
An einem Tag nicht zu schaffen: Bei der Aktion in Scharnhorst hatten die Mitarbeiter viel zu tun. © Schaper
Sperrmüllchaos: Jetzt geht der Streit erst richtig los
Sperrmüllsammlung
Das Chaos bei der Sperrmüllsammlung in Scharnhorst hat Dortmunds Politiker alarmiert. Sie verteilen verbale Ohrfeigen an die EDG und die Stadtverwaltung – und rügen die „Missachtung“ des Rats.
Wer trägt die Verantwortung für das Chaos bei der ersten Gratis-Sammlung in Scharnhorst, bei der neben Sperrmüll tonnenweise Abfälle auf Gehwegen und Grundstücken gelagert wurden? So könne es nicht weitergehen, sagen Grüne und CDU. „Eine Sperrmüllsammlung kann man nicht einfach kurzfristig aus dem Boden stampfen, wenn sie erfolgreich sein soll“, kritisiert Ingrid Reuter, Fraktionschefin der Grünen.
Es sei „viel Unmut entstanden“. Wichtige Fragen seien im Vorfeld nicht geklärt worden. Auch die nach den Kosten. Die Sammlung sei „ohne vorherige Beteiligung der Politik durchgeführt worden."
Mit ihrer Kritik berufen sich Grüne und CDU auf einen Beschluss im Finanzausschuss des Rates vom 24.3.2022: Damals sei die städtische Beteiligungsverwaltung aufgefordert worden, vor dem Start der Sammlung gemeinsam mit der EDG „gute Praxisbeispiele“ aus anderen Städten vorzulegen. Und gleich auch eine Übersicht, welche Folgen eine Gratis-Sammlung später für die Müllgebühren habe. Die Erfahrungsberichte sollten vor der Sommerpause geliefert werden.
Grün-Schwarz rügt die Verwaltung
„Das ist aber nicht passiert“, stellt CDU-Fraktionschef Jendrik Suck fest. „Stattdessen hat die EDG den Sperrmülltag auf eigene Faust organisiert.“ Hätte die EDG vorher ein Konzept präsentiert, hätte man auch über eine Lösung für Abfälle wie Autoreifen, Elektroschrott, Farben etc. gefunden, die nicht in den Sperrmüll gehörten.
Konsequenz: Grün-Schwarz will den Rat in seiner Sitzung am Donnerstag (22.9.) auffordern, das Vorgehen der Verwaltung als „Missachtung der politischen Gremien“ zu rügen. Sie wird aufgefordert, „unverzüglich“ das Konzept für die aktuelle Sperrmüllsammlung vorzulegen – inklusive aller Kosten. Zudem wünscht Grün-Schwarz bis 31. Oktober einen „Zwischenbericht“, dessen Ergebnisse in die Beratungen für den Haushalt 2023 eingespeist werden sollen.
Mit Blick auf die nächste Aktion im Stadtbezirk Brackel (Samstag, 27.8.) erwarten Grüne und CDU, die EDG möge ihre Lehren aus dem Müllchaos ziehen. „Die Schwachstellen der Scharnhorster Sammelaktion dürfen sich nicht wiederholen“, sagt Suck. Ein stures Weiter-so, ohne praxistaugliche Konzepte, die andere Städte längst böten, bringe nur Verdruss.
"Warum alles an einem Tag?"
Kritik meldet auch Utz Kowalewski an, Fraktionschef von Linke+. Die EDG habe ahnen können, welche Ausmaße die Sammlung haben würde. „Dann muss sie sich aber auch so aufstellen, dass sie es gestemmt bekommt“, sagt Kowalewski. Er könne nicht nachvollziehen, warum die EDG geplant habe, den Sperrmüll im gesamten Stadtbezirk innerhalb eines Tages zu sammeln.
„Warum ist die EDG nicht abschnittsweise vorgegangen?“, fragt Kowalewski. Zudem vermisse er Abstimmungen mit den Wohnungsgesellschaften im Vorfeld der Aktion. „Man hätte Einvernehmen erzielen und so auch die Rasenflächen an den Häusern nutzen können.“
Ein Vorwurf, den die EDG entschieden zurückweist. „Genau das haben wir versucht“, entgegnet Sprecher Matthias Kienitz. „Wir haben die Wohnungsgesellschaften angeschrieben und um Abstellplätze gebeten“, so Kienitz. „Wir haben lediglich eine Rückmeldung erhalten.“ Daraufhin habe man die Wohnungsunternehmen informiert, dass die EDG „nur Sperrmüll von öffentlichen Wegeflächen abtransportieren“ werde.
"Das wird eine teure Geschichte"
Die 200.000 Euro, die der Rat für alle zwölf Dortmunder Stadtbezirke bereitstellt, werden bereits nach der zweiten Sammlung in Brackel verbraucht sein. Das will die EDG dem Kämmerer schriftlich geben. SPD-Fraktionschefin Carla Neumann-Lieven geht „am Ende von einer siebenstelligen Summe aus.“ Sollte das jetzige Konzept durchgezogen werden, „wird das eine teure Geschichte für alle Bürger“, so Neumann-Lieven. Ihr Vorschlag: „Eine Alternative wäre eine kostenfreie Sperrmüllabholung pro Jahr für jeden Haushalt.“
Muss der Kämmerer also die 200.000 Euro um etliche Taler aufstocken? Auf Anfrage äußert sich Stüdemann verhalten. „Ich werde das EDG-Papier lesen und mich mit dem OB abstimmen“, so Stüdemann. Und: „Wir können das nicht einfach laufen lassen und munter abwarten, wie sich die Kosten entwickeln."
Nicht stehen lassen will Stüdemann den Vorwurf, die Verwaltung habe Beschlüsse missachtet. Er hat eine andere Version: Am Anfang stand der Ratsbeschluss, die EDG möge kostenlose Sperrmüllsammlungen organiseren. Das war im Dezember 2021.
"Es war alles wieder auf Null"
Danach kam der Vorschlag der Verwaltung für einen Bringdienst: Die Bürger sollten ihren Sperrmüll einmal pro Jahr zu einem Sammelplatz im jeweiligen Stadtbezirk kutschieren. Es folgte ein zähes politisches Hickhack mit diversen Änderungswünschen. Am Ende machte die Verwaltung einen Schnitt und zog ihren Vorschlag zurück - er war schlicht nicht umsetzbar.
Damit, so Stüdemann, sei auch der grün-schwarze Auftrag hinfällig geworden, Beispiele aus anderen Städten einzuholen. „Es war alles wieder auf Null gefallen“, interpretiert Stüdemann den Vorgang. Der Ratsbeschluss aus 2021, eine Gratis-Sammlung auf die Beine zu stellen, sei weiter in der Welt gewesen. Die Frage, wie sich die Sammlung organisieren lasse, sei aber wieder offen gewesen.
Tatsächlich war es zuletzt still geworden um den Modellversuch. Bis vor den Sommerferien 2022. Da erinnerte Stüdemann die EDG in einer Aufsichtsratssitzung, dass sie noch einen Ratsbeschluss aus 2021 zu erfüllen habe – die Dinge nahmen ihren Lauf.
Jahrgang 1961, Dortmunder. Nach dem Jura-Studium an der Bochumer Ruhr-Uni fliegender Wechsel in den Journalismus. Berichtet seit mehr als 20 Jahren über das Geschehen in Dortmunds Politik, Verwaltung und Kommunalwirtschaft.