Der privat betriebene Facebook-Account von Oberbürgermeister Thomas Westphal wirft Fragen auf. © Thiel
Social Media
Thomas Westphal und Facebook: Vermischt Dortmunds OB Amt und Privatperson?
Nutzt Dortmunds OB Westphal Steuermittel zur Selbstvermarktung? Seine Aktivitäten auf Facebook & Co sorgen bei manchen im Rat für Stirnrunzeln.
Thomas Westphal in der Anne-Frank-Gesamtschule und auf Spielplätzen – untermalt von Musik spricht Dortmunds Oberbürgermeister über Spiel- und Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche. Thomas Westphal spaziert durch die Innenstadt und besucht Einzelhändler. Thomas Westphal im Gespräch mit starken Frauen – alles Videos von Westphals sogenannter Sommertour 2021.
Diese Videos kann man auf der Homepage und der Facebook-Seite der Stadt Dortmund sehen. Und genauso auf dem privaten Facebook-Account von Thomas Westphal, der mit dem Untertitel versehen ist „Oberbürgermeister der Stadt Dortmund und stellv. Vorsitzender der Dortmunder SPD“.
Diese Vermengung von Amt und Privatperson wird von Teilen des Dortmunder Stadtrates kritisch gesehen. Für sie stellt sich die Frage: Was ist noch legitime Öffentlichkeitsarbeit eines Oberbürgermeisters, und was ist – mithilfe städtischer Ressourcen gestaltete – Selbstvermarktung zum eigenen Vorteil und dem der SPD?
Westphal: „Die Trennung ist sauber“
Auf Anfrage der Redaktion lässt Westphal den Vorwurf über das Presseamt zurückweisen, Amt und Privatperson zu verquicken: „Die Trennung zwischen städtischem und privatem Profil ist sauber.“
Doch selbst wenn es daran nichts zu beanstanden gäbe, ist es auch der Datenschutz, der den privaten Facebook-Account von Westphal rechtlich angreifbar macht – wie den der Stadt übrigens auch.
Dieses Problem hat Dortmund aber nicht allein. Für Städte und Gemeinden sind Facebook und andere soziale Medien in den vergangenen Jahren zu einer wichtigen Verbreitungsquelle geworden. Im Mix der Öffentlichkeitsarbeit nehmen sie an Bedeutung zu.
Städtische Video-Beiträge auf Facebook beworben
So hat OB Westphal seine sechsteilige sogenannte Sommertour über die Verwaltung medial aufbereiten und auf der städtischen Homepage und den städtischen Social-Media-Kanälen ausspielen lassen. Einige der Facebook-Sommertour-Beiträge wurden wie andere auch mit städtischem Geld – nach eigener Aussage insgesamt rund 1000 Euro – beworben. Westphal hat diese Beiträge auf seinem privaten Facebook-Profil verlinkt.
Bei der Sommertour habe es sich um Beiträge gehandelt, die sich inhaltlich mit Verwaltungsangelegenheiten der Stadt befassten, so die städtische Pressestelle. Der OB habe Gespräche mit Bürgern geführt. Zudem sei es um Projekte gegangen zu Klimaschutz, Bildung, Integration und Gleichstellung, bei denen die Stadt federführend und beteiligt sei.
Interessenkonflikte zwischen Amt und Privatperson gebe es nicht, so die Auskunft von Pressesprecher Frank Bußmann, das persönliche Facebook- sowie das Instagram-Profil (knapp 3000 Abonnenten) von Westphal würden vom OB privat betreut. Die Frage, ob und gegebenenfalls um wie viel er seit seiner Wahl mit dem Privataccount an Reichweite gewinnen konnte, blieb unbeantwortet.
Aussagen nicht mit Amtsautorität verknüpfen
Grundsätzlich ist festzuhalten: Auch Hauptverwaltungsbeamte haben das Recht auf Meinungsfreiheit und können sich privat auf eigenen Social-Media-Accounts äußern, stellt das zuständige NRW-Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung auf Anfrage fest. Ein Hinweis auf die Parteizugehörigkeit sei ebenfalls nicht zu beanstanden, da Hauptverwaltungsbeamte wie Oberbürgermeister in der Urwahl von den Bürgern gewählt worden seien und ihre Parteizugehörigkeit bekannt sei.
Trotzdem gibt es für Oberbürgermeister eine Einschränkung bei ihrer privaten Facebook-Seite: Wegen des besonderen Vertrauens, das man ihnen als Amtsträger entgegenbringe, hätten sie dafür Sorge zu tragen, „dass die Verwendung der Amtsbezeichnung ihre jeweiligen Aussagen nicht unzulässigerweise mit der durch das Amt verliehenen Amtsautorität verknüpft wird“, so das Ministerium.
