Gourmet-Restaurant „The Stage“: Blattgold und Kaviar über Dortmunds Dächern

© Sascha Perrone

Gourmet-Restaurant „The Stage“: Blattgold und Kaviar über Dortmunds Dächern

rnSerie: Dortmunds Tour der Sterne

Spitzenkoch Michael Dyllong arbeitet jetzt über den Dächern von Dortmund: In Hombruchs Dula-Haus hat er das Gourmet-Restaurant The Stage eröffnet. Wir haben sein besonderes Gänge-Menü probiert.

von Tom Thelen

Dortmund

, 29.10.2021, 16:40 Uhr / Lesedauer: 4 min

Streng genommen ist dieses Restaurant kein Sterne-Restaurant. Der Stern verblieb quasi im „Palmgarden“ auf der Hohensyburg, das derzeit geschlossen ist. Michael Dyllong ist im „The Stage“ entsprechend der Sternekoch der Herzen.

Wenn es im Jahr 2022 die nächste Bewertung gibt, hofft man naturgemäß auf die Auszeichnung. Die Chance stehen gut und mittelfristig geht es bei diesem Haus vermutlich noch um eine höhere Hausnummer.

Serie

Dortmunds Tour der Sterne

So viele Sterneköche wie dieses Jahr hatte Dortmund noch nie: Gleich vier Restaurants stehen im aktuellen „Guide Michelin“. Wir testen sie in unserer Serie „Dortmunds Tour der Sterne“.

Im Vorzeige-Restaurant im siebten Stock des Hombrucher Dula-Hauses hatte zuvor Pascal Süring sieben Jahre lang im Cielo gekocht. Dieser höchst spektakuläre Ort mit der Rundum-Aussicht auf Dortmund sollte weiter High-End-Kulinarik beherbergen.

Michael Dyllong und sein Gastro-Partner Ciro de Luca machen hier oben nun seit dem 9. September „The Stage“: eine perfekte „Bühne“ für den Koch. Im Duett gelang den Machern schon mit der Doppelgastronomie Vida und Iuma in Kirchhörde Sensationelles.

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Ersteres ist ein Bar-Restaurant mit internationalem Flair und Metropolen-Feeling, nebenan erkochte man mit Pierre Beckerling einen Stern für innovative „Fusion Kitchen“. Sie denken Gastronomie groß, sie denken international, ja global. Und das für Dortmund.

Betritt man nach der Liftfahrt „The Stage“ fällt der Empfangsbereich ins Auge. Eine neue kleine Bar und die großen Weinschränke, auch ein Blick in die „teiloffene“ Küche ist möglich. Schon einmal die erste Bühne in The Stage. Je nach Sitzplatz im sehr großzügig gestellten Restaurantbereich schaut man in den Dortmunder Süden oder eher Richtung City - das ist sehr eindrucksvoll.

Leichtfüßiger Service und Grüße aus der Küche

Gedämpfte elektronische Musik erklingt, das Mobiliar ist elegant, Tischwäsche und Besteck sind edel. Ein exklusiver Ort, durchdacht, funktional, schick. Ciro Di Luca ist im Service leichtfüßig und beredt, er moderiert kenntnisreich die klasse abgestimmte Weinbegleitung (für 6 Gänge 67 Euro).

Los geht es mit den Grüßen aus der Küche, die hier „Aromatic Flavour“ betitelt sind. Da ist zunächst ein toller grüner Happen: „Erbsenbiskuit, Meerrettichcreme, Sauerklee, Spinat, Eigelb und Zwiebelmarmelade“. Das macht Spaß.

Es folgen fein ziselierte Häppchen wie Krabben-Terrine, Saiblingskaviar, Koriandercreme, Malz-Macaron, Marone, Buchenpilz und ein hocharomatischer Wildschinken. Alle Geschmacksakkorde wirken wie wissenschaftlich ermittelt und sind präzise dosiert. Dieser Eindruck sollte sich auch durch die folgenden sechs Gänge ziehen. Hier wird nichts aus dem Ärmel geschüttelt, hier wurde für den Genuss gearbeitet.

Ein Gruß aus der Küche

Ein Gruß aus der Küche. © Tom Thelen

A-la-carte-Tage sind dienstags und mittwochs, an den anderen Tagen hat der Gast die Wahl zwischen vier und sechs Gängen (89 oder 125 Euro), die auf Wunsch noch mit „Specials“ und „Upgrades“, teils Klassiker aus der Historie der Dyllong-Küche, veredelt werden können: Foie gras, Wagyu-Rind, Rohmilchkäse von Maître Affineur Bernard Antony, Kaviar Caspian Gold Premium Selection.

