So prachtvoll war Dortmunds erstes Stadttheater Gebaut wurde unter großem Zeitdruck

Eröffnung vor 120 Jahren: So prachtvoll war Dortmunds erstes großes Theater
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Dortmunds Theaterfreunde hoffen auf einen baldigen Baustart für die „Junge Bühne“ am Hiltropwall und später möglichst auch auf einen Neubau für das Schauspielhaus. Wenn am Wall tatsächlich einmal gebaut wird, dürfte man unter dem bestehenden Schauspielhaus mit großer Wahrscheinlichkeit auf die Überreste eines prachtvollen Theaterbaus stoßen, der Anfang des 20. Jahrhunderts das Stadtbild geprägt hat. Das Stadttheater von Martin Dülfer wurde vor 120 Jahren - am 17. September 1904 - eröffnet.

Die prachtvolle Synagoge (r.) war Nachbar des Stadttheaters. Es wurde 1938 auf Befehl der NS-Machthaber abgerissen. Heute steht hier das neue Opernhaus. Auf der linken Seite ist die frühere Oberpostdirektion zu erkennen.
Die prachtvolle Synagoge (r.) war Nachbar des Stadttheaters. Es wurde 1938 auf Befehl der NS-Machthaber abgerissen. Heute steht hier das neue Opernhaus. Auf der linken Seite ist die frühere Oberpostdirektion zu erkennen. © Stadtarchiv

Der Bau des Theaters war eine echte Bürgerinitiative. Schon 1864 hatten Dortmunder Theaterfreunde eine – zunächst erfolglose – Bittschrift an den Magistrat für den Bau eines angemessenen Theaters für die damals rasant wachsende Stadt verfasst. Aber die Bürger forderten nicht nur, sie taten auch etwas: 1891 stiftete der Geheime Kommerzienrat Julius Overbeck, Inhaber einer der größten Stearin- und Kerzenfabriken Deutschlands, die stolze Summe von 30.000 Mark als Grundstock für einen Theaterbau-Fonds. 1899 trat erstmals eine „Kommission zur Vorberatung des Stadttheater-Neubaus“ zusammen.

Und es wurde weiter gesammelt. 500.000 Mark kamen so zusammen. Sie wurden der Stadt mit der Vorgabe zur Verfügung gestellt, dass der Theaterbau spätestens am 1. Juli 1902 beginnen sollte.

Exakt an diesem Tag wurde dann tatsächlich der erste Spatenstich für einen Theater-Neubau am Hiltropwall 15 gesetzt – dort, wo heute das Schauspielhaus steht, und in unmittelbarer Nachbarschaft der großen Dortmunder Synagoge. Den Entwurf für den Theaterbau lieferte als Sieger eines Architektenwettbewerbs der Münchener Architekt Martin Dülfer. 1200 Plätze bot der fast 20 Meter hohe und von einer Stuckdecke gekrönte Zuschauerraum mit Parkett und drei hoch aufragenden Rängen. Ausstattung und Bühnentechnik waren hochmodern.

1200 Plätze auf hochaufragenden Rängen bot das Stadttheater.
1200 Plätze auf hochaufragenden Rängen bot das Stadttheater. © Archiv

Auch von außen machte das Theater Eindruck. Die mächtige Werksteinfassade wurde von zwei fünf Meter hohen Skulpturen überragt, die einen von Pantern gezogenen ägyptischen Streitwagen mit Wagenlenker darstellten. Und über dem Portal prangte der von Stadtbaurat Karl Marx formulierte Vers: „Nimmer entbehre die strebende Stadt der veredelten Künste. Opferfreudiger Sinn baute den Musen dies Heim.“

Ein echter Prachtbau direkt am Wall war das Stadttheater - hier eine Postkarte von 1908.
Ein echter Prachtbau direkt am Wall war das Stadttheater - hier eine Postkarte von 1908. © Archiv

Nur 20 Monate Bauzeit waren für das monumentale Gebäude in einer Mischung aus Jugendstil und Neoklassizismus angesetzt. Unmittelbar vor der Eröffnung des Hauses berichteten die Dortmunder Zeitungen, dass noch am gleichen Tage die letzten Arbeiten am Eingang ausgeführt werden mussten. Am 17. September 1904 wurde das Theater schließlich feierlich mit einer Festvorstellung von Wagners „Tannhäuser“ eingeweiht.

Ein „Festtag“ für Dortmund

Stadtspitze und die Honoratioren – allen voran die „opferfreudigen“ Mäzene – feierten das neue Symbol für die wachsende Großstadt und die bürgerliche Kultur. „Es war einer der Festtage, wie sie Dortmund in seiner Geschichte nur ganz selten zu verzeichnen hat“, bilanzierte der Theaterhistoriker Arthur Mämpel. Einen Tag später folgte als erstes Schauspiel im neuen Haus die Premiere von Schillers „Wilhelm Tell“.

Der Theaterbau von Martin Dülfer am Wall.
Der Theaterbau von Martin Dülfer am Wall. © Archiv

Der Theater-Alltag war weniger prachtvoll. Gerade einmal bei 50 Prozent lag die Platzauslastung in der ersten Spielzeit. „Das große Dortmunder Publikum muß wohl erst zur Oper erzogen werden“, hieß es damals in der Presse. Immer wieder haperte es am Geld, später sorgte der Erste Weltkrieg für einen Einschnitt, bevor das Theaterleben in den 1920er Jahren aufblühte. Von einer „glanzvolle Zeit“, berichten die Chronisten Mitte der 1920er Jahre.

