Zwei Jahrzehnte dauert nun schon der Streit um das Neubaugebiet. Die Stadt möchte nun Planungsrecht für 105 neue Häuser schaffen. © Stephan Schuetze
Umstrittenes Baugebiet
Seit 2008 war Baustopp: Nun sollen 105 Häuser hier in Dortmund entstehen
Rund 14 Jahre ruhten die Bautätigkeiten in Dortmunds wohl prominentestem Neubaugebiet. Das bislang letzte Haus wurde dort 2008 gebaut. Nun hat die Stadt den Weg für einen Weiterbau geebnet.
Das Tauziehen um Dortmunds wahrscheinlich kuriosestes Wohnquartier geht in die nächste Runde. Die wievielte Runde es ist, da müssen sogar Insider lange überlegen.
Tatsächlich werden die Häuslebauer am Steinsweg im Stadtteil Oespel seit 2008 ausgebremst. Dafür hat die Bürgerinitiative „Pro Oespeler Lebensraum“ gesorgt. Denn ihre Vorsitzende Judith Zimmermann wehrte sich mehrfach auf juristischem Weg gegen den Bebauungsplan Lü148 und seinen Nachfolger Lü148n. Die Gerichte waren stets auf ihrer Seite.
Gerichte bestätigen mangelhaften Lärmschutz
2005 erklärte zunächst das Oberverwaltungsgericht Münster den B-Plan für unwirksam, 2007 dann das Bundesverwaltungsgericht Leipzig – beide Male wegen mangelhafter Abwägung des Lärmschutzes. Aufgrund von Baugenehmigungen wurde noch bis 2008 fleißig weitergebaut. Nach der Fertigstellung des 42. Hauses war dann aber Schluss.
Bislang umfasst das Neubaugebiet am Steinsweg 42 Eigenheime, 105 sollen noch gebaut werden. © Grafik: Nina Dittgen
Mehr Glück hatte die Stadt auch nicht mit dem Lü 148n: Wegen formaler Fehler wurde der B-Plan 2017 erneut durch das Oberverwaltungsgericht gekippt. Seit März 2019 existiert eine überarbeitete Fassung, nun soll sie in einen rechtskräftigen Bebauungsplan münden.
Denn alle in den vergangenen drei Jahren eingereichten Anregungen, Bedenken und Stellungnahmen aus der Bürgerschaft hat das zuständige Amt ausgewertet und eingearbeitet. Judith Zimmermann hatte allein 557 Seiten zu 28 Themen verfasst.
Die erste politische Hürde hat die erneute Aufstellung des Bebauungsplans Lü 148n bereits genommen. Denn die Bezirksvertretung Lütgendortmund gab in der März-Sitzung mehrheitlich grünes Licht, nur gegen die Stimmen von Grünen und Die Partei. Einen Beschluss wird der Rat in seiner Sitzung am 12. Mai fassen.
Die Stadt unternimmt damit einen weiteren Versuch, für „gut 105 Wohneinheiten“, wie es heißt, im südlichen Bereich des Areals Planungsrecht zu schaffen. Die 42 bereits errichteten Einfamilienhäuser werden in den Bebauungsplan integriert.
Das Foto zeigt einen Teil der Fläche, die im Schatten des Windrads Airwin bebaut werden soll. © privat
Nicht nur die BI „Pro Oespeler Lebensraum“ lehnt den Weiterbau ab, auch bekannte Naturschützer wie Nabu, BUND und LNU zücken die rote Karte: „Das Gebiet Steinsweg ist nicht attraktiv für Bauwillige, da es von allen Seiten verlärmt ist und dem Lärm nur mit unzähligen Maßnahmen wie Wall, Wand, passivem Lärmschutz und Gebäudestellung beizukommen ist“, teilte Thomas Quittek von der BUND-Kreisgruppe Dortmund im April 2021 mit. Und weiter: „Die Aufenthaltsqualität unterhalb der Hochspannungsleitungen geht gegen Null.“
Stadt verweist auf angespannten Wohnungsmarkt
Die Stadt Dortmund hat eine gänzlich andere Sicht auf den Standort. Ihrer Meinung eigne er sich „in besonderer Weise für den Wohnungsbau“. Als Begründung nennt sie unter anderem die Nähe zu Versorgungseinrichtungen, zu Naherholungsbereichen und Arbeitsplätzen sowie die günstige Anbindung zum öffentlichen Personennahverkehr.