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Im ersten Gang geht es sehr frisch und elegant los. Im Mittelpunkt ein Huchen, ein Fisch, der auch als Donaulachs bekannt ist, hier nur mit einer Apfel-Vinaigrette mariniert. Um seinen frischen Geschmack geht es, umspielt wird er vom Apfel, der als eingelegte Stückchen, als Creme, als Gelee und als Schaum auf dem Teller auftritt. Rettich und Honig ergänzen das Spiel mit ein wenig Süße und Schärfe.

Ein intensiver und perfekter Gang folgt. „Jon Stone Dry Aged Beef mit Roter Bete,

Rauchaal, Kartoffel“ ist einer der besten Teller meines Jahres. Das Edel-Beef ist als Tartar im runden Rote-Bete-Mantel zu finden, der Rauchaal explodiert im Mund ebenfalls heraus aus einer Kugel (etwas „drüber“ ist vielleicht die Blattgold-Markierung des Bällchens, aber was soll’s). Dieser Gang lässt sich noch mit feinem Kaviar pimpen.

John Stone Dry Aged Beef, hier mit der „Ergänzung“ um den „Kaviar Caspian Gold Premium Selection“

John Stone Dry Aged Beef, hier mit der „Ergänzung“ um den „Kaviar Caspian Gold Premium Selection“ © Sascha Perrone

Weiter geht es mit toll verarbeiteten Spitzenprodukten: Jakobsmuschel in Nuss- und Anis-Umgebung, Zander trifft Flusskrebs mit kleinen Pfifferlingen, ebenfalls mit einem Nuss-Akkord. Das Spiel mit Nuss-Aromen ist so etwas wie der Grundbass des gesamten Menüs.

Im „Hauptgang“ (falls man das überhaupt so sagen kann, angesichts all der Kunst bei der Reise) dann ein „Wischelamm mit Aubergine, Karotte, Fenchel“. Das Lamm kommt als Rücken, als geschmorter Nacken, als Bries (toll!), Bäckchen und als tiefe Lammjus, von der es etwas mehr hätte sein können.

Lamm in verschiedenen Texturen gibt es im Hauptgang

Lamm in verschiedenen Texturen gibt es im Hauptgang. © Tom Thelen

Die Weinbegleitung gerät zu einer gelungenen Leistungsschau des Hauses: Herausragend etwa der „Naturwein“ von Chris und Suzzan Alheit aus Südafrika, der mit seiner kräftigen Statur auch als Weißwein dem Beef zur Seite steht.

Für eine ähnliche „natürliche“ Weinphilosophie steht auch der Chardonnay von Hansjörg Rebholz aus der Pfalz, der zum Jakobsmuschel-Gang ins Glas kommt. Zum Hauptgang reicht De Luca einen Barbera d‘Asti aus dem Piemont, einen komplexen Roten mit geschliffenen Tanninen. Zum süßsauren Finale der Quitte (mit Pistazie, Zitrus, Vanille) kommt dann eine schlau gewählte Scheurebe Kabinett ins Glas, 2018 vom Kallstadter Annaberg. Klassisch und gut.

Das Dessert des 6-Gang-Menüs

Das Dessert des 6-Gänge-Menüs. © Tom Thelen

Die Atmosphäre ist durchgängig gediegen, eine ganzes Rudel von anzugtragenden Herren ist etwas unentspannt geschäftlich am Nebentisch. Die haben nicht so viel Spaß.

An anderen Tischen ist man da zu zweit oder zu dritt eher ganz dem Genuss zugeneigt. Leichtfüßig beherrscht De Luca den Gastraum, schenkt da und dort nach, erklärt Weine und Speisen, vermittelt eine entspannte Atmosphäre, ohne Attitüde.

Hinweise zu vielen kleinen Extras

Neu sind hier kleine Kärtchen, die verraten, was sich in all den Saucen, Schäumen, Crèmes, Suden, Crunchs, Ölen, Jus, Sorbets, Lassis oder Mousses verbirgt. Im Dyllong-Vorgänger Palmgarden noch hatte sich der Gast zuweilen angesichts der schieren Masse von (zweifellos absolut wohlschmeckenden) „Klecksen“ allein gelassen gefühlt.

Überhaupt scheint es so, zumindest zeugt dieses erste Menü im The Stage davon, dass die Ausrichtung purer und klarer definiert ist. Auch ein früh schon genialer Küchenchef reift mit der Zeit.

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Architektonischer Coup wird wohl das bauliche Hinzufügen einer Außenterrasse, die ab Frühjahr 2022 den Gästen zur Verfügung stehen soll. 24 Plätze wird sie haben, umglast und geschützt, mit besonderem Licht- und Sounddesign. Der Blick von dort geht weithin über das ganze große Grün in Richtung Witten und Herdecke. Vermutlich einer der exklusivsten Orte Dortmunder Gastronomie.

Bleibt die Frage nach dem Michelin-Stern. Die Chancen dürften gut stehen bei der Vergabe der neuen Auszeichnungen für 2022. Heinz-Herbert Dustmann raunte schon beim Pre-Opening: „Die beiden haben viel vor.“

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