Eine Silvester-Party bis zum frühen Morgen mit Knallerei und Alkohol, das muss er nicht haben. