Stephanie Butt bekommt in wenigen Tagen ihr Kind. Um ihren Müll zu entsorgen, muss sie über wacklige Matratzen und anderen Unrat vor ihrem Haus steigen.

Stephanie Butt bekommt in wenigen Tagen ihr Kind. Um ihren Müll zu entsorgen, muss sie über wacklige Matratzen und anderen Unrat vor ihrem Haus steigen. © Lukas Wittland

Hochschwangere Stephanie Butt muss in Scharnhorst über Sperrmüllberge kraxeln

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Bei der ersten gebührenfreien Sperrmüllsammlung in Dortmund-Scharnhorst gab es einige Probleme. Auch am Sonntag türmt sich noch der Unrat. Anwohner sorgen sich um Ratten und Rettungswege.

von Lukas Wittland, Robin Albers, Oliver Schaper

Dortmund

, 14.08.2022, 18:34 Uhr

Vorsichtig bahnt sich die hochschwangere Frau den Weg über den auf dem Weg liegenden Müll. Schranktüren, Schuhe, zerbrochene Plastikboxen. Über all das muss Stephanie Butt, will sie von den Mülltonnen zurück zu ihrem Wohnhaus an der Droote. Die 34-Jährige hält sich ihren Bauch. In wenigen Tagen soll das Kind kommen. Als sie auf eine weiche Matratze tritt, schwankt sie.

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Es ist Sonntag, der Tag nach der ersten gebührenfreien Sperrmüll-Abholaktion in Dortmund. Am Samstag ging es mit dem Stadtbezirk Scharnhorst los. Alle Bürger konnten ihren Sperrmüll an den Gehwegrand stellen, die EDG nahm ihn gebührenfrei mit.

An manchen Stellen im Stadtbezirk Scharnhorst türmt sich nach der gebührenfrei Sperrmüll-Aktion der EDG weiter der Müll. Die EDG-Mitarbeiter hätten es nicht mehr geschafft, ihn abzutransportieren, heißt es vom Entsorgungsunternehmen. Privatgelände dürfen die Müllwerker ohnehin nicht betreten.

An manchen Stellen im Stadtbezirk Scharnhorst türmt sich nach der gebührenfrei Sperrmüll-Aktion der EDG weiter der Müll. Die EDG-Mitarbeiter hätten es nicht mehr geschafft, ihn abzutransportieren, heißt es vom Entsorgungsunternehmen. Privatgelände dürfen die Müllwerker ohnehin nicht betreten. © Lukas Wittland

Doch noch während die Aktion lief, wurde klar: Die 115 Beschäftigen werden an diesem Tag nicht mehr fertig. Und so sieht es am Sonntag in der Droote und in umliegenden Straßen in manchen Vorgärten aus wie auf einer Müllkippe.

Vor den Häusern liegt neben Sperrmüll auch eine Auto-Stoßstange

Besonders heftig ist es vor den Mehrfamilienhäusern mit den Hausnummer 41 und 43. Röhrenfernseher, ein Schaltplattenspieler, Berge von Kleidung, alte Familienfotos in großen Kartons – alles ist auf dem Rasen vor den Wohnhäusern und auf den Zuwegen verteilt.

Und das, was dort liegt, ist eben kein Sperrmüll. Dazu werden beispielsweise alte Schränke gezählt oder Waschmaschinen, aber keine Familienfotos und erst recht nicht die Stoßstange eines Autos, die ebenfalls auf dem Rasen liegt.

Vieles, was im Vorgarten der Häuser mit der Nummer 41 und 43 liegt, ist kein Sperrmüll. Jemand hat die Stoßstange eines Autos dort abgeladen.

Vieles, was im Vorgarten der Häuser mit der Nummer 41 und 43 liegt, ist kein Sperrmüll. Jemand hat die Stoßstange eines Autos dort abgeladen. © Lukas Wittland

Die Anwohner fragen sich nun, wer für die Kosten aufkommt. „Mein Mann ist Alleinverdiener, wenn das auf die Nebenkosten kommt ...“, Stephanie Butt stockt kurz. „Da muss jemand etwas tun. Aber wir sind machtlos, wenn andere Mieter meinen, hier alles hinzuschmeißen oder auch Menschen aus anderen Stadtteilen hier hinkommen und sagen ,hier gibt es schon einen riesigen Berg, dann schmeißen wir noch alles dazu‘.“

Müllsammler durchsuchten in der Nacht den Müll in Scharnhorst

Über die Nacht von Samstag auf Sonntag sei es sogar noch mehr geworden. Stephanie Butt zeigt auf einen grünen Sessel. „Der lag hier gestern noch nicht“, sagt sie.

Auch Yüksel Keskin hat mitbekommen, wie Menschen ihren Müll bereits in der Nacht zu Samstag abgestellt haben, die nicht in den Häusern an der Droote wohnen. Er habe nicht schlafen können, weil viele Menschen in den Müllbergen vor seinem Fenster gewühlt hätten. Auch unser Reporter hat sehr viele Sammler mit Transportern beobachtet, die sich gut erhaltene Möbel oder Altmetall herausgesucht haben. Mit Kennzeichen aus der Umgebung Dortmunds, sogar Düsseldorf war dabei.

Der Anwohner Yüksel Keskin ist sauer über die Müllberge vor seiner Haustür. „Auf Deutsch gesagt: Das sieht richtig scheiße aus und ich muss mir das jetzt anschauen."

