Was im Januar für die Stadtverwaltung noch „nicht denkbar“ war, erscheint ihr mehr als sieben Monate später als ein durchaus gangbarer Weg: dass das Ensemble des Dortmunder Schauspiels auch dann noch auf der Bühne am Hiltropwall proben, spielen und sich vom Publikum feiern lassen wird, wenn nebenan Bauarbeiten für das neue Kinder- und Jugendtheater und die Junge Oper laufen. Andere werden allerdings so lange übergangsweise umziehen müssen - aber nicht nach Hörde, sondern wohl nur wenige Schritte weiter.
Auf Anfrage hat Stadtdirektor Jörg Stüdemann nach der Sommerpause hartnäckige Vermutungen bestätigt: Aus dem für August 2025 vorgesehenen Umzug des Schauspielhauses ins Schalthaus 101, dem Industriedenkmal auf dem ehemaligen Hoesch-Gelände Phoenix-West in Hörde, direkt neben „Phoenix des Lumières“, wird erst einmal nichts.
Wer das Hochofengelände kennt, wundert sich kaum darüber. Zwar hatte während der Corona-Pandemie das Kabarett- und Comedy-Festival „Ruhrhochdeutsch“ nicht im Spiegelzelt, sondern dort hinter den dicken Backsteinmauern stattgefunden, aber ansonsten lag der erst einmal überholte Riesenbau brach. Spaziergänger, die vom Phoenixplatz aus durch die offenen Fenster in die Riesenhalle lugen, ahnen, wie groß der Aufwand sein könnte, das Schalthaus für eine solche neue Aufgabe instand zu setzen.
2023 hatte die Stadt die Hochofenanlage mitsamt Vorplatz und Schalthaus wohl oder übel gekauft: ein Rückkauf, nachdem der kanadisch-niederländische Projektentwickler World of Walas nach dem plötzlichen Tod seines visionären Chefs Gerben van Straaten die Kraft verloren hatte, seine ambitionierten Pläne für das Herzstück von Phoenix-West zu verwirklichen: Das „World Innovation Center“, eine Kultur-, Freizeit-und Dienstleistungsoase mit internationalem Vorzeigecharakter und 1000 neuen Arbeitsplätzen, sollte entstehen. Seitdem liegt es im Dornröschenschlaf.

Vertragsabschluss steht bevor
Wie die Pläne der Stadt mit dem Zukunftsareal aussehen, ist noch offen. Zurzeit läuft eine Machbarkeitsstudie. Der Betrieb von zwei Theatern in der großen Schalthalle wäre in jedem Fall nur eine Übergangslösung gewesen. Geplant war ein doppeltes Haus-im-Haus-System: Jeweils eine Bühne und ein Zuschauerraum sollte „wie große Schuhkartons in die Halle“ gestellt werden, sagt Stüdemann. Auf der einen Seite für das KJT, auf der anderen Seite fürs Schauspiel. Diese Idee war entstanden, als noch nicht die baulichen Details bekannt waren. „Wir haben die Bauunterlagen zu Ostern bekommen“, ergänzt er. Danach stand schnell fest, dass aus zwei Ausweich-Theatern gleichzeitig nichts werden würde. Statik, Zeit und Geld sprechen dagegen. Aber es gibt inzwischen eine neue Option.
Stüdemann will öffentlich noch nicht zu viel verraten. Schließlich seien die Verträge noch nicht unterzeichnet. Aber so viel schon: „Es zeichnet sich ab, dass wir Räume werden nutzen können, die fußläufig in zwei bis drei Minuten vom Schauspielhaus aus erreichbar sind.“ „Wir“ heißt im engeren Sinne: die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bereiche Organisation, Verwaltung und Technik des städtischen Schauspielhauses. Denn für alle Beschäftigten sei nun wirklich kein Platz mehr, sobald die Bauarbeiten beginnen.
Kampf gegen die Kosten
Wann es so weit sein wird? Stüdemann rechnet mit 2026 - also etwa ein halbes Jahr später als zunächst gedacht. Mit den vorbereitenden Arbeiten des Baugrundes - dazu gehört etwa der Abriss der provisorischen Kinderoper und die Verlegung der Gasleitungen - könne aber schon in der zweiten Jahreshälfte 2025 angefangen werden.