Auch die Foyerräume des Theaters waren prachtvoll ausgestattet.
Auch die Foyerräume des Theaters waren prachtvoll ausgestattet. © Archiv

Doch Weltwirtschaftskrise und die Machtübernahme der Nationalsozialisten sorgten für den nächsten Einbruch. Nicht, dass die neuen NS-Machthaber den Prachtbau nicht genutzt hätten. Im Gegenteil: Vom Balkon des Stadttheaters nahm Adolf Hitler am 9. Juli 1933 eine Parade der SA auf dem Hiltropwall ab.

Auch künstlerisch legte sich mit der NS-Herrschaft ab 1933 ein Schatten über das Dortmunder Theaterleben. Moderne Opern- und Schauspiel-Literatur war nun wieder passé. Jüdische Künstler wurden aus den Besetzungslisten getilgt. Sogar den Dülfer-Bau ließen die NS-Machthaber nicht unangetastet. 1937 verschwand der Jugendstil-Stuck des Zuschauersaals, das Haus wurde „purifiziert“.

In den 1920er-Jahre erlebte das Stadttheater eine Blütezeit.
In den 1920er-Jahre erlebte das Stadttheater eine Blütezeit. © Mielert/Sammlung Klöpper

Das endgültige Aus des stolzen Theaterbaus brachte der Zweite Weltkrieg. Schon am 1. März 1943 – noch vor den ersten Großangriffen britischer Flieger im Mai 1943 – wurde das Stadttheater von ersten Bomben getroffen. Die große Bühne war ausgebrannt und nicht mehr nutzbar. Doch es wurde im Theaterfoyer, im Olympia-Theater am Burgwall, im Corso am Westenhellweg und im Haus der Gesellschaft Casino weitergespielt.

Im Bombenkrieg zerstört

Am 1. September 1944 wurden schließlich auf Anordnung des Propagandaministeriums alle Theater geschlossen. Und der stolze Theaterbau von Martin Dülfer versank mit dem Großangriff britischer Bomber auf die Dortmunder Innenstadt am 6. Oktober 1944 weitgehend in Schutt und Asche.

Die Außenfassade des Dülfer-Theaters war nach dem Bombenkrieg noch stehengeblieben.
Die Außenfassade des Dülfer-Theaters war nach dem Bombenkrieg noch stehengeblieben. © RN-Archiv

Nach dem Ende des Krieges standen noch ein Teil der Außenmauern und der stolzen Fassade. Theater konnte hier aber zunächst nicht mehr gespielt werden. Die ersten Theatervorstellungen fanden ab Oktober 1945 im Ruinensaal, einem Nebengebäude der alten Kirche in Aplerbeck, später in einem Wirtshaussaal in Marten, im Hoeschsaal in der Nordstadt, im Hörder Stiftshof und in verschiedenen Kinosälen statt.

Wo heute das Schauspiel zu Hause ist, war in den 1950er Jahren provisorisch das Opernhaus untergebracht - gewissermaßen auf den Grundmauern des Dülfer-Baus.
Wo heute das Schauspiel zu Hause ist, war in den 1950er Jahren provisorisch das Opernhaus untergebracht - gewissermaßen auf den Grundmauern des Dülfer-Baus. © RN-Archiv

Trotz der Not in den unmittelbaren Nachkriegsjahren wurde eifrig über den Wiederaufbau des Stadttheaters am Hiltropwall diskutiert, dessen ausgebrannte Ruine notdürftig gesichert wurde. Mit Bühnenvolksfesten, den „BüVoF“, versuchte man das Publikum für das Theater zu begeistern – und mit einer Lotterie Geld für einen Wiederaufbau der Bühne zu sammeln. 1949 fand das erste BüVoFe statt, das rund um das alte Theater am Hiltropwall eine Mischung aus Kultur und Kirmes bot. Es wurde in den folgenden Jahren eines der wichtigsten Festereignisse im Kalender der Stadt.

1966 wurde das heutige Opernhaus als Nachfolge-Bau für das Dülfer-Theater eröffnet.
1966 wurde das heutige Opernhaus als Nachfolge-Bau für das Dülfer-Theater eröffnet. © RN-Archiv

Beim Wiederaufbau setzte man aber zunächst auf eine kleine Lösung. Neben der Ruine des Dülfer-Baus entstand ein schlichtes kleines Opernhaus, das am 12. November 1950 mit Beethovens „Fidelio“ unter der Intendanz von P. Walter Jacob eröffnet wurde. Das Schauspiel blieb vorerst an der Lindemannstraße, bekam dann die Aula am Ostwall als neue Spielstätte. Später sollte dann das kleine Haus am Hiltropwall zum Schauspielhaus werden. 1954 wurde der Neubau eines Theaterkomplexes mit modernem Opernhaus beschlossen, das am 3. März 1966 feierlich eröffnet wurde. Der Dülfer-Bau hatte einen modernen Nachfolger bekommen.

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