Straßenkriminalität, Belästigung, Bettelei Wie Stadt und Polizei die City-Probleme in den Griff kriegen wollen

Stadt reagiert mit Sonderstab auf die Crack-Welle und ihre Folgen
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Die Auswirkungen des wachsenden Crack-Konsums sind auch in der Dortmunder Innenstadt zu beobachten. Die Probleme in der City haben sich durch die Droge, die Menschen schnell verelenden lässt, weiter verschärft. Straßen- und Beschaffungskriminalität, Belästigungen und nicht zuletzt die Zahl der Drogentoten haben deutlich zugenommen. Ebenso die Beschwerden von Bürgern und Geschäftsleuten über das veränderte Stadtbild.

Als Reaktion auf die Crack-Welle richtet die Stadt Dortmund einen Sonderstab ein, in dem auch die Polizei einen wichtigen Part spielt. „Das ist kein Zauberstab“, warnte Westphal am Dienstag (5.9.) bei der Vorstellung des Gremiums. Eine Blaupause zur Lösung des Problems, das ebenso andere Großstädte beschäftigt, gebe es nicht, unterstrich auch der Polizeipräsident.

Das Problem sei mit Repressalien allein nicht zu lösen, so Westphal und Lange, aber neben Suchthilfe und Prävention müsse die Ordnung aufrechterhalten werden. Dafür kann sich die Dortmunder Polizei auf Verstärkung durch die Bereitschaftspolizei des Landes stützen, die das NRW-Innenministerium abstellt.

Seit acht Wochen mehr Polizei

Bereits seit zwei Monaten sind Bereitschaftspolizisten in der City und der südlichen Innenstadt Dortmunds unterwegs, vor allem im Stadtgarten, auf der Wißstraße, dem Hansaplatz und Richtung Drogenkonsumraum. Montags bis freitags zählt die Gruppe bis zu zehn Beamte, begleitet von Dortmunder Polizeikräften. Freitags und samstags sind es 28 bis 35 Bereitschaftspolizisten, die von abends 18 Uhr bis morgens vier, beziehungsweise sechs Uhr im Einsatz sind.

„Mehr als 8900 Personalstunden der Polizei führten in den vergangenen acht Wochen zu fast 1000 Platzverweisen. Wir haben in diesem Zeitraum 18 Waffen und 50.000 Euro Bargeld sichergestellt und mit fast 440 Straf- und Ordnungswidrigkeiten erste Ergebnisse geliefert - und wir lassen nicht nach“, versicherte der Polizeipräsident.

Im Gegenteil – man werde den Strafverfolgungsdruck weiter erhöhen. Die Geschäftstreibenden und die Bürger hätten mit ihren Beschwerden offene Türen bei der Polizei eingerannt. Lange: „Wir sehen die Bedürfnisse.“ In dem Zusammenhang ermuntert er die Bürger ausdrücklich, den Notruf 110 zu wählen, wenn sie sich belästigt oder unwohl fühlen.

Sonderstab mit fünf Einheiten

Gleichzeitig hat auch der Kommunale Ordnungsdienst bereits seit Pfingsten seine Anstrengungen weiter verstärkt. Bis zu 50 Stadtmitarbeiter seien gleichzeitig auf der Straße, berichtet Ordnungsdezernent Norbert Dahmen. Seit dem 18. August seien die kommunalen Ordnungskräfte zwei Wochen lang ausschließlich in der Innenstadt unterwegs gewesen, hätten fast 800 Platzverweise ausgesprochen und knapp 1000 Ordnungswidrigkeitsanzeigen geschrieben, davon fast 400 wegen illegalen Drogenkonsums.

Ein Ergebnis aus diesem Einsatz untermauert die Probleme, die durch Crack entstehen. 48 Prozent der Menschen, die auf der Straße campierten, seien auch durch Drogenkonsum aufgefallen, stellte Dahmen fest.

Wegen der vielschichtigen Problemlage wird der neu eingerichtete Sonderstab „Ordnung und Stadtleben“ aus fünf Einheiten mit gleichrangigen Zielen bestehen, erläuterte OB Westphal, als da sind:

  • Stadtraum verschönern
  • Campieren reduzieren
  • Belästigung bekämpfen
  • Sucht vermeiden und
  • Suchthilfe weiterentwickeln

Kooperationsvereinbarung

Der Sonderstab werde jeden Dienstag tagen und gemeinsam von ihm und Polizeipräsident Lange geleitet, kündigte OB Westphal an.

Das, was jetzt im großen Stil erfolgen soll, machen Stadt und Polizei bereits seit 25 Jahren als kleineres Gebinde mit ihrer Ordnungspartnerschaft, sprich den „Doppelstreifen“. Das Jubiläum, die Crack-Krise und ihre Begleiterscheinungen waren am Dienstag auch Anlass, die Partnerschaft mit einer Kooperationsvereinbarung zwischen Stadt und Polizei zu intensivieren und neu auszurichten.