Der Anwohner Yüksel Keskin ist sauer über die Müllberge vor seiner Haustür. „Auf Deutsch gesagt: Das sieht richtig scheiße aus und ich muss mir das jetzt anschauen." © Oliver Schaper

Über die Müllberge stört sich Yüksel Keskin, der selbst in den Häusern wohnt. Er habe selbst keinen Sperrmüll abgestellt. In sein Wohnhaus sei er wegen des Mülls schon am Freitagabend nicht mehr gekommen, musste einen Umweg gehen. Die Treppenstufen, die zum Haus führen, sind unter dem Müll nicht mehr zu erkennen.

„Ich hätte eigentlich gedacht, dass am nächsten Tag alles weg ist“

„Ich hätte eigentlich gedacht, dass am nächsten Tag alles wieder weg ist“, sagt der 53-Jährige, der seit über zehn Jahren dort wohnt. „Auf Deutsch gesagt: Das sieht richtig scheiße aus und ich muss mir das jetzt anschauen. Wie lange soll ich damit leben? Ich bin sprachlos, wenn ich das hier sehe.“

Yüksel Keskin geht sogar so weit und sagt: „Das sollen sie nicht noch mal machen, ich bin nicht dafür.“ Dabei findet er die Idee an sich nicht schlecht. Bei der Umsetzung sei aber einiges schiefgelaufen.

Stadtbezirksbürgermeister Werner Gollnick (CDU) steht in der Groote vor einem riesigen Berg Müll. Er sorgt sich, dass bei den heißen Temperaturen Ratten und anderes Ungeziefer angezogen werden.

Stadtbezirksbürgermeister Werner Gollnick (CDU) steht in der Groote vor einem riesigen Berg Müll. Er sorgt sich, dass bei den heißen Temperaturen Ratten und anderes Ungeziefer angezogen werden. © Lukas Wittland

Auch Bezirksbürgermeister Werner Gollnick beschönigt die Aktion nicht: „Es hat an vielen Stellen hervorragend funktioniert. Leider sind es aber keine Ausnahmefälle, in denen es nicht gut funktioniert hat. So haben wir uns das auch nicht vorgestellt, dass neben Sperrmüll sämtlicher Unrat abgestellt wird.“ Er blickt über den Müllhaufen und zählt exemplarisch Kühlschränke, Farbeimer und Autoreifen auf.

„Man sollte hier nicht alle über einen Kamm scheren“

Während Gollnick dort steht, fährt ein silberner Kombi vorbei. Aus dem offenen Fenster ruft ein Mann: „Das ist Scharnhorst.“ Dem Bezirksbürgermeister ist das ein Ärgernis. „Man sollte hier nicht alle über einen Kamm scheren. Das Ziel der Aktion sei gewesen, das illegale Abkippen von Müll zu verhindern. Leider haben wir es den Leuten aber noch leichter gemacht.“

Der Stadtbezirk Scharnhorst sei unterschiedlich strukturiert, sagt der CDU-Politiker. „Es gibt Ein- und Zweifamilienhaus-Siedlungen, es gibt Großsiedlungen und dementsprechend gibt es auch unterschiedliche Ergebnisse.“ Das in der Droote falle sehr schlecht aus.

Trotz der genannten Probleme, gebe es laut EDG-Sprecherin Petra Hartmann aber auch ganz viele Bewohnerinnen und Bewohner in Scharnhorst, die sich an die Vorgaben gehalten hätten, die richtigen Gegenstände zum Sperrmüll an den Straßenrand gestellt hätten. Unser Reporter hat das vor allem in ländlicheren Gegenden oder an Einfamilienhäusern beobachtet.

Ob der erste kostenlose Sperrmülltag erfolgreich war, konnte Hartmann am Samstag noch nicht sagen. Das müsse man auswerten. Dann könne man auch sagen, was man bei den zukünftigen Aktionen in den weiteren Stadtteilen anders machen muss.

Schwangere sorgt sich um Rettungswege

Ein Problem, das neben dem unterschiedlichen Unrat, der abgelagert worden ist, besteht, ist, dass Mitarbeiter der EDG bei der Aktion Privatgelände nicht betreten dürfen. Da der Müll auf der Wiese des Mehrfamilienhauses liegt, muss nun mit den Wohnungsgesellschaften geklärt werden, wie es mit den Müllbergen weitergeht.

Er halte die Aktion grundsätzlich weiterhin für eine gute Idee, sagt Gollnick. „Dass es so ausgeufert ist, ist eine Katastrophe.“ Man müsse sich jetzt schnell Gedanken machen, wie man die gebührenfreie Sperrmüllsammlung anpasse.

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Noch schneller müsse aber der Müll verschwinden. Gollnick sorgt sich um Ratten und anderes Ungeziefer. „Gerade bei den Temperaturen ist das ein Riesen-Problem. Deshalb gilt es, hier schnell für Ordnung zu sorgen.“

Auch Stephanie Butt hofft, dass der Müll schnell verschwindet – vor allem mit Blick auf ihr ungeborenes Kind. Die Zuwege zum Haus sind zugestellt. „Passiert irgendwas und hier muss ein Rettungswagen oder die Feuerwehr hin, kommen die nicht durch“, sagt die 34-Jährige. „Ich würde mich freuen, die Aktion würde wiederkommen. Und dann hoffe ich einfach, dass es besser abläuft.“

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