Stadt Dortmund will Drogensüchtige mit reinem Heroin versorgen

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Stadt Dortmund will Drogensüchtige mit reinem Heroin versorgen

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In Dortmund könnte es bald reines Heroin auf Rezept geben – ganz offiziell vom Gesundheitsamt. Es deutet sich eine politische Mehrheit für das Vorhaben an. Das steckt dahinter.

Dortmund

, 20.09.2019, 04:30 Uhr / Lesedauer: 2 min

Was in mehreren Großstädten Realität ist, soll auch in Dortmund bald passieren. Chronisch opiatabhängige Menschen erhalten als Ersatz für das „Straßenheroin“ den Stoff Diamorphin. Dabei handelt es sich um synthetisch hergestelltes, als „rein“ bezeichnetes Heroin.

Dr. Frank Renken, Leiter des Dortmunder Gesundheitsamtes, erklärte nun vor den Mitgliedern des Sozialausschusses die Haltung zur Diamorphin-Ausgabe. Gleich drei Parteien - CDU, SPD und Grüne - haben es in die erste Ausschusssitzung nach der Sommerpause eingebracht.

„Drogentherapeutisch ist das nichts, was man möchte. Aber es ist eine Form der Überlebenshilfe für Schwerstabhängige, und zwar dann, wenn alle anderen Strategien nicht mehr weiterführen. Ich bringe niemanden von der Sucht weg, aber ich helfe ihm, den nächsten Tag zu erreichen“, sagt Frank Renken.

Diamorphin ist für einige Abhängige eine Überlebenshilfe

Der Konsum der Droge in einem geschützten Raum und unter medizinischer Aufsicht hilft nach Erfahrungen aus Städten wie Düsseldorf, Köln oder Hamburg Abhängigen dabei, ihr Leben zu stabilisieren. Sie bleiben aber in der Heroinabhängigkeit.

Aber sie müssen nicht mehr kriminell werden, um an den Stoff zu kommen. Und man verhindert Krankheiten durch verunreinigte Nadeln oder gestreckte Drogen. Niedergelassene Ärzte dürfen das Substitut seit 2009 durch ein Bundesgesetz unter strengen Auflagen verschreiben und ausgeben.

Frank Renken schätzt, dass für mindestens 50 Patienten diese Form der Substitution in Frage käme. Voraussetzung für diese Therapieform ist in anderen Städten eine schwere körperliche oder psychische Funktionsstörung und der Nachweis, dass Entzugsprogramme nicht zum Erfolg geführt haben.

Konkurrenz für die bestehende Drogenhilfe

Die Dortmunder Gesundheitskonferenz, zu der sich alle wichtigen Akteure der gesundheitlichen Versorgung regelmäßig treffen, hat zuletzt erarbeitet, dass eine Diamorphin-Ausgabe über das städtische Gesundheitsamt erfolgen müsste.

In anderen Städten wie Düsseldorf gibt es laut Frank Renken niedergelassene Ärzte, die hunderte Patienten behandeln und damit hohen Umsatz machen. „Mit den Ärzten käme ein Anbieter im System dazu. Das könnte dazu führen, dass die Methadon-Ambulanz mit bis zu 600 Patienten verschwinden würde. Dann sollte die Diamorphin-Ausgabe hier lieber in öffentlicher Hand sein. Nicht, weil wir es gerne machen wollen, sondern sonst Gefahr besteht, dass unser Hilfesystem destabilisiert wird.“ Gesundheitsämter in anderen Kommunen würden von solchen Entwicklungen berichten.

Gleich drei Parteien bringen das Thema in die politische Debatte ein

Das Thema hat eine interessante politische Dynamik bekommen. Die Grünen hatten es bereits 2010, 2014 und 2018 in die Diskussion gebracht. Bei SPD und CDU hatten sie nie Unterstützung gefunden. Bis jetzt. Was Grünen-Fraktionssprecher Ulrich Langhorst mit den Worten kommentiert: „Ich freue mich, dass wir so weit sind.“

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Michael Taranczewski (SPD) erklärt den Sinneswandel seiner Fraktion: „Wir können das nicht niedergelassenen Ärzten überlassen und alle Strukturen kaputt machen.“ Die CDU habe sich durch einen Besuch in der Düsseldorfer Diamorphin-Ambulanz überzeugen lassen, berichtet Fraktionssprecherin Justine Grollmann.

Bis es eine Diamorphin-Versorgung in Dortmund geben wird, dürfte es aber noch dauern. Der Ausschuss hat die Verwaltung beauftragt, ein Konzept für „ergänzende Angebote zur Optimierung des Drogen- und Suchthilfesystems“ zu entwickeln.

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