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Wilde Spekulationen um 92 neue Sozialwohnungen in Dortmund: Warum zieht hier keiner ein?
Wohnen in Dortmund
Die ersten Mieter sollten Ende 2017 einziehen. Mittlerweile sind die 92 Sozialwohnungen zwar fertig, aber Bewohner sucht man hier trotzdem vergebens.
Irgendwann hat Pfarrer Michael Mertins aufgehört zu zählen. „Vier, fünf Mal wurde der Einzugstermin bestimmt verschoben“, sagt er und schüttelt den Kopf. Wie viele andere Anwohner, die ebenso nicht nachvollziehen können, warum die 92 Sozialwohnungen im Karree Holtestraße, Ursulastraße und Klobestraße in Lütgendortmund noch immer leer stehen.
Von Anfang an war bei diesem Bauprojekt für anerkannte Flüchtlingsfamilien und Bürger mit Wohnberechtigungsschein der berühmte Wurm drin. Eigentlich sollten die ersten Mieter nämlich schon Ende 2017 einziehen. Dann war von Ende 2018 die Rede, schließlich vom ersten Quartal 2019. Es fehle an Handwerkern, lautete zwischendurch die Begründung der Stadt als Bauherrin.

Ein Teil der Außenanlagen muss noch gepflastert und hergerichtet werden. Rechts im Bild sind die Holzkuben zu sehen, die als Kellerersatzräume dienen. © Beate Dönnewald
Offizielle Begehung der Wohnanlage war bereits im November 2019
„Schließlich hieß es, die Bewohner ziehen zum 1. Januar 2020 ein“, so Michael Mertins, Seelsorger der Christus-Kirchengemeinde. Diese Info habe er während einer offiziellen Begehung Anfang November 2019 mit Vertretern der Stadt, des Generalunternehmens und des Architekturbüros erhalten, erzählt er. Seiner Meinung nach sei zu diesem Zeitpunkt alles fix und fertig gewesen.

Im Innenhof der Wohnanlage wurden bereits kleine Bäume gepflanzt. © Beate Dönnewald
Auch dieser Termin ist längst verstrichen, ohne dass die Kirchengemeinde auch nur einen einzigen neuen Nachbarn im Neubau gegenüber des Martin-Luther-King-Hauses begrüßen konnte. „Wir werden unser Willkommensfest nun am 5. September feiern, dann werden die neuen Bewohner wohl endlich eingezogen sein“, sagt der Pfarrer. Irgendwie sei das Ganze ja schon eine Lachnummer, meint er.
Mittlerweile gibt es einen neuen Einzugstermin. Ende April 2020 soll die kleine Geisterstadt mit Leben gefüllt werden. „Das hat mir das Sozialamt am 22. Januar per Mail mitgeteilt, ohne aber eine Begründung für die weitere Verzögerung zu nennen“, so Mertins. Er habe irgendwas von einem Rechtsstreit wegen des Blockheizkraftwerks gehört, sagt er und zuckt mit den Schultern.

Auch die Briefkästen beweisen: Hier ist noch niemand eingezogen. © Beate Dönnewald
Am Mittwoch (29. 1.) beginnt die mehrtägige Abnahmephase
Ja, die Wohnungen würden ab April 2020 bezogen, bestätigt Stadtsprecher Christian Schön auf Anfrage dieser Redaktion. „Am Mittwoch (29. 1.) beginnt die mehrtägige Abnahmephase durch ein baufachliches Beratungsunternehmen“, so Schön.
Tatsächlich seien die Wohnungen erst jetzt fertig geworden, auch wenn man als Außenstehender einen anderen Eindruck haben könnte. „Technische Installationen haben sich verzögert, weil Fachfirmen Termine nicht eingehalten haben.“ Es seien am Ende tatsächlich nur „ein paar Kleinigkeiten“ gewesen. Doch wenn ein Subunternehmer ausfalle, verzögere sich eben alles.

Das Blockheizkraftwerk ist bereits in Betrieb, erkennbar am Dampf. © Beate Dönnewald
Nun hoffe man, dass sich während der Abnahme keine großen Mängel zeigen werden, denn die Auflagen für sozialen Wohnungsbau seien hoch. „Über mehrere Tage wird sich hier alles im Detail angesehen.“ Die Stadt sei aber zuversichtlich, mögliche Mängel rechtzeitig bis zum Einzugstermin beheben zu können.
Für Pfarrer Mertins ist der monatelange Leerstand auch aus noch einem anderen Grund sehr ärgerlich. „Je länger sich hier nichts tut, desto mehr Gerüchte machen die Runde.“ Einige sagten, der Boden sei verseucht, deshalb dürfe niemand einziehen, andere behaupteten, „das Ganze werde wieder abgerissen.“
Bodenuntersuchungen im Vorfeld der Bauarbeiten
Weder das eine noch das andere stimmt. „Natürlich gab es im Vorfeld der Bauarbeiten Bodenuntersuchungen“, so Stadtsprecher Schön. Daran kann sich auch Pfarrer Mertins noch gut erinnern. „Hier stand im Zweiten Weltkrieg eine Art Bunker, das Areal wurde lange und gründlich untersucht. Aber das haben die Leute nicht mehr im Kopf.“
Apropos „Im Kopf haben“: Michael Mertins hat nicht vergessen, dass zum Wohnprojekt auch ein neuer Kindergarten gehört. „Mit dem Bau wurde noch gar nicht begonnen. Mieter, die jetzt mit kleinen Kindern einziehen, werden ihn wohl nicht mehr nutzen können.“
1968 geboren und seit über 20 Jahren Redakteurin bei Lensing Media. Zuständig für den Dortmunder Westen mit seinen Stadtbezirken Lütgendortmund, Mengede und Huckarde sowie für die Stadt Castrop-Rauxel.
