„Wir müssen neu anfangen!“ Investor Thelen will nach Smart-Rhino-Aus „die Uhren auf Null stellen“

Smart Rhino-Investor: „Wir müssen die Uhren auf Null stellen“
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Nach mehr als fünf Jahren galt das Projekt Smart Rhino Anfang Juli als gescheitert. Die Öffentlichkeit erfuhr per Pressemitteilung, dass das Projekt „unwirtschaftlich“ sei. Wie erklären Sie sich als Investor das Aus?

Vorab: Es war für uns ein Herzensprojekt! Als Familienunternehmen gehen wir so ein Großprojekt mit anderen Perspektiven an, schauen bis in die zweite und dritte Generation. Wir wollten einen zukunftsfähigen Lebensraum schaffen, immerhin schreibt man ja so unweigerlich auch Stadtgeschichte mit. Warum das Projekt nun letztendlich nicht zustande kam, können wir nicht beurteilen. Fakt ist: Die Idee, die Fachhochschule dort komplett mitanzusiedeln, wurde an uns herangetragen und wir hatten das Grundstück erworben.

Wie sehen Sie die Rolle der Stadt im Verlauf der Smart Rhino-Historie?

Die ersten zwei Jahre hat die Stadt Dortmund das extrem intensiv mit begleitet, allen voran in Person des damaligen Oberbürgermeisters Ullrich Sierau und des damaligen Planungsdezernenten Ludger Wilde. Wir mussten schließlich auch erst mal über die Idee schlafen, die Fachhochschule mit in das Projekt aufzunehmen. Wir hatten damals aber von der Stadt besten Zuspruch bekommen. Das muss ich an dieser Stelle betonen.

Wie hat sich das geäußert?

Wir waren mehr als positiv überrascht von der Geschwindigkeit, in der die vorbereitenden Planungen vorangeschritten sind – von der ersten Idee bis zu dem Zeitpunkt, als wir Entscheidungsgrundlagen auf dem Tisch hatten. Was danach erfolgt ist, entzieht sich unserer Kenntnis. Das können wir nicht beurteilen. Fakt ist, dass wir die Entscheidung bekommen haben, aber ohne tiefgehende Erläuterungen.

Gab es also vor und nach der Kommunalwahl von Stadtseite einen Unterschied im Einsatz für das Projekt? Wurde der Kontakt weniger?

Also seit gut zwei Jahren lagen die Entscheidungsgrundlagen vor, die wir beibringen konnten. Was danach passiert ist, wie, wo, was beschlossen werden musste, wissen wir nicht. Wir haben unseren Teil und immer das Bestmögliche beigetragen, um umgehend handeln zu können. Und das war schon sehr, sehr schnell in den ersten zwei Jahren.

Gescheitert ist die Realisierung daran, dass das Land die Fachhochschule nicht auf Flächen oder in Gebäuden der Thelen-Gruppe unterbringen wollte. Haben Sie in den letzten zwei Jahren bei den zuständigen Ministerien nachgehakt?

Wir haben genauso wie andere Akteure immer wieder versucht, ein Feedback zur Entscheidungsfindung zu bekommen. Aber letztlich werden die Entscheidungen immer auf Landesebene getroffen, das ist Aufgabe der Ministerien. Wir waren bei der Vorstellung eingebunden, haben auch die Stadt Dortmund unterstützt. Aber unsere Projektanalyse und unsere Wirtschaftlichkeitsbetrachtung sind immer von den gleichen Prämissen ausgegangen, die uns vorgegeben wurden. Und daran hat sich nie etwas geändert.

Diese Prämissen kann man auf ihrer Website nachlesen: entwickeln, umsetzen, vermieten, betreuen. Unter diesen Voraussetzungen sind Sie auch an Smart Rhino herangegangen?

Ja, wir sind ein ausgesprochener Bestandshalter. Daran hat sich auch nie etwas geändert. Wenn wir Mieter haben, die sich als Eigentümer fühlen wollen, haben wir das auch immer hinbekommen. Wir haben kein Problem damit, gemeinschaftlich Entwicklungen voranzutreiben. Für uns war von vorneherein – wie auch in allen anderen Fällen – klar: Das Grundstück verkaufen wir nicht. Wir stehen aber für alle möglichen alternativen Formen der Entwicklung, auch über verschiedene Zeithorizonte, zur Verfügung.