Polizeipräsident Gregor Lange (l.) und Oberbürgermeister Thomas Westphal haben per Kooperationsvereinbarung die seit 25 Jahren bewährte Ordnungspartnerschaft zwischen Stadt und Polizei ausgeweitet.
Polizeipräsident Gregor Lange (l.) und Oberbürgermeister Thomas Westphal haben per Kooperationsvereinbarung die seit 25 Jahren bewährte Ordnungspartnerschaft zwischen Stadt und Polizei ausgeweitet. © Gaby Kolle

Polizeipräsident Lange sprach von einem „Signal“. Mit langem Atem, vereinten Kräften und enger Zusammenarbeit zwischen Stadt und Polizei werde man bei ganzheitlicher Betrachtung an der Lösung eines drängenden Problems arbeiten. „Einzelhandel, Anwohner und Besucher der City fordern zu Recht verlässliche Perspektiven ein“, so Lange.

Der Cityring, die Gemeinschaft der aktiven Innenstadtkaufleute, reagierte positiv auf die Einrichtung der Stabsstelle. „In unseren Augen ein guter Start“, kommentierte der Vorsitzende Tobias Heitmann.

Darüber hinaus hält die Polizei laufende Arbeitsschwerpunkte weiterhin aufrecht.„Fokus“ – so heißt das Präsenzkonzept des Polizeipräsidiums, das unter diesem Namen nunmehr vier Kernaufgaben zusammenfasst: Die Präsenzkonzepte „Nord“, „City“ und das Einsatzkonzept „Verbotene Kraftfahrzeugrennen“ verbindet die Polizei zusätzlich mit der Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität, deren „Markt“ auch Süchtige aus umliegenden Städten anzieht.

Videobeobachtung

Die Dortmunder Polizei ist in der Folge auf lange Sicht mit deutlich mehr Personal im Einsatz - sichtbar und verdeckt. Strategische Fahndungen und auch Videobeobachtungen ausgewählter Orte (Keuningpark, Münsterstraße, Brückstraßenviertel) unterstützen dabei.

Personell arbeitet die Polizei Dortmund mit Einsatzkräften aus dem Schwerpunktdienst, dem Bezirksdienst, der Diensthunde-, Fahrrad- und Kradstaffel, dem Verkehrsdienst, der Kriminalpolizei, der Bereitschaftspolizei, einer mobilen Wache und weiteren zivilen Einsatzkräften an der Lösung der aktuellen Probleme.

Die Zahl der Drogentoten hat sich von acht in 2018 auf 31 in 2022 erhöht. Die Zahl der bei verstärkten Kontrollen festgestellten Rauschgiftdelikte stieg von Januar bis Juli 2023 gegenüber dem Vorjahreszeitraum von 2132 auf 2495 (+17,03 Pozent). Bei der Gewaltkriminalität ist die Zahl der erfassten Fälle im selben Zeitraum um 24 Prozent von 1682 auf 2103 gestiegen. Dabei auffällig: Jugendliche haben im Jahr 2023 bei der Tat fast doppelt so häufig ein Messer verwendet.

Politik fordert neue Strategie

Auch die Politik ist angesichts dieser Zahlen und der wachsenden Drogenproblematik alarmiert. CDU und Grüne fordern unabhängig voneinander mit einem Antrag an den Rat, den bisherigen Weg der Drogenpolitik auf den Prüfstand zu stellen. Es geht beiden Fraktionen um repressive und soziale Maßnahmen, aber mit unterschiedlicher Gewichtung.

Die CDU fordert „ eine konsequente Ausschöpfung des Rechtsrahmens und die Umsetzung einer Null-Toleranz-Strategie durch die Polizei und die Stadtverwaltung“ – neben einer Ausweitung des Drogenhilfesystems und der aufsuchenden Straßensozialarbeit. „Nur mit einer konsequenten Anwendung beider Wege lässt sich das Problem nachhaltig angehen“, fordert Fraktionschef Dr. Jendrik Suck.“

Dezentrale Druckräume

Auch die Grünen fordern eine Gesamtstrategie für die insbesondere durch den zunehmenden Crack-Konsum veränderte Situation in der Dortmunder Innenstadt. Dabei soll es vor allem um die Stärkung der Hilfsangebote für suchtkranke Menschen, die Stärkung der aufsuchenden Sozialarbeit und die Vernetzung sozialer, medizinischer und ordnender Maßnahmen gehen.

Beide Fraktionen bringen die Einrichtung von mehreren dezentralen – auch mobilen – Drogenkonsumräumen ins Gespräch. Doch während die CDU den schon bestehenden Drogenkonsumraum und seinen Standort am Grafenhof (hinter der Thier-Galerie) sowie sein derzeitiges Konzept in Zweifel zieht, halten die Grünen an dem Standort fest. Der Raum sei ein unverzichtbares und überlebensnotwendiges Instrument der Dortmunder Drogenhilfe, so Jenny Brunner, Mitglied im Sozialausschuss.

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