600 Straßenkilometer hochgestuft

So erklärt die Stadt die besseren Noten für Dortmunds Straßen

Wie konnten innerhalb von fünf Jahren rund 600 Dortmunder Straßenkilometer auf dem Papier vom Sanierungsfall zu Vorzeigestraßen werden? Auf der Suche nach einer Erklärung für diese Frage ist die Stadt einen Schritt weiter. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum Thema.

DORTMUND

, 10.08.2016 / Lesedauer: 4 min

Laut Stadt Dortmund hat sich der Zustand der Preußischen Straße in Eving zwischen der Deutschen Straße und der Osterfeldstraße innerhalb von fünf Jahren von der Note 3 auf Note 2 verbessert; dort gebe es keine Renovierungsbedürftigkeit.

Worum geht's?

Die Verwaltung bewertet alle fünf Jahre die 1796 Straßenkilometer der Stadt nach Augenkontrolle und anhand eines Kriterienkatalogs mit Schulnoten von 1 bis 6. Die Noten 1 und 2 (grün) bedeuten "kein Unterhaltungsbedarf". Straßen mit 3 und 4 (gelb) sind "sanierungsbedürftig", mit 5 und 6 (rot) "dringend sanierungsbedürftig".

Bei den jüngsten Erhebungen 2009 und 2014 gab es erstaunliche Entwicklungen: 719 Kilometer Straße wurden gegenüber 2009 von sanierungsbedürftig auf Bestnoten hochgestuft, obwohl mindestens rund 600 Straßenkilometer nicht grundlegend erneuert worden waren.

Worauf stützt die Stadt die Datenerfassung?

Basis der Straßenzustandserfassung sind die "Empfehlungen für das Erhaltungsmanagement von Innerortstraßen" (E EMI 2012), herausgegeben von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen.

Ist der mit den Empfehlungen vorgegebene Kriterienkatalog für 2009 und 2014 identisch gewesen?

Nein, hat die Stadt am Dienstag in einer Presseerklärung mitgeteilt. Das Kriterium „Fahrdynamik“ für innerörtliche Straßen ist weggefallen – weil es dort kaum Einfluss auf die Verkehrssicherheit habe, erläuterte Stadtsprecher Frank Bußmann. 

Was hat das für Folgen für die Straßenzustandserfassung?

Ursprünglich negativ gewichtete Aspekte wie Spurrillen und mangelnde Griffigkeit des Fahrbelags hätten damit in 2014 nicht mehr zum Bewertungsmaßstab gehört, sagt Stadtsprecher Bußmann: „Weil also die Umsetzung des Kriteriums Fahrdynamik keine Rolle mehr spielt, kann das dazu führen, dass eine früher mit ,3’ beurteilte Straße ohne faktische Verbesserung mit ‚2’ bewertet wird.“

Gibt es noch weitere Gründe für die unterschiedliche Bewertung der Straßen zwischen 2009 und 2014?

Ja, die Datenbank basiert letztlich auf einer subjektiven Einschätzung der einzelnen Tiefbauamtsmitarbeiter, die die – laut Stadt – 19.000 Streckenabschnitte begehen und die Daten manuell in ein Computerprogramm eingeben. Auch teilweise kleinräumige Baumaßnahmen führen dazu, dass große Streckenabschnitte besser bewertet werden. Allein die Reparatur von defekte Abflussgittern in der Fahrbahn, so Bußmann, könne die Note einer sonst nahezu mängelfreien Straße von der Schulnote 4 auf 2 verbessern.

Erklären aber diese aufgeführten Punkte den vollen Umfang der Höherstufungen?

Nein, räumt Bußmann ein: „Deshalb werden diese Ergebnisse nun umfassend auf Plausibilität überprüft und analysiert.“ Damit wolle die Stadt auch dem möglichen Vorwurf einer bewussten Manipulation entgegentreten. 

Um was für eine mögliche Manipulationsvermutung könnte es gehen?

Es war die Frage aufgetaucht, ob sich die Stadt nicht mit besseren Straßen und damit mit besseren Vermögenswerten ihren Haushalt schöner rechnen kann. Aber durch reine Unterhaltungsarbeiten, so Bußmann, erfolge keine Vermögenssteigerung für den städtischen Haushalt. Bei der Datenbank handele es sich um eine rein technische Bewertung.

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Wurde die Stadt von dem Fehlerpotenzial im Verfahren mit der Datenbank überrascht?

Stadtsprecher Bußmann sagt Nein. Das Fehlerpotenzial sei schon bekannt gewesen, durch die Berichterstattung aber erneut deutlich geworden.

Hat die Stadt darauf auch im Vorfeld der Berichterstattung reagiert?

Ja, sie hat im Frühjahr 2015 ein Pilotprojekt auf den Weg gebracht. In Hombruch wurden dafür die Straßen mit einer Kamera befahren und die Daten so digital erfasst. Das beauftragte Ingenieur-Büro legte dabei dieselben Straßenabschnitte zugrunde wie zuvor das Tiefbauamt bei seinen Begehungen.  

Gibt es schon Ergebnisse?

Nein. Das Tiefbauamt erwartet in den nächsten Wochen die Auswertung und Bewertung von 1 bis 6. Anschließend werden die manuellen mit den digitalen Aufnahmen des Straßenzustands verglichen.

Wird die Stadt das digitale Verfahren künftig stadtweit anwenden?

Das hängt letztlich von den Kosten ab. 

Wozu gibt es überhaupt das Straßenzustandskataster?

Das Straßenzustandskataster hilft bei der Beurteilung der Unterhaltungsstrategie. Die Straßenerhaltung ist ein Sammelbegriff für Maßnahmen an Verkehrsflächen, die sowohl der Substanzerhaltung als auch der Wiederherstellung des Gebrauchswertes dienen.

Die Aufgabe des Straßenbetriebes ist es, frühzeitig im Rahmen der Straßenkontrolle und mit Hilfe der Straßenzustandsbewertung (Straßendatenbank) die technische Nutzungsdauer im Rahmen der betrieblichen Unterhaltung (Wartung) sowie bauliche Unterhaltung z. B. durch Kleinstreparaturen, Rissesanierung etc. zu erhalten. Wenn dies nicht mehr wirtschaftlich möglich ist, werden die entsprechenden Straßenabschnitte in ein Bauprogramm aufgenommen.  

Was bedeutet die Bewertung nach Schulnoten?

Der Zustand des Straßenabschnittes wird analog zu Schulnoten bewertet. Das ist aber nicht gleichbedeutend mit einer Priorisierung von Sanierungsmaßnahmen nach dem Verfahren „Erst die ganz schlechten Abschnitte, dann die besseren“. Die Instandhaltung bezieht die Bedeutung der Straße in ihre Bewertung mit ein. So kann eine mit „4“ klassifizierte wichtige innerörtliche Verbindung eher in Angriff genommen werden als eine Sackgasse in einem kleinen Wohngebiet, die unter Umständen mit „6“ benotet wurde.