Szene-Laden in der Nordstadt vor dem Aus Corona-Rückzahlungen zwingen den Chef zur Aufgabe

Hohe Corona-Rückzahlungen: Szene-Laden in der Nordstadt vor dem Aus
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Dieser Ort ist einzigartig – nicht nur in der Dortmunder Nordstadt. Wer das kleine Ladenlokal betritt, befindet sich sofort in einer Vintage-Welt, die weit mehr ist als nur Gitarrenladen oder Event-Location.

Der vordere Raum des Rockaway Beat ist eine bunte Vintage-Welt aus einer anderen Zeit, inklusive Wohlfühlatmosphäre.
Der vordere Raum des Rockaway Beat ist eine bunte Vintage-Welt aus einer anderen Zeit, inklusive Wohlfühlatmosphäre. © Didi Stahlschmidt

Das Rockaway Beat an der Gneisenaustraße ist ein Gesamtkunstwerk, eine musikalische Zeitkapsel, die Retro-Design, einzigartige Vintage-Gitarren, Verstärker und kleine Accessoires mit viel Liebe zum Detail verbindet. Und es ist ein Ort des sozialen Austausches, an dem Menschen zusammenkommen.

Rückzahlungen bedrohen Kultladen

„Jeder Tag hier ist wie ein Film oder Buch, alles ist Prosa. Eine Art kulturelle Blase, wo man sich wohl fühlt“, schmunzelt Bernd Stähler, der sich vor zwölf Jahren mit dem Rockaway Beat einen Lebenstraum erfüllt hat. Doch nun ist dieser gelebte Traum in Gefahr.

Die Gründe, die Stähler dafür anführt: Rückzahlungen der Corona-Hilfen, Rückzahlungen der Überbrückungshilfen, zähe Bürokratie und Fehler des früheren Steuerberaters.

Das kleine Ladenlokal im Hafenquartier fällt schon von außen auf. Und für viele ist es ein zweites Zuhause geworden.
Das kleine Ladenlokal im Hafenquartier fällt schon von außen auf. Und für viele ist es ein zweites Zuhause geworden. © Didi Stahlschmidt

Mietvertrag läuft 2025 aus

„Das Rockaway Beat steht kurz vor der Schließung. Der Mietvertrag könnte im Mai 2025 auslaufen“, hält Stähler ernüchternd fest. Es gab auch schon Überlegungen, bereits im Oktober 2024 zu schließen. Doch aktuell laufe es auf Frühjahr 2025 hinaus. Noch sind private Feiern eingebucht, die Stähler nicht absagen will.

Dabei hatte alles so gut angefangen – damals, im Jahr 2012. Lange Zeit hatte Stähler im internationalen Messebau und im Vertrieb gearbeitet. Dann aber erfüllte sich der leidenschaftliche Musiker, der seit seinem zwölften Lebensjahr Gitarre spielt, seinen Traum: ein Ladenlokal, das Musik, Kultur und Menschen zusammenbringen sollte.

Original-Theke von Horst Szymaniak

Dazu gehörte auch die Idee, einen Vintage-Gitarrenladen zu eröffnen, der Gitarren vermittelt. Außerdem hat Stähler eine Vorliebe für besonderes Design, was sich neben vielen Vintage-Accessoires vor allem beim Tresen widerspiegelt.

Der ist ein Original aus der Kneipe „Zum Sportler“, die von Horst Szymaniak betrieben wurde, dem Fußballnationalspieler und WM-Teilnehmer 1958, 1962 und 1966. Doch im Rockaway Beat gibt es auch viele andere Möbelstücke aus den 60er-Jahren, inklusive original-erhaltenem Flipper im Hinterraum, einer Musikbox und einem US-amerikanischen Coca-Cola-Automaten.

Gitarren von 1954, 1957 und 1962

Seit 2015 hat das Rockaway Beat auch einen Förderverein. Er organisiert Live-Konzerte und kleine Kulturevents. Und er stellt die Basis für die gut 60-70 Gitarren des eigentlichen Museums. Alle Saiteninstrument sind Leihgaben oder Vermittlungsobjekte der Mitglieder. Darunter befinden auch Gitarren aus den Jahren 1954, 1957 und 1962.

Für viele ist dieses Gitarrenmuseum eine „musikalische Heiligkeit“, die es in dieser Art nirgends gibt. Doch auch andere Anlässe locken in den Laden: die vielen Konzerte, Sessions, Teilnahmen an der Museumsnacht oder der Extraschicht.

Zum Gitarrenmuseum gehört auch die Reparatur der alten Saiteninstrumente, die Stähler selbst in die Hand nimmt.
Zum Gitarrenmuseum gehört auch die Reparatur der alten Saiteninstrumente, die Stähler selbst in die Hand nimmt. © Didi Stahlschmidt

Musikalische Zeitreise

„Es kommen auch schon mal jungen Menschen vorbei, die mit der Wählscheibe des Telefons hier nichts anfangen können“, lacht Bernd Stähler und freut sich zugleich, dass Menschen aller sozialer Schichten bei ihm ein- und ausgehen. Immerhin soll das kleine Ladenlokal ein Kunstobjekt sein, ein Ort der Kommunikation auf Augenhöhe, in dem jeder willkommen ist.

Mache Stammgäste kommen nur zum Reden und für den sozialen Austausch. „Das Rockaway Beat ist ein kulturpolitisches Statement für die gegenseitige Wertschätzung. Und ist für viele aus der Nachbarschaft auch soziokultureller Treffpunkt“, fasst er zusammen.

Welche soziale Tragweite eine Schließung haben dürfte? Das ist schwer auszumachen. Für viele im Quartier wäre es aber wohl ein Desaster.

„Kann keine Familie ernähren“

Stählers Herz mag am Gesamtkunstwerk Rockaway Beat hängen. Doch der Familienvater muss auch eingestehen: „„Der Laden kann keine Familie ernähren.“ Zwölf Jahre hat er nun seinen Traum gelebt. Er unterstreicht: „Es macht hier tierisch Spaß, das ist meine Welt.“

Doch Stähler muss Coronahilfen zurückzahlen. Die seien „nicht verhältnismäßig“, behauptet er: „Sie überschreiten die Gewinne aus zwei Jahren.“ Im November steht auch noch eine mehrtägige Prüfung des Finanzamts an. Die Richtlinien, wem Coronahilfen zustehen und für was sie verwendet werden dürfen, hatten sich mehrfach geändert.

Kann er den Laden doch noch retten?

Stähler gibt sich dennoch kämpferisch. Aktuell sucht der studierte Diplomkaufmann einen Teilzeitjob. Bestenfalls sorge der dafür, dass er das Rockaway Beat in gewohnter Weise weiterführen könne. Eine weitere Möglichkeit wäre ein ganz anderes Konstrukt – vielleicht mit einem sozialen Dienstleister, der ins Ladenlokal eingebunden wird.

„Es ist wohl der teuerste und längste Kinofilm, in dem ich jemals war“, sagt Stähler über das Betreiben des kleinen Ladens mit dem großen Fenster.

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Rockaway Beat

Gneisenaustr. 61, Mo-Fr 15-19 Uhr, bei Veranstaltungen Sonderöffnungszeiten, Telefon: 0172 232 6878, info@rockawaybeat.de, www.rockawaybeat.wordpress.com