
© Joscha F. Westerkamp
So viel Dortmund wie noch nie im Tatort: Das sind die Gründe
Set-Besuch beim Dortmund-Tatort
Zu wenig Dortmund, zu viel Köln: Diese Kritik gab es schon oft am Dortmund-Tatort. Doch nun drehten Faber und Co. so viel wie noch nie in der Stadt. Warum? Ein Besuch am Set lieferte Antworten.
Auf dem Vorplatz des Dortmunder U stehen mehrere große weiße Anhänger, dazwischen auch ein Imbiss- und ein Toilettenwagen. In der Mitte sitzen Leute an Tischen, essen zu Abend. Die Fläche ist eingezäunt und von vielen weiteren Fahrzeugen umgeben – auch ein Polizeiauto steht davor.
Doch ein Blick auf das Nummernschild des Polizeiwagens zeigt, dass hier etwas besonders ist. Statt mit „NRW“ zu beginnen, hat das Polizeiauto eine Kölner Zulassung. Und Schilder an der Seite erklären auch, wieso: Hierbei handelt es sich um ein Filmrequisit.

Einer der Drehorte der neuen Folge des Dortmund-Tatorts: der zum Kumpel-Kiosk umfirmierte Bergmann-Kiosk am Wall nahe des U-Turms © Felix Guth
Um zu erfahren, für welchen Film, reicht ein genauerer Blick auf die Wagen im Inneren der eingezäunten Fläche: Auf vielen von denen stehen nämlich Namensschilder – und die könnten so einigen Dortmunder bekannt vorkommen. „Rosa Herzog“ steht an einer Tür, „Peter Faber“ an der anderen.
Es sind die Dreharbeiten für den Dortmunder Tatort. Die vielen Wagen bieten Raum für Schauspieler, Regie, Produktion, Redaktion, Maske und Co. Während fast alle gemeinsam zu Abend essen, geht die Sonne gerade unter. Für sie ist erst die erste Hälfte des Drehtages vorüber – gleich folgt noch ein Nacht-Dreh an der Münsterstraße.
Dreharbeiten seit dem 3. Mai
Seit dem 3. Mai laufen in Dortmund die Dreharbeiten für eine neue Tatortfolge mit dem Titel „Tatort – Love is Pain“. Ausgestrahlt wird die voraussichtlich 2023, sie spielt dann zwei Folgen nach dem Tod von Martina Bönisch (Anna Schudt) am Ende der zuletzt erschienenen Folge „Liebe mich“.
Die erste Post-Bönisch-Folge wurde bereits gedreht, wird aber nach aktuellem Plan auch erst 2023 gesendet. In ihr geht es Peter Faber nach dem Tod von Martina Bönisch gar nicht gut. Er ist die ganze Zeit über offiziell krankgeschrieben und ermittelt nur beiläufig.
Die Leitung unter den Kommissaren übernimmt „kommissarisch“ Rosa Herzog (gespielt von Stefanie Reinsperger) – diesen Kalauer benutzt Herzog selbst im Gespräch mit unserer Redaktion.

Stefanie Reinsperger spielt Rosa Herzog. © Joscha F. Westerkamp
Sie beschreibt ihre Entwicklung in den beiden Filmen nach Martina Bönisch' Tod so: „In dem Team hat sich die Konstellation geändert. Und Rosa hat vor allem eine sehr, sehr, sehr traumatische Erfahrung hinter sich – das hat sie verändert. Das hat sie ein bisschen härter gemacht. Aber in dem neuen Film wird sie wieder von ihrer Vergangenheit eingeholt, weil ihre Mutter wieder Kontakt mit ihr aufnimmt. Da hat sie wieder ganz schön viel an Gepäck, was sie abarbeiten muss.“
Wird das Team Pawlak/Herzog jetzt noch wichtiger, wo es in der Überzahl ist? „Wir sind ein Ensemble. Es gibt immer wieder einen, der einen größeren Solopart hat, und die anderen sind hinten“, antwortet Reinsperger. „Es ist ein Ping Pong, hin und her. Aber alle drei haben ihre Sachen, die sie abarbeiten müssen, und die führen sie wie automatisch wieder zusammen und stärken sie.“
Peter Faber kehrt zurück in den Dienst
Zur Folge „Love is Pain“ ist Peter Faber zurück im Dienst. „Nach ungefähr einem Jahr, nachdem Martina Bösch tot ist, hat Faber es jetzt geschafft, wieder als Ermittler anzufangen“, sagt Darsteller Jörg Hartmann.
