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Kunstwerk als Sachbeschädigung? Kultur-Konflikt an Dortmunder Theater
Urban Art
An einem beliebten Dortmunder Kulturort gibt es einen Konflikt über eine Ausstellung. Die Empörung über ein vermeintliches Verbot durch den Gebäudeeigentümer ist groß. Das steckt dahinter.
Im Theater Fletch Bizzel, das seit dem 17.4. unter dem Namen „Das Fletch“ firmiert, ist eine geplante Ausstellung zu urbaner Kunst („Urban Art“) kurzfristig abgesagt worden. Das hat nichts mit Corona-Schutzbestimmungen zu tun, sondern mit einem ungewöhnlichen Vorgang im Hintergrund.
Es gibt unterschiedliche Aussagen über den Ablauf. Fakt ist: Der Verein „Pottporus“ aus Herne, der eigentlich ab 17.4. Bilder, Wand-Graffiti und Installationen im Fletch in hybrid-digitaler Form zeigen wollte, hat seine Ausstellung „Urban Discoveries“ abgebaut.
Eigentümer untersagt Kunstwerk aus Lackfarbe auf einer Brandschutz
Laut Veranstalter hätten der Förderverein des Fletch Bizzel und der Eigentümer des Gebäudes an der Humoldtstraße gegen ein Wand-Kunstwerk im Foyer interveniert und es als Sachbeschädigung bezeichnet.
„Es war sehr überraschend und ist traurig im Namen von Kunst und Kultur“, sagt Zekai Fenerci, Vorsitzender des Vereins, der sich für die Professionalisierung und Vernetzung urbaner Künste wie Hip-Hop, Graffiti und anderen Stilarten einsetzt.
Ein Social-Media-Post mit der Information über die Absage hat in den vergangenen Tagen für Wirbel unter Kulturschaffenden und -interessierten in Dortmund und Umgebung gesorgt.
Jochen Niemeyer, seit Gründung des Fletch Bizzel vor über 35 Jahren Eigentümer und Vermieter des Gebäudes, sieht ein „Kommunikationsproblem“.
Er sagt: „Es ging immer um die Sicherheit und nie um Kunst.“ Das betreffende Kunstwerk sei mit Lackfarben an eine Feuerschutztür gesprüht worden, was nach Brandschutzvorgaben auf diesem Fluchtweg nicht zulässig sei. Dies sei gegen vorherige Absprachen gewesen und darauf habe er hingewiesen.
Künstler wollten keine Einmischung in die Arbeit
Noch bevor man eine Lösung mit den Künstlern habe absprechen können, sei die Farbe wieder entfernt und die Ausstellung abgesagt worden, teilt Niemeyer mit.
Zekai Fenerci sagt: „Wir haben uns so entschieden, weil wir es nicht mittragen konnten, wie es in die künstlerische Arbeit einwirkt.“ Er und die insgesamt sieben beteiligten Künstler hätten das Gefühl, dass ihre Art der Kunst dem Förderverein und dem Eigentümer ein Dorn im Auge seien.
Jochen Niemeyer bestreitet das ausdrücklich. „Wir sind seit 35 Jahren Unterstützer und auch Sponsor des Theaters. Wir sind nicht gegen die Kunst. Aber der Künstler ist erst einmal Gast und als solcher hält man sich an Regeln.“
Die Ausstellung gehörte eigentlich zum ersten Programms der neuen künstlerischen Leitung im Fletch, Till Beckmann und Cindy Jänicke. Ziel war es laut Beckmann, „dass das ganze Fletch zum Kunstwerk wird“.
„Ich stehe nach wie vor hinter dem Konzept, das durch unsere technische Leitung abgenommen war“, sagt Till Beckmann. Er bedauere deshalb die Absage, respektiere aber die Entscheidung des Eigentümers und der Künstler.
Teil der Ausstellung sollten auch Karikaturen des bekannten Dortmunder Künstlers Günter Rückert sein.
„Angst“ vor urbaner Kunst?
Aus Sicht von Horst Hanke-Lindemann, der sich als Gründer des freien Theaters erst zu Jahresbeginn aus dem operativen künstlerischen Geschehen zurückgezogen hat, hätten sich viele Dinge „hochgeschaukelt“ und seien schließlich anhand der Frage über die Farben „eskaliert“.
Anders als von einigen Kommentatoren dargestellt, habe der Förderverein aber kein Beratungs- oder Vetorecht bei künstlerischen Fragen.
Zekai Fenerci sieht in der Absage ein Anzeichen dafür, dass es weiterhin eine gewisse „Angst“ vor urbaner Kunst gebe. „Ich frage mich, wie groß die Aufregung wäre, wenn es um Hochkultur gehen würde“, sagt der Herner.
Dortmund brauche mit seiner Urban-Art-Geschichte als Graffiti-Hotspot der 80er- und 90er-Jahre einen festen Ort, an dem diese Sparte Platz findet.
Seit 2010 Redakteur in Dortmund, davor im Sport- und Nachrichtengeschäft im gesamten Ruhrgebiet aktiv, Studienabschluss an der Ruhr-Universität Bochum. Ohne Ressortgrenzen immer auf der Suche nach den großen und kleinen Dingen, die Dortmund zu der Stadt machen, die sie ist.