Die Pläne, die anschließend zur Ausführung kommen werden, haben schon einen langen Vorlauf: Bereits Mitte Mai 2018 hatte der Stadtrat beschlossenen, einen Architektenwettbewerb auszuloben für die Junge Bühne, die künftig das Kinder- und Jugendtheater und die Junger Oper zusammenfassen soll. Zwei Jahre später stand der Sieger fest: das Büro JSWD aus Köln. Es hat einen kompakten, hohen Bau mit einem gläsernen, mehrgeschossigen Foyer entworfen. Eine Studiobühne mit rund 150 Plätzen soll die unteren beiden Stockwerke besetzen, darüber folgt die Hauptbühne mit 300 Plätzen und auf dem Dach eine Probebühne: eine „logische geometrische Ergänzung zu Riegel und ,Kuppel‘ der bestehenden Bühnenanlage“, wie die Jury lobte.
Dieser Siegerentwurf wurde inzwischen an mehreren Stellen abgespeckt. Dennoch: Mit zuletzt 80,5 Millionen Euro liegen die geplanten Baukosten nach wie vor deutlich über dem, was die Verantwortlichen 2018 als Obergrenze formuliert hatten: 32 Millionen Euro. Die Instandsetzung des Schalthauses 101 in Hörde für die Interimszeit wäre noch dazu gekommen. Noch gar nicht enthalten in den Plänen und Kosten: der Neubau des stark sanierungsbedürftigen Schauspielhauses.

Er rechne damit, „dass wir den Laden innerhalb der nächsten zwei Jahre dicht gemacht bekommen“, sagte Tobias Ehinger, Geschäftsführender Direktor am Theater Dortmund, mit Verweis auf die baulichen Mängel des Baus, der auf Ruinen des Stadttheaters aus dem Zweiten Weltkrieg steht. Das war im September 2023. Ob und wie lange es am bisherigen Standort gutgehen wird, ist offen. Die Pläne, auch das Schauspielhaus neu zu bauen, um irgendwann - zuletzt war von Mitte der 30er-Jahre die Rede - am Wall einen ansprechenden Theaterkomplex aus einem Guss zu haben, seien aber längst noch nicht so weit gediehen wie die für den Neubau der Jungen Bühne, sagt Stüdemann.
Spätestens wenn das Schauspielhaus tatsächlich neu gebaut oder auch von Grund auf saniert werden sollte, wird doch ein Ausweichquartier nötig. Ganz verzichten auf das Schalthaus 101 als Platz für Dramen und Komödien aller Art will Stüdemann daher nicht. „Wir brauchen es auf jeden Fall.“ Wenn auch später und nur für ein Theater und nicht zwei. Ob zumindest eine Spielstätte dort untergebracht werden kann, werde gerade geprüft, sagt der Dezernent, der nicht nur für Kultur, sondern auch für Finanzen zuständig ist. In vier bis fünf Wochen rechnet er mit einem Ergebnis.
Und was ist mit dem bisherigen Standort des 1953 gegründeten KJT´s an der Sckellstraße am ehemaligen Robert-Schumann-Berufskolleg? Dort bespielt eines der ältesten Theater in Deutschland, dessen Programm sich ausschließlich an junge Zuschauerinnen und Zuschauer wendet, Räume, für die Stüdemann und sein Team bereits eine künftige Nutzung im Blick haben. Das denkmalgeschützte Ensemble solle als Schulkomplex reaktiviert werden, sagt er.
Durch 17 Meter Fels
Wie genau das Nebeneinander von Kulturbetrieb und Baustellenbetrieb am Hiltropwall laufen soll, ist noch offen. „Sicher, wird es Einschränkungen geben müssen“, sagt Jörg Stüdemann, der Stadtdirektor, Kulturdezernent, Liegenschaftsdezernent und Kämmerer in Personalunion. Dabei müssen sich die Bauarbeiter 15 bis 17 Meter tief in den felsigen Untergrund graben. Immerhin: Die Kampfmittelprüfung ist bereits abgeschlossen.
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