Riesen-Banner am Rathaus erinnert an Paul Hirsch Er hat Dortmund zur heutigen Großstadt gemacht

Späte Ehrung für jüdischen Bürgermeister mit Transparent am Rathaus
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Das Transparent am Gerüst vor dem Rathaus am Friedensplatz gibt Rätsel auf - ganz bewusst. „Bürgermeister. Dortmunder. Vergessen?“ steht dort weiß auf schwarz. Das Rätsel lässt sich lösen. Gemeint ist Paul Hirsch, der vor fast 100 Jahren der bislang einzige jüdische Bürgermeister Dortmunds war und nun eine später Ehrung erfahren soll.

Anlass für die Erinnerung an Paul Hirsch, der von 1925 bis 1932 Zweiter Bürgermeister in Dortmund war, ist ein besonderes Treffen: Vom 29. November bis 1. Dezember ist Dortmund Gastgeber des europäischen Bürgermeister-Treffens gegen Antisemitismus - offiziell „European Mayors Summit Against Antisemitism“.

260 Vertreter aus ganz Europa kommen dazu zusammen, um über Strategien gegen wachsenden Antisemitismus zu beraten - ein Anliegen, das nach dem Terrorangriff auf Israel und die damit verbundenen Auseinandersetzungen noch an Aktualität gewonnen hat.

Mit der Erinnerung an Paul Hirsch möchte man deutlich machen, dass jüdisches Leben in Dortmund immer zum Alltag gehört und Spuren hinterlassen hat, erklärt Oberbürgermeister Thomas Westphal. Im Fall von Paul Hirsch sind es sogar sehr bedeutsame Spuren.

Paul Hirsch war SPD-Politiker und preußischer Ministerpräsident, bis er 1925 als Bürgermeister nach Dortmund geholt wurde, um der Stadt aus der damaligen Krise zu helfen. Und das machte er tatkräftig. Er wollte Dortmund zu einer „aufgelockerten Industrie-Großstadt“ machen.

Eingemeindungen organisiert

Die dafür nötige Fläche wurde durch Eingemeindungen geschaffen. Paul Hirsch schuf mit einer Gemeindereform die Voraussetzungen für die Eingemeindung zahlreicher Gemeinden im Umfeld der Stadt, die 1928/29 vollzogen wurde. Dazu gehörten etwa auch Hörde und Mengede, die nun Teil Dortmunds wurden. Dortmund wurde damit zur Halbmillionen-Stadt und zwischenzeitlich bezogen auf die Fläche zur zweitgrößten Stadt in Deutschland nach Berlin.

Diese Struktur prägt die Stadt bis heute. „Die Stadt, wie wir sie heute kennen, gäbe es nicht ohne das Wirken von Paul Hirsch“, stellt Thomas Westphal fest.

Als Jude verfolgt

Paul Hirsch ist aber auch ein trauriges Beispiel dafür, dass Antisemitismus und Judenverfolgung nicht vor prominenten und verdienstvollen Menschen Halt gemacht haben. Schon Anfang der 1930er-Jahre kam es zu gewaltsamen Übergriffen, wurden die Fenster der Wohnung der Familie Hirsch mit Steinen eingeworfen. Ein Jahr vor Ende seiner Amtszeit trat Hirsch 1932 von seinem Amt zurück und zog mit seiner Familie zurück nach Berlin.

Doch die Schmähungen gingen weiter. Trotz der großen Verdienste um Dortmund weigerte sich die Stadt ab 1933, Hirschs Pension zu zahlen. Erst nach einem Rechtsstreit zahlte die Stadt noch ein Jahr. 1940 starb Hirsch an Unterernährung und Schwäche in Berlin.

Am Rathaus wird an den bislang einzigen jüdischen Bürgermeister Dortmunds erinnert.
Am Rathaus wird an den bislang einzigen jüdischen Bürgermeister Dortmunds erinnert. © Ruhland

Geehrt werden soll Paul Hirsch in Dortmund jetzt mit einem Wandgemälde am Rathaus, das im Rahmen des Bürgermeister-Treffens gegen Antisemitismus enthüllt wird. Dazu sind auch die Nachfahren von Paul Hirsch eingeladen. „Die Enkel haben sich sehr gefreut, dass ihr Großvater in unserer Stadt wiederentdeckt wird“, berichtet Westphal.

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