Ein Entwurf für  Smart Rhino mit der Fachhochschule im Zentrum.
Pläne von gestern: Smart Rhino mit der Fachhochschule im Zentrum wird es nicht geben. © Thelen Gruppe

Wie zum Beispiel in der Form einer gemeinsamen Entwicklungsgesellschaft mit der Stadt oder einer ihrer Töchter, in der Sie zum Beispiel als Teilhaber der Gesellschaft Grundstücke auf dem Areal einbringen?

Die Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen beziehungsweise Projektanalysen sind immer davon ausgegangen, dass es um ein Mietmodell ging. Das hat sich im Projektverlauf auch nie geändert.

Es ging also immer nur um das Mietmodell? Sie bauen, das Land mietet?

Genau.

Nach der Darstellung des Landes hat es bei Ihnen häufiger nachgefragt, zuletzt im Frühjahr, ob Sie nicht doch einen Teil der für die Fachhochschule vorgesehenen Fläche an das Land verkaufen wollen, nachdem sich Ende 2022 das Mietmodell für das Land nicht gerechnet hat.

Den Verkauf haben wir von vornherein ausgeschlossen. Die Frage nach einem Verkauf bekommen wir in vielen Fällen. Und die beantworten wir immer mit der gleichen Antwort: Nein, wir sind Bestandshalter. Deshalb hat sich auch im Projektverlauf nichts daran geändert. Also, das war von uns auch immer klar. Wie gesagt, wir hätten bei Smart Rhino jede Flexibilität eingeräumt, die uns im Rahmen eines Miet-Modells zur Verfügung steht. Das war auch von vornherein so kommuniziert.

Wie hätte die Flexibilität genau aussehen sollen?

Wie das im Detail ausgesehen hätte - jetzt immer im Konjunktiv gesprochen -, das hätte bis dahin niemand gewusst, weil es zu dem Schritt letztendlich nicht mehr gekommen ist.

Wie geht es jetzt weiter?

Jetzt geht es erst einmal darum, sich neu zu sortieren, Mit der Fachhochschule gab es einen Ankerpunkt, um diesen wurde das Umfeld entwickelt. Jetzt muss man gemeinsam bewerten: Was kann jetzt passieren, was macht noch Sinn? Jeder bringt auf Basis der bisherigen Planungen Vorstellungen mit, man ist voreingenommen. Von daher muss man jetzt einmal die Uhren auf Null stellen.

Alles wieder auf Anfang?

Ja, denn die Fragestellungen in diesem Umfeld sind sehr komplexe: Wo kann ich was ansiedeln? Was ergibt sich aus den Gutachten, die noch erstellt werden? Das muss man wirklich neu denken. Wir müssen außerdem die Geländetopografie einbinden und mit nutzen, das heißt, wo werden zum Beispiel Wasserflächen angesiedelt. Es geht schließlich nicht nur um die Entwicklung von 52 Hektar, sondern um die des gesamten Umfeldes. Das betrifft neben der Nutzung und Einbindung des Areals in sein Umfeld Fragen wie die der Mobilität und der gesellschaftlichen Struktur. Ob wir wollen oder nicht: Wir müssen neu anfangen!

Das Hoesch-Spundwand-Gelände an der Rheinischen Straße/Huckarder Straße
Das Hoesch-Spundwand-Gelände an der Rheinischen Straße/Huckarder Straße ist inzwischen saniert und aufgeräumt. © Blossey

Was heißt das für den Zeitplan?

Die jetzt entstandene Verzögerung müssen wir schon mal hinnehmen. Die Aufstellung eines Bebauungsplans wird sicherlich noch mehrere Jahre dauern. Diese Zeit ist einfach notwendig. Messlatte für die Fertigstellung der ersten Gebäude war immer die Internationale Gartenausstellung, IGA 2027. Der Zeitpunkt ist natürlich nicht mehr zu halten, keine Frage.

Was heißt das für die Ausgestaltung des Projekts? Wird es Wohnbebauung geben oder schließen Sie das aus?

Die Art der Ansiedlung war in dem ursprünglich zu Grunde liegenden Entwurf schon sehr überlegt. Das muss jetzt im Lichte der neuen Entwicklungen neu gedacht werden.

Die ursprünglichen Planungen sahen ein Wohnquartier an einem kleinen See vor. Kommt der jetzt noch?

Das wird man mit der Stadt gemeinsam bewerten müssen. Aber man sollte versuchen, sich von der einen oder anderen Idee zu lösen, um noch mal neu nachzudenken.

