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Stadt Dortmund braucht Krisenmanager - Kämmerer verschiebt den Ruhestand
Krisenmanager
Er ist derjenige, der im Kreis der städtischen Verwaltungsspitzen über die meiste Erfahrung verfügt. Eigentlich wäre 2022 Schluss für ihn: Doch Stadtdirektor Stüdemann soll bleiben - als Krisenmanger
Es ist eine Überraschung. Eine, die quer durch die Ratsfraktionen auf breites Wohlwollen stoßen dürfte: Jörg Stüdemann (65), in Personalunion Stadtdirektor, Kämmerer und Kulturdezernent der Stadt Dortmund, möchte seinen Ruhestand verschieben und ein paar Jahre dranhängen. Eigentlich wäre bereits Ende September des laufenden Jahres 2022 Schluss.
Nun hat Stüdemann beantragt, seinen Dienst um drei Jahre zu verlängern – bis Ende September 2025. Er wäre dann 68 Jahre. Rechtlich steht dem nichts entgegen: Das Landesbeamtengesetz NRW (LBG) sieht vor, dass der Ruhestand sogar bis zur Vollendung des 70.sten Lebensjahres hinausgeschoben werden kann.
Wie zu erfahren war, soll (auch) OB Thomas Westphal mit dieser Idee an Stüdemann herangetreten sein – und das bereits 2021. Äußern wollte sich Stüdemann zu dem Punkt auf Anfrage nicht. Sagte aber: „Ich bin über Weihnachten in mich gegangen und habe das sehr genau abgewogen.“
Als „Feuerwehrmann“ auf den Kämmererposten
Vor dem Hintergrund der aktuell schwierigen Lage habe er sich fürs Weitermachen entschieden, so Stüdemann mit Blick auf die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine und den damit verbundenen Herausforderungen. Hinzu kommen die millionenschweren Folgen der Corona-Pandemie, die ab 2025 aus dem städtischen Haushalt getragen werden müssen. Sein Wunsch, so Stüdemann, „wäre weniger Krise und mehr Normalität.“
Dabei gilt gerade Stüdemann als krisenerprobt: 2000 wurde er als Dezernent für Kultur, Sport und Freizeit in den Kreis der Stadtspitzen gewählt – kein anderer ist dort so lange an Bord wie er.
2010 sprang er als „Feuerwehrmann“ für die Stadtfinanzen ein und löste die damals unglücklich agierende Kämmerin der Stadt ab. Den Job als „oberster Hüter der Stadtfinanzen“ hat er bis heute inne – und hat es seitdem fast immer geschafft, der Arnsberger Bezirksregierung genehmigungsfähige Haushalte vorzulegen.
„Seine Kenntnisse werden zwingend benötigt“
Allein der Griff nach dem höchsten Amt der Stadt blieb ihm verwehrt: Auf Bitten eines Teiles der SPD-Fraktion stieg er 2008 ins Rennen um die SPD-OB-Kandidatur ein – musste sich aber nach einer SPD-Mitgliederbefragung gegen den damaligen Kandidaten und späteren OB Ullrich Sierau geschlagen geben.
Auch mit seinem SPD-Parteibuch findet Stüdemann fraktionsübergreifend große Anerkennung. Seine Arbeit wird auch in den anderen politischen Lagern geschätzt. 2010 ist er vom Rat zum Stadtdirektor gewählt worden – auch dieses Amt füllt er bis heute aus.
Seine Verdienste drücken sich in einem Beschlusspapier der Verwaltung an die Fraktionen im Rat aus: Stüdemann, heißt es darin, „verfügt über ein sehr breites Fachwissen und einen großen Erfahrungsschatz in den verschiedensten Themengebieten sowie Krisensituationen.“ Seine Kenntnisse würden „zwingend benötigt“. Zumal Corona „die prekäre Haushaltslage ab 2025 immens verschärft.“
Stüdemann geht zur Kommunalwahl 2025
Den Posten des Kämmers in dieser Situation auszuschreiben und neu zu besetzen, werde nicht nur erheblich Zeit beanspruchen, heißt es im Beschlusspapier. Darüberhinaus erscheine es zum jetzigen Zeitpunkt kritisch, die Aufgaben an jemanden zu delegieren, der „unerfahren“ sei und sich erst einarbeiten müsse. Dadurch, dass Stüdemann für weitere drei Jahre an Bord bleibe, werde „eine gewinnbringende und verantwortungsvolle Kontinuität“ erreicht.
Die Entscheidung über Stüdemanns Antrag trifft der Rat der Stadt in seiner Sitzung am 31. März (Donnerstag). Pikanterie am Rande: Im Herbst 2025 stehen die nächsten NRW-Kommunalwahlen an. Heißt: Bis dahin muss geklärt werden, ob Stüdemanns Nachfolge vor oder nach den Wahlen geregelt wird. Also vom jetzigen oder vom dann neu gewählten Rat. Das gilt auch für seinen Posten als Stadtdirektor.
Jahrgang 1961, Dortmunder. Nach dem Jura-Studium an der Bochumer Ruhr-Uni fliegender Wechsel in den Journalismus. Berichtet seit mehr als 20 Jahren über das Geschehen in Dortmunds Politik, Verwaltung und Kommunalwirtschaft.