Es geht wenig um Privates
Das Wort „Oberbürgermeister“ wiederum steht ausdrücklich unter Westphals privaten Profilen. Es ist also schwer zu sagen, inwieweit Westphals „private“ Äußerungen von Facebook-Usern nicht doch mit seiner Autorität als OB verknüpft werden. Zumal es bei den Profilen wenig um Privates geht, sondern mehr um seine Arbeit als Oberbürgermeister.
Außerdem ist Westphals Umgang mit Social Media mit dem Datenschutz rechtlich nicht in Einklang zu bringen. „Wir weisen öffentliche Stellen seit Jahren darauf hin, dass die Nutzung von Facebook-Fanpages problematisch ist“, sagt Nils Schröder, Vize-Sprecher der NRW-Landesdatenschutz-Beauftragten Bettina Gayk auf Anfrage.
Hintergrund ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs, das inzwischen auch in deutsches Recht gegossen ist. Danach ist der Betreiber einer sogenannten Fanpage, sprich eines eigenen Profils wie in diesem Fall Westphals, für die Verwendung personenbezogener Daten durch Facebook mitverantwortlich, da er durch den Betrieb seines Facebook-Accounts den Zugriff auf die Daten der Fanpage-Besucher durch Facebook ermöglicht.
„Öffentliche Stellen haben Vorbildfunktion“
Das Urteil betrifft zwar nur Behördenaccounts, doch von dieser gemeinsamen Verantwortung befreit wäre Westphal nur, erläutert Schröder, wenn er eine rein
persönliche Facebook-Seite für Familie und Freunde betreiben würde. Doch unter seinem Instagram-Account steht zum Beispiel ausdrücklich: „Hier geht es um Dortmund und die Dortmunder*innen!“
„Öffentliche Stellen haben eine Vorbildfunktion und sollten besonders daran interessiert sein, rechtmäßig zu handeln“, so Schröder.
Dortmunds Pressesprecher Bußmann sagt zu der Datenschutz-Problematik, die Stadt werde das „im Auge behalten“ und werde „umgehend informieren“, sollte die Landesdatenschutzbeauftragte den Kommunen zum Betrieb von Facebook-Fanpages „Anweisungen“ erteilen.
CDU fordert rechtskonforme Lösung
Für die CDU-Fraktion im Rat fordert ihr Vorsitzender Dr. Jendrik Suck, Westphal möge „unverzüglich Transparenz schaffen und eine rechtskonforme Lösung herstellen.“ Es sei dem OB unbenommen, Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben, so Suck, doch Westphal müsse „sicherstellen, dass es nicht zu Vermischungen in der Grauzone kommt“.
Eine Lösung könne sein, dass so ein Account nur „Oberbürgermeister der Stadt Dortmund“ heißt und an das Amt geknüpft sei, statt an die Person, schlägt Suck vor. Das Datenschutzproblem wäre damit aber auch nicht gelöst.
Die Grünen, so Fraktionssprecherin Ingrid Reuter, wollen bei dem Thema nachhaken und sich zunächst darüber informieren, wie die Social-Media-Strategie der Stadt überhaupt aussieht.
Linke+: Ein wenig Social-Media-Gedöns
Die Fraktionen von Linke+ und FDP-Bürgerliste sehen die Facebook-Aktivitäten von Westphal dagegen eher entspannt. Bislang habe sich jeder der SPD-Oberbürgermeister im Verlauf seiner Amtszeit „ein wirklich teures Denkmal gesetzt“, sagt Linke-Fraktionschef Utz Kowalewski. Günter Samtlebe mit dem Rathaus, Dr. Gerhard Langemeyer mit dem U-Turm und Ullrich Sierau mit dem Fußballmuseum. „Wenn uns bei Herrn Westphal eine ähnliche Selbstdarstellung erspart bliebe, dann wäre ein wenig Social-Media-Gedöns ohne Weiteres zu verschmerzen. Dabei muss er sich natürlich rechtlich auf sauberem Boden bewegen.“
Michael Kauch, Fraktionschef von FDP/Bürgerliste, sieht „zum jetzigen Zeitpunkt keinen Anhaltspunkt für rechtlich oder politisch fragwürdige Aktivitäten“. Es gebe in den öffentlich zugänglichen Beiträgen bei Facebook und Instagram keine Hinweise, dass mit städtischem Geld gezielt und aufwändig Beiträge für die privaten Profile erstellt worden wären. Kritisch würde es erst, wenn für die privaten Profile Posts direkt von städtischen Beschäftigten erstellt würden.
AfD: „Westphal-Dauerwerbesendung“
Heftige Kritik kommt von der AfD. Bei der Verlinkung von Westphals privaten Accounts mit der steuerfinanzierten Stadtseite handele es sich „um eine unangemessene Vorteilsnahme“. Westphal vermenge Amt und Privatperson „quasi als ,systemische Westphal-Dauerwerbesendung‘“.
Von der SPD kam auf Nachfrage bis zum Redaktionsschluss am Freitag (22.10., 19 Uhr) keine Stellungnahme.
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