Wohnbebauung ist der Politik wichtig. Im Zusammenhang mit einem weiteren Großprojekt der Thelen Gruppe, Essen 51, gab es den Vorwurf, es gehe nicht richtig voran. Das könnte bei den Verhandlungen zu Smart Rhino auch eine Rolle gespielt haben, heißt es. Wie läuft das Projekt?

Wir haben für einen Teil einen gültigen Bebauungsplan, für einen Teil noch nicht. Wir sind zuversichtlich, auch für den weiteren Teil gemeinsam mit der Stadt zeitnah einen Bebauungsplan zu erzielen. Fakt ist: Wir sind derzeit eines der wenigen Unternehmen, die in der heutigen Zeit Neubauprojekte im Bereich Wohnen beginnen. Die meisten Big Player am Markt haben angekündigt, dass sie keine neuen Projekte anfangen werden.

Essen 51 ist in der Größenordnung in etwa vergleichbar mit der 52 Hektar großen HSP-Fläche. Wie viele Wohnungen bauen Sie in Essen?

Im vorgelagerten Krupp-Park sollen 550 Wohneinheiten in sechs Bauabschnitten errichtet werden. Die Zahl der Wohnungen in Essen 51 ist abhängig vom Bebauungsplan, aber da werden dann bestimmt noch mal 1500 Wohnungen entstehen.

Sie haben in den letzten Jahren viel Geld in die Vorarbeiten zu Smart Rhino gesteckt. Können Sie beziffern wie viel?

Wir haben interne wie externe Ressourcen verwendet – ein hoher sechsstelliger Betrag ist es sicherlich, wenn ich allein an die Gutachten-Erstellung denke. Alle Beteiligten haben das Projekt die letzten fünf Jahre intensiv begleitet.

Umso schmerzhafter, wenn jetzt alles auf Null gestellt wird. Sind Sie enttäuscht?

Alle Beteiligten haben gehofft, dass es gemeinsam funktionieren kann. Alle haben sehr hart daran gearbeitet und alles möglich gemacht, was möglich zu machen war. Natürlich entsteht in dem Moment, wenn ein solches Projekt zum Erliegen kommt, eine große Enttäuschung. Das brauchen wir nicht wegzudiskutieren. Aber der Historie hinterherzujammern, bringt nichts. Jetzt müssen wir gemeinsam nach vorn schauen und Lösungen entwickeln.

Fällt das leichter, wenn nicht noch zwei Ministerien – das für Bau und das für Wissenschaft – mit am Tisch sitzen?

Wir sind es gewohnt, mit der öffentlichen Hand, auch mit Ministerien, zusammenzuarbeiten. An anderen Stellen geht es ja auch – wir haben zum Beispiel in Essen das Regionale Trainingszentrum der Polizei entwickelt, das modernste in ganz Europa. Wir beteiligen uns an öffentlichen Ausschreibungen, das klappt alles sehr gut. Aber es geht eben auch um hohe Investitionssummen. Wenn es dann nicht zum Projekterfolg kommt, ist das bei dieser Euphorie, die geherrscht hat, schon eine Enttäuschung.

Für die neue Entwicklung der Hoesch-Spundwand-Fläche werden Sie mit der Stadt Dortmund zusammenarbeiten. Wie ist zurzeit die Atmosphäre zwischen der Thelen-Gruppe und der Stadtverwaltung nach dem Scheitern von Smart Rhino?

Stadt und Thelen-Gruppe sind als die beiden Hauptakteure in der Verantwortung. Wir haben heute mit dem Planungsdezernenten Herrn Szuggat und Oberbürgermeister Westphal andere Ansprechpartner als zu Beginn von Smart Rhino. Wir müssen jetzt gemeinsam nach vorne schauen und eine neue Projektierung finden, in welcher Ausgestaltung muss man sehen. Es gilt, eine zukunftsfähige Entwicklung auf den Weg zu bringen, von der wir dann hoffentlich wieder alle Beteiligten und den Rat überzeugen können. Nur das erfordert natürlich jetzt erstmal ein wenig Zeit.

Smart Rhino ohne FH – das ist viel weniger smart als anfangs geplant. Muss der Name jetzt geändert werden?

Nein, der bleibt. Die Menschen, die das Gelände eines Tages nutzen und bevölkern werden, haben das unter diesem Namen kennengelernt. Und wir werden ja auf jeden Fall smart bauen. Denn unser Schwerpunkt ist die Weiternutzung von ehemaligen Industriearealen – ob in Essen oder in Dortmund. Da sind immer smarte Lösungen gefragt.

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