Thyssenkrupp Steel in Dortmund Kritik an Geheimbesuch von Kaufinteressent aus Dubai

Thyssenkrupp Steel: Kritik an Geheimbesuch von Kaufinteressent aus Dubai
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Als Manager von Thyssenkrupp in Dortmund eine Delegation von Managern aus Dubai über das Gelände führen, sind Mitarbeiter des Stahlunternehmens irritiert. Hintergrund des Besuchs ist nach Informationen unserer Redaktion, dass der weltweit tätige Logistikkonzern DP World mit Sitz in Dubai sich für einen Kauf der Materialwirtschaft von Thyssenkrupp interessiert. Diese beschäftigt sich mit der Verwaltung und Steuerung der Materialbewegungen im Unternehmen.

Nach dem Besuch aus Dubai erreichten den neuen Betriebsratsvorsitzenden Moritz Engels Nachfragen zu dem Besuch aus Dubai. Engels fragt im Management nach, das ihm den Besuch der Delegation von DP World bestätigt. In der Materialwirtschaft sollen rund 30 Mitarbeiter von Thyssenkrupp Steel beschäftigt sein. Der Besuch fand nach Informationen unserer Redaktion am 16. Januar 2025 statt.

Es ist der erste Hinweis darauf, wie die geplante Auslagerung von 600 Stellen in Dortmund aussehen könnte. Ein Konzernsprecher will sich nicht dazu äußern, ob der Besuch von DP World aus Dubai stattgefunden hat und wie die Gespräche mit dem Unternehmen über einen Verkauf der Materialwirtschaft abgelaufen sind: „Bitte haben Sie Verständnis, dass wir uns nicht zu einzelnen Vorgängen und Gesprächen äußern können“, schreibt der Sprecher.

Thyssenkrupp Betriebsrat: „ein Affront“

Betriebsratschef Engels aus Dortmund kritisiert den Besuch von DP World: „Das ist ein Affront gegen den Betriebsrat“, sagte er. Eigentlich hätte der Besuch aus Dubai aus Sicht des Betriebsrats angekündigt werden müssen. Doch weder sei dieser angekündigt, noch sei der Betriebsrat überhaupt über die Gespräche informiert worden. „Wir haben dann eine Abteilungsversammlung einberufen, um die Verantwortlichen zur Rede zu stellen“, sagt Engels.

Dass die Belegschaft und der Betriebsrat nicht mit dem Besuch einverstanden sind, hat den Hintergrund, dass seit Monaten ein Stellenabbau bei Thyssenkrupp Steel geplant ist. Insgesamt 11.000 Stellen sind im gesamten Unternehmen betroffen, davon ausgelagert werden sollen 6000. Doch die Verhandlungen zwischen dem Vorstand der Stahlsparte und dem Betriebsrat haben noch gar nicht begonnen.

Die IG Metall und die Betriebsräte haben „rote Linien“ für sich und die Mitarbeiter definiert. Die beiden wichtigsten Punkte sind aus Sicht der Gewerkschaft, dass betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen und keine Werke geschlossen werden. Für den Mutterkonzern Thyssenkrupp ist wichtig, dass so viele Mitarbeiter wie möglich das Unternehmen verlassen und der Mutterkonzern so wenig Geld wie möglich der Stahl-Tochter mitgeben muss.

Stellenabbau bei Thyssenkrupp Steel

Derzeit versucht Thyssenkrupp Steel sich zu transformieren und unabhängig vom Mutterkonzern zu werden. Dafür wurde in Duisburg eine Direktreduktionsanlage gebaut, die mit grünem Wasserstoff Stahl produzieren soll. Dafür haben Bund und Land milliardenschwere Subventionen an den Stahlhersteller gegeben. Zudem hat sich der tschechische Milliardär Daniel Křetínský mit 20 Prozent bei Thyssenkrupp Steel beteiligt - mit der Option, das Unternehmen mehrheitlich zu übernehmen.

Ein Mitarbeiter bewegt Stahlcoils mit einem Kran in der neuen Feuerbeschichtungsanlage (FBA 10) auf dem Gelände der Thyssenkrupp-Westfalenhütte in Dortmund.
Ein Mitarbeiter bewegt Stahlcoils mit einem Kran in der neuen Feuerbeschichtungsanlage (FBA 10) auf dem Gelände der Thyssenkrupp-Westfalenhütte. Die Feuerbeschichtungsanlage ist erst 2022 in Betrieb genommen worden und gehört zu den modernsten Investitionen. © picture alliance/dpa

Im Zuge der Transformation plant der Mutterkonzern einen großen Stellenabbau, weil der Stahlhersteller seit Jahren hohe Verluste schreibt. Da in der Stahlindustrie jedoch traditionell eine große Mitbestimmung herrscht, müssen der Stahlvorstand, die Gewerkschaft IG Metall und die Betriebsräte miteinander über den Stellenabbau und eine sogenannte Mitgift verhandeln.

Thyssenkrupp-Betriebsrat: Gespräche verkompliziert

Der Besuch aus Dubai trifft bei vielen angeschlagenen Mitarbeitern einen Nerv, wie der Betriebsratsvorsitzende Engels schildert: „Der Vorstand hat mit dem unangekündigten Besuch gegen die Mitbestimmungsregeln verstoßen. Wir sind noch nicht in Gespräche mit dem Arbeitgeber eingestiegen. Das macht die Gespräche mit dem Vorstand nun deutlich komplizierter.“

Ein Sprecher von Thyssenkrupp Steel äußerte sich nicht konkret zu den Vorwürfen des Betriebsrates, teilte aber mit: „Im Rahmen der Neuaufstellung von Thyssenkrupp Steel schauen wir uns konzernweit alle Themen- und Geschäftsfelder an, um zu entscheiden, ob wir Tätigkeiten auslagern, verkaufen oder weiter selbst organisieren. Das tun wir auch am Standort Dortmund.“

Betriebsratschef Moritz Engels beim Protest der Stahlarbeiter in Dortmund im Sommer gegen den Kurs des Thyssenkrupp Mutterkonzerns.
Betriebsratschef Moritz Engels beim Protest der Stahlarbeiter in Dortmund im Sommer gegen den Kurs des Thyssenkrupp Mutterkonzerns. © Dennis Pesch

Das stößt auf Kritik vom Betriebsrat in Dortmund, der in der möglichen Auslagerung der Materialwirtschaft keinen betrieblichen Nutzen sieht. In Dortmund wird der Stahl aus Duisburg für die Autoindustrie weiterverarbeitet. Thyssenkrupp-Mitarbeiter beschreiben, dass die betrieblichen Abläufe am Standort in Dortmund, stark eingespielt sind.

Thyssenkrupp Steel muss Kosten sparen

Thyssenkrupp Steel will hingegen die Kosten mit der Auslagerung senken, in dem das Unternehmen dann die Dienstleistung von DP World in Anspruch nimmt und mit dem Verkauf an frisches Geld kommt. Ob sich dieses Modell aber auch langfristig für den Stahlstandort Dortmund rentiert, ist aus Sicht des Betriebsrats kein Automatismus.

Bei der Auslagerung der Materialwirtschaft fürchten die Stahlarbeiter etwa, dass die Abläufe durcheinandergeraten könnten. In der Materialwirtschaft arbeiten Experten, die wissen, welche Teile bei Ausfällen der stahlverarbeitenden Maschinen an welchen Stellen genau gebraucht werden. Dieser betriebliche Ablauf wirke sich direkt auf den Umsatz aus: Je länger eine Maschine nicht in Betrieb ist, desto mehr Geld gehe verloren.

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 10. März 2025.