„Er ist da sehr zögerlich, so kennt man ihn kaum, hat wirklich eine lange Zeit gebraucht, um ins Leben zurückzufinden“, erzählt Hartmann. „Der arme Faber hat einiges abgekriegt und man hat sich bestimmt gefragt, wie er denn überhaupt das überleben wird. Und das sehen wir natürlich in dem Teil, den wir schon abgedreht haben – aber er hat es geschafft. Er lebt immer noch, er fängt wieder an. Er ist hart im Nehmen.“
Die grobe Handlung von „Love is Pain“ verrät WDR-Redakteur Frank Tönsmann, der von Beginn an für den Dortmund-Tatort verantwortlich ist: „Ein Mörder versucht überhaupt nicht, sein Gesicht zu verbergen. Er bringt jemanden um und schaut dann direkt in eine Überwachungskamera. Dann gibt es einen zweiten Mord und es scheint erst mal keine Verbindung zu geben – außer dem ‚modus operandi‘. Die Kommissare versuchen, eine Verbindung zu finden und herauszufinden, was da wohl für eine Psyche des Täters dahintersteckt, die ihn so agieren lässt.“
Das Überwachungskameramaterial helfe zunächst kaum weiter, weil der Täter nicht polizeibekannt sei und Staatsanwalt Matuschek (Moritz Führmann) die Bilder noch nicht veröffentlichen wolle, erzählt Tönsmann. Doch erhält das Team jetzt wieder eine vierte Person zur Unterstützung: Polizeibeamtin Beate Gräske (Sar Adina Scheer) hilft bei der Suche nach dem Täter, denn sie kann besser Gesichter wiedererkennen als jeder andere im Team, sogar besser als die Technik.
So viel Dortmund wie selten zuvor
Was Dortmunder ganz besonders freuen dürfte: In „Love is Pain“ wird eine ganze Menge Dortmund zu sehen sein. „Wir sind sieben Drehtage in Dortmund“, sagt Produzentin Roswitha Ester. „Wir drehen unter anderem in der Münsterstraße, am Bergmann-Kiosk – der bei uns ‚Kumpel-Kiosk‘ heißt –, im Betriebshof der Straßenbahn und auch in der Straßenbahn selbst. Die fährt netterweise für uns eine Schleife am Stadion vorbei.“
So viel Dortmund wie im Moment habe es noch nie zuvor gegeben. „Sieben Drehtage hier, beim letzten Mal der Rekord von neun Tagen – Sie erleben gerade die Hoch-Zeit“, sagt Jörg Hartmann.
Dass so viel Dortmund zu sehen ist, hat zwei Gründe. Der eine ganz simpel: „Wir wollten das gerne“, so Roswitha Ester, die zusammen mit ihrem Kollegen Torsten Reglin erstmals den Tatort produziert. „Wenn man die Motive richtig zeigt – so, dass man sieht, dass das Dortmund ist – ist das was Besonderes. Wir wollten gerne eine gewisse Atmosphäre entstehen lassen.“
Und der andere Grund: „Der Täter bewegt sich im Film sehr frei in der Stadt“, so Tönsmann. „Es wäre durch die Bilder gar nicht möglich gewesen, das in Köln zu drehen.“ Dass nicht einfach alles in Dortmund entsteht (sondern das meiste nach wie vor in Köln), habe schlicht Kostengründe, so Tönsmann. „Als öffentlich-rechtliches Unternehmen muss man immer abwägen zwischen dem Anspruch, dem Regionalen gerecht zu werden, und möglichst sparsam zu sein.“
Wie oft wird Jörg Hartmann in Dortmund erkannt?
Auch Hauptdarsteller Jörg Hartmann kommt ursprünglich aus der Region, er ist in Herdecke aufgewachsen. Nach Dortmund komme er privat zwar eher selten, sagt er, eigentlich nur zweimal im Jahr für die Dreharbeiten. Aber wenn doch: Kann Tatort-Star Jörg Hartmann dann noch in Ruhe auf dem Westenhellweg eine Currywurst essen gehen?
Über diese Frage muss er lachen. „Zu Corona-Zeiten war das ganz gut“, sagt er. „Da hatten alle Masken auf, das hat ein bisschen geholfen, dass mich weniger erkennen. Aber selbst noch mit Kappe und Sonnenbrille ist es mir manchmal passiert, dass man mich erkannt hat. Es ist aber Gott sei Dank nicht so, dass mich jeder erkennt und anspricht.“
Am Set gilt noch immer 2G+
Während vielerorts Corona vorbei zu sein scheint, gilt am Tatort-Set noch 2G+. Sie haben dafür einen eigenen Test-Wagen, direkt neben dem von Peter Faber.
Dessen Darsteller Jörg Hartmann kann auch erklären, warum es noch so wichtig ist, das Risiko zu minimieren: „Beim letzten Tatort hatten wir acht Tage Unterbrechung wegen Corona. Da haben wir echt gezittert. Wir hätten es eigentlich keinen Tag länger drehen können, weil wir auch Anschlussprojekte hatten. Aber wir sind hier noch sehr streng, klar.“
Gebürtiger Ostwestfale, jetzt Dortmunder. In der zehnten Klasse mit Journalismus und Fotografie angefangen. Liebt es, mit Sprache zu jonglieren – so sehr, dass er nun schon zwei Bücher übers Jonglieren geschrieben hat.