunfallen oder erkranken“, beklagt Bayer.
Tierhalter müssten in dringenden Fällen auf die Nachbarstädte wie Unna oder Bochum ausweichen. Manchmal sei der Weg zum nächstgelegenen Notfalltierarzt noch weiter, wie Bayer betont: „Im Klartext heißt es, dass man im Moment nach Essen, Duisburg oder Recklinghausen fahren muss.“

Gerade während der nächtlichen Entdeckungstouren lauern viele Verletzungsgefahren für Babykatzen: In Dortmund finden sie an dann nur schwer einen Notfalldienst © Joscha F. Westerkamp
„Da können wenige Minuten entscheidend sein“
Die Tierschutzorganisation Arche90 verweist auf die Folgen der langen Anfahrtswege, die durch einen fehlenden Notdienst entstehen: Demnach verstreiche während der Suche nach Praxen wertvolle Zeit.
Oft ende es für die Tiere tödlich: „Da können wenige Minuten entscheidend sein“, sagt Bayer.
Ohne ein Auto sei es zudem nicht für alle möglich, spontan die umliegenden Städte anzufahren. Hinzu kämen in solchen Fällen finanzielle Hürden, wie sie hinzufügt.
„Nicht alle können es sich leisten, mit einem Taxi nach Essen zu fahren.“ Arche90 wünscht sich daher eine flächendeckendes Angebot: „Wir würden uns freuen, wenn es in Dortmund einen Tierarzt gibt, der nachts erreichbar ist“, so Bayer.
Hinter dem Veterinär-Notstand stecken strukturelle Probleme. Dass es in der Dortmunder Veterinärmedizin zunehmend zu Engpässen im Notfalldienst kommt, bestätigt auf Nachfrage auch Harri Schmitt, Präsident der Tierärztekammer Westfalen-Lippe. „Die Klagen darüber mehren sich“, so Schmitt. Probleme bestehen vor allem im Kleintierbereich.
Tierärztekammer beklagt Fachkräftemangel
Die Gründe seien vielfältig; einerseits liege es laut Schmitt am Fachkräftemangel. Denn nicht alle ziehe es nach dem veterinärmedizinischen Staatsexamen in den Beruf. Zu gering fällt das Einkommen aus - gerade im nächtlichen Notdienst.
„Früher war es selbstverständlich, dass man als Tierarzt rund um die Uhr auf der Matte stehen musste“, erzählt Schmitt. Doch sieben Tage und 24 Stunden einen Notfalldienst bereitzuhalten, sei kaum zu stemmen: „Das kostet eine Menge und es kommt nicht viel an Geld herein.“
Doch anders als etwa in der Humanmedizin sei es nicht vom Gesetzgeber vorgeschrieben, wie Schmitt klarstellt: „Grundsätzlich ist es so, dass es keine Verpflichtung zum Notdienst gibt.“ Derzeit bestehe die Bestrebung, die Gesetzgebung zu ändern. Es sei jedoch noch offen, bis wann damit zu rechnen ist. Zudem solle eine zentrale Notfallnummer für Tierbesitzer eingerichtet werden.
Problematische Einstellung der Tierhalter
Die nächtliche Versorgungslücke liege auch an der Einstellung der Tierhalter. So erwähnt Gabriele Bayer: „Die Zahlungsmoral der Menschen ist auch nicht mehr die Höchste.“ Für den Notdienst fällt etwa eine Pauschalgebühr von 50 Euro an, Kosten für die Behandlung liegen zwischen hundert bis tausend Euro.
Harri Schmitt rät dazu, eine Krankenversicherung für das Tier abzuschließen. Damit seien die Kosten abgesichert. Tierbesitzer könnten in Praxen auch präventiv nach Kontaktdaten für Notfälle nachfragen. „Manche geben auch Privatnummern heraus“, so Schmitt.
So können Fälle wie mit dem Hund vermieden werden, von dem Gabriele Bayer erzählte: Denn der Vierbeiner verstarb schließlich an den Verletzungen.
Geboren und aufgewachsen in Essen zog es mich zunächst nach Bochum, wo ich Germanistik, Philosophie und Theaterwissenschaft studierte, bevor ich in Dortmund strandete. Als Kind des Ruhrgebiets schreibe ich nicht nur über die Kultur, sondern auch über die Menschen in der Region.