Darüber hinaus verweist die Stadt auf den angespannten Wohnungsmarkt. „Die Schaffung von Wohnraum ist vor dem Hintergrund steigender Einwohnerzahlen ein prioritäres Ziel der Dortmunder Stadtentwicklung“, schreibt sie in der Vorlage. Gerade im Stadtbezirk Lütgendortmund sei die Lage alles andere als rosig: „Derzeit gibt es keinen größeren Entwicklungsschwerpunkt im Stadtbezirk, der verfügbares Bauland für eine anhaltende Nachfrage nach Wohnraum bedienen kann.“
Auf dem Areal, das von Steinsweg, Ewald-Görshop-Straße und A45 umschlossen wird, sollen „fast ausschließlich“ Eigenheime als Einzel- und Doppelhäuser entstehen. Am Steinsweg schirme eine zweigeschossige Doppelhausreihe die dahinterliegenden Grundstücke von den Lärmemissionen des Steinswegs ab, so die Verwaltung. Und weiter: „Von Osten und Süden wird das Neubaugebiet von einem vier bis fünf Meter hohen Lärmschutzwall umschlossen.“ Die Ausgleichsflächen lägen überwiegend zwischen dem Neubaugebiet und der A45 unter den Hochspannungsleitungen.
Mit Ausnahme der Gebäudereihe direkt am Steinsweg werde das Neubaugebiet durch vier Stichstraßen und eine Straßenschleife ausschließlich von der Ewald-Görshop-Straße erschlossen. „Die Verkehrsbelastung in den relativ kurzen Anliegerstraßen ist entsprechend gering“, meint die Verwaltung.
Grüne: „Zu laut und zu nah an der Hochspannungsleitung“
Diese und alle anderen Argumente können die Grünen-Fraktion in der BV Lütgendortmund aber nicht überzeugen: „Unsere bisherigen Ablehnungsgründe zu laut und zu nah an der Hochspannungsleitung sind nach wie vor gültig“, heißt es in ihrer Stellungnahme, die Bezirksvertreter Uwe Müller in der Sitzung vorlas.
Die klimatischen Entwicklungen der letzten Jahre machten deutlich, „dass wir unseren Flächenverbrauch deutlich senken müssen“, so Müller. Es sei nicht mehr verantwortbar, Bauland auszuweisen, in dem keine mehrgeschossige Bauweise möglich ist.
Erschwerend komme hinzu, dass sich auf dem geplanten Baugrund ein nicht unbeachtlicher sogenannter Ruderalwald (ein auf einer Brachfläche von selbst entstandener Strauch-Wald, Anm. der Red.) gebildet habe, „der durchaus zu einem richtigen Wald aufgeforstet werden könnte“. Diesen unter Berufung auf die ursprüngliche Planung nach wie vor als Ackerfläche zu bewerten, sei nicht verantwortbar.
Die Grünen vermissen eine konsequente Linie in der städtischen Wohnungspolitik. „Bemerkenswert ist auch noch, dass unter Hinweis auf die Wohnungsknappheit und die geringe Entwicklungsmöglichkeit des Wohnungsmarktes im Stadtbezirk die Notwendigkeit der Baumaßnahme begründet wird, gleichzeitig vom selben Dezernat mit einem geschickten Winkelzug die Schaffung von Wohnraum beim Neubau des Aldi in Marten verhindert wird und gleichzeitig acht bestehende Wohneinheiten ersatzlos vernichtet werden.“
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