
© Dieter Menne (A)
Fletch Bizzel: Neues Führungsduo hat mit dem Dortmunder Theater viel vor
Freies Theater
Nach 36 Jahren steht das Theater Fletch Bizzel unter neuer Leitung. Cindy Jänicke und Till Beckmann haben das Kommando von Horst Hanke-Lindemann übernommen – es ist ein Generationswechsel.
An Ideen mangelt es nicht. Dass, was Cindy Jänicke und Till Beckmann als neue künstlerische Leiter im Theater Fletch Bizzel vorhaben, dürfte gleich für mehrere Spielzeiten reichen. Dabei lässt sich noch nicht einmal sagen, wann die erste Spielzeit für das neue Führungsduo beginnt.
Cindy Jänicke und Till Beckmann haben sich keine einfache Zeit für ihren Einstieg in das wohl bekannteste freie Theater in Dortmund ausgesucht. 36 Jahre hat Horst Hanke-Lindemann die Bühne an der Humboldtstraße geleitet und geprägt.
Jetzt kommt der Generationswechsel. Aber vielleicht ist die Corona-Zwangspause ja auch ein richtiger Zeitpunkt, um einen Schnitt zu machen.
Denn klar ist: Jänicke und Beckmann werden neue, ganz eigene Akzente setzen. Es soll einen richtigen Neustart geben, wünscht sich auch Horst Hanke-Lindemann, der mit 68 Jahren in den Teil-Ruhestand geht.
Denn er kümmert sich weiter um das Festival Ruhrhochdeutsch und gemeinsam mit Jänicke und Beckmann auch um den Geierabend.

Till Beckmann und Cindy Jänicke sind die neuen künstlerischen Köpfe im Theater Fletch Bizzel. © Marie Koehler
„Das Fletch wird mit einer außerordentlich hohen Qualität weitergeführt. Mit Cindy Jänicke und Till Beckmann kommt eine gute Ballung an Kompetenz nach Dortmund“, ist Hanke-Lindemann überzeugt.
Jänicke und Beckmann haben jetzt im Fletch das Sagen. Aber sie wollen nicht alles über Bord werfen. Die Kulturwerkstatt soll es etwa weiterhin geben. Sie soll eng mit dem Theater- und Galeriebetrieb verzahnt werden, sagt Cindy Jänicke.
Das bisherige Fletch-Bizzel-Ensemble wird in neuen Besetzungen und anderen Kombinationen weiterhin auftauchen. Die Produktionen „Extrawurst“ und „Die Frau, die gegen Türen rannte“ werden übernommen.
Beckmann bringt „Spielkinder“ mit
Neu dazu kommen die „Spielkinder“. Till Beckmann hat das Ensemble gemeinsam mit seinen Geschwistern Maja, Lina und Nils Beckmann und mit Charly Hübner gegründet.
„Ich bin ein Kind des Ruhrgebiets und komme aus einer Theaterfamilie“, erklärt Beckmann, der erste Theatererfahrungen beim Theater Kohlenpott gesammelt hat, Literatur studiert und als Autor, Sprecher, Schauspieler und Regisseur gearbeitet hat - zuletzt auch für den Geierabend.
Generell soll das Fletch Bizzel noch stärker ein Ort für die Freie Szene im Ruhrgebiet sein, wünschen sich Cindy Jänicke und Till Beckmann. „Wir schaffen feste Termine in der Reihe ‚Lokal zu Gast‘ und kuratieren Gastspiele und langfristig auch Zusammenarbeiten und Koproduktionen.“
Ein starker Fokus soll auf Theater für ein junges Publikum und auf Tanz gelegt werden - passend zur Vita von Cindy Jänicke, die als einer ihrer vielen beruflich Stationen am Bayerischen Staatsschauspiel unter Dieter Dorn das „Junge Schauspiel“ gegründet und fünf Jahre geleitet hat.
Sie hat an vielen großen Häusern, zuletzt aber vor allem frei gearbeitet, dabei Verbindungen nach Simbabwe und Uganda geknüpft. Auch das soll sich am Fletch bemerkbar machen.
„Das Fletch soll für überregionale und internationale Künstlerinnen und Künstler ein interessanter Ort zum Arbeiten werden“, kündigt das neue Führungsduo an. „Dazu werden wir neue Verbindungen und Netzwerke zu anderen Häusern der Freien Szene spannen, um aufregende Projekte und Koproduktionen nach Dortmund zu holen.“
Immer mal wieder wollen Jänicke und Beckmann außer Haus gehen. An verschiedenen Orten in der Stadt - vom Phoenix-See bis zum Fredenbaum-Park soll schon im Mai das aus dem Fonds Soziokultur geförderte Projekt „Urban Discoveries“ (Städtische Entdeckungen) stattfinden. „Im Sommer werden wir draußen spielen und als kleines wendiges Theaterboot agieren“, erklären die Theatermacher.
Ein neuer Kooperationspartner ist der Herner Verein Pottporus, ein anderer ist das Journalisten-Kollektiv Correctiv, mit dem man ein Live-Magazin-Format entwickeln will. „Wir sind auch im Gespräch mit der Akademie für Theater und Digitalität“, verkündet Cindy Jänicke.
Ölkönig und Weihnachtsroboter
Mit internationalen Künstlern soll es langfristige Kooperationen geben. „Im Moment bereiten wir eine erste Arbeit mit der syrischen Regisseurin Wihad Sulimann vor, die in Oberhausen lebt. Ebenso werden wir mit dem türkischen Choreografen Muhammed Kaltuk aus Basel arbeiten. Wir werden mit Lin Verleger arbeiten, Tänzer und Choreograf aus Köln“, heißt es.
Mit der in Dortmunder lebenden Musikerin Ornella Mikwasa wird ein Projekt zwischen Popkonzert und Performance entwickelt. Ein Theaterprojekt ist Erhard Goldbach gewidmet, „dem Ölkönig von Wanne oder dem Donald Trump der Mineralölindustrie“, erklärt Till Beckmann.
Für junges Publikum wird der Debüt-Roman von Sarah Jäger „Nach vorn, nach Süden“ auf die Bühne gebracht. Im Winter läuft der „Der Weihnachtsroboter“, den Till Beckmann gemeinsam mit Zekai Fenerci geschrieben und mit Pottporus inszeniert hat.
Fördermittel für Umbau
Der Umbruch soll auch baulich im Theater sichtbar werden. Bevor gespielt wird, wird in Abstimmung mit den Vermietern des Hauses erst einmal umgebaut und modernisiert. 100.000 Euro stehen dafür aus dem Bundes-Förderprogramm „Neustart“ zur Verfügung.
„Wir setzen das Theater auf den neuesten Stand“, kündigt Hanke-Lindemann an. Schutz vor Corona spielt dabei eine große Rolle. Denn es werden auch Luftfilter und eine Lüftungs- und CO2-Filteranlage eingebaut.
Bis Ostern wird der Umbau dauern. Dann könnte das Spiel beginnen. „Am 17. April soll es mit dem Projekt „Femina“ mit Ornella Mikwasa die erste Premiere geben“, kündigt Cindy Jänicke an. Vorausgesetzt, die Corona-Lage spielt mit.
Oliver Volmerich, Jahrgang 1966, Ur-Dortmunder, Bergmannssohn, Diplom-Journalist, Buchautor und seit 1994 Redakteur in der Stadtredaktion Dortmund der Ruhr Nachrichten. Hier kümmert er sich vor allem um Kommunalpolitik, Stadtplanung, Stadtgeschichte und vieles andere, was die Stadt bewegt.
