Die Diskussionen über das Theater Fletch Bizzel reißen nicht ab. © Felix Guth
Fletch Bizzel
Theater-Streit eskaliert weiter - Dortmunder Künstler-Promis mittendrin
Der Kulturstreit um das Dortmunder Theater Fletch Bizzel nimmt ein immer größeres Ausmaß an. Prominente Dortmunder Künstler melden sich zu Wort. Es geht längst nicht mehr nur um Theater.
Es vergeht in der virtuellen Welt kaum ein Tag, an dem nicht ein neues Kapitel geschrieben wird in der Streitgeschichte um das Dortmunder Theater Fletch Bizzel. Sogar ein eigener Hashtag, ein kurzes Schlagwort, hat sich für die Debatte über die Kündigung der künstlerischen Leitung und mögliche Einflussnahme des Vermieters schon entwickelt.
Es lautet „bizzelgate“ in Anlehnung an größere Veröffentlichungen der jüngeren Geschichte.
Jüngste „Enthüllung“: Am 12. Juni hat die Dortmunder Schauspielerin Maja Beckmann, Schwester des gekündigten Theaterleiters Till Beckmann, erklärt, den ihr im Jahr 2010 verliehenen Tana-Schanzara-Preis zurückzugegeben. Sie hatte dafür viel Aufmerksamkeit in der Szene erhalten.
Das damals erhaltene Preisgeld will die zurzeit in Zürich tätige Künstlerin an soziale Einrichtungen in Dortmund spenden. Der Preis zu Ehren der Ruhrgebiets-Schauspielerin Tana Schanzara wird alle zwei Jahre vergeben. Aktuell beträgt das Preisgeld 3000 Euro.
Dortmunder Schauspielerin gibt Preis zurück
Zur Begründung sagt Maja Beckmann: „Ich möchte keinen Preis annehmen von einem Veranstalter - Horst Hanke-Lindemann - der seine Mitarbeitenden mit fadenscheinigen und diffamierenden Gründen fristlos kündigt.“
Es gehe ausdrücklich nicht um die familiäre Verbindung zu Till Beckmann. Sondern „ums große Ganze, um die Kunst und die Kunstschaffenden, die an diesem Haus wohl nicht stattfinden sollen und nicht stattfinden werden.“
Maja Beckmann weiter: „Tana Schanzara, die ich gut gekannt habe, war in allem das Gegenteil von dem, wie sich das Theater Fletch Bizzel in diesem Skandal öffentlich zeigt.“
Adolf Winkelmann und andere kritisieren die Vorgänge im Fletch Bizzel
Zuvor hatten sich bereits einige von Dortmunds prominentesten Künstlern in einem offenen Brief an Kulturdezernent Jörg Stüdemann zu Wort gemeldet. Adolf Winkelmann, Regisseur und Erschaffer der Fliegenden Bilder am U, und Günter Rückert, Maler und Geierabend-Mitentwickler, haben das Schreiben unterzeichnet, außerdem die Journalistin Sabine Brandi und die Texterin Birgit Rumpel.
Der Filmemacher Adolf Winkelmann zählt zu den bekanntesten zeitgenössischen Kunstschaffenden Dortmunds. Er kritisiert die Vorgänge an einem Theater in der Innenstadt. © dpa
„Als kulturinteressierte DortmunderInnen lassen uns diese Ereignisse nicht ungerührt. Angesichts der Bedeutung, die das Fletch für Dortmunds freie Theaterlandschaft hat – was sich auch an der Fördersumme von mehr als 320.000 Euro durch das Kulturbüro ablesen lässt – kann die Öffentlichkeit mehr Transparenz über diese Vorgänge erwarten“, schreiben die Autorinnen und Autoren.
Das sagt der Dortmunder Kulturdezernent zur Situation
Formuliert sind Fragen an den Kulturdezernenten, unter anderem diese: Warum war das Engagement von jungen Theatermachern gestoppt worden, noch bevor deren Arbeit richtig wahrgenommen werden konnte? Und: Stimmt es, dass der Vermieter sich in die künstlerische Ausrichtung des Theaters eingemischt hat?
Jörg Stüdemann reagiert gegenüber dieser Redaktion auf den Brief. Ohne dabei jedoch mit Blick auf das laufende Arbeitsgerichtsverfahren auf die konkreten Zusammenhänge, etwa zur Position des Vermieters, einzugehen.
Ein Kompromiss ließ sich nicht herstellen
„Es ist schade, dass es so eingetreten ist und es ist ein bisschen merkwürdig in der Form“, sagt der Kulturdezernent.
Er habe „in vielen Gesprächen mit Theatermenschen älterer und jüngerer Generation sowie mit den Briefschreibern“ versucht, auf einen Kompromiss einzuwirken.
Ein solcher sei angesichts der speziellen Konstellation nicht möglich gewesen. Stüdemann spricht von einer „fatalen Entwicklung.“ Er sieht in der Schärfe des Konflikts ein Anzeichen für eine „Brutalisierung“, wie er sie auch in anderen gesellschaftlichen Debatten beobachte.
Till Beckmann und Cindy Jänicke sind nach nur wenigen Monaten als künstlerische Leitung des Theaters Fletch Bizzel fristlos entlassen worden. © Marie Koehler
Der erste Verhandlungstermin vor dem Dortmunder Arbeitsgericht Anfang Juni endete ohne gütliche Einigung. Beobachter des Verfahrens, etwa der ehemalige Musikalische Leiter des Schauspiels Dortmund, Tommy Finke, haben den Verlauf des ersten Termins bei Facebook dokumentiert.
Demnach habe die Fletch-Bizzel-Seite damit argumentiert, dass Interna an Dritte weitergegeben worden sein sollen. Ferner soll ein digitaler Ordner mit Theater internen Dokumenten gelöscht worden sein. Es sei zudem um Corona-Hilfs-Ausfallgagen in Verträgen gegangen.
Künstler rufen zur öffentlichen Unterstützung vor dem Arbeitsgericht auf
Für die weiteren Prozesstage, der nächste ist am 24. Juni, ruft Finke unter dem Label „Qolective Claqueur“ zur öffentlichen Unterstützung von Till Beckmann und Cindy Jänicke vor dem Arbeitsgericht auf. Der Name ist offensichtlich eine Anspielung auf eine Aussage von Horst Hanke-Lindemann, der Kritiker als „Claqueure“ bezeichnet hatte.
Schließlich sah sich zuletzt auch das Ensemble des Geierabends zu einer Stellungnahme veranlasst. Der alternative Karneval wird seit vielen Jahren vom Fletch Bizzel veranstaltet. Till Beckmann ist Regisseur und Darsteller in der aktuellen Inszenierung.
Deshalb steckt das Geierabend-Ensemble in einer speziellen Situation
„Wir sind der Geierabend. Wir machen all das, was Ihr auf der Bühne seht. Dafür stehen wir (ein), auch für die dort gezeigten Werte. Das Theater Fletch Bizzel organisiert das Drumherum, sorgt für den reibungslosen Ablauf. Zwei unabhängige Systeme“, stellt das Ensemble bei Facebook klar.
Zur zukünftigen Zusammenarbeit mit Till Beckmann und dem Fletch heißt es. „Wir schätzen und lieben den kreativen und achtsamen Kollegen. Wir freuen uns auf unsere gemeinsame Zukunft. An das Theater Fletch Bizzel sind wir vertraglich gebunden. Diesen Vertrag werden wir auch erfüllen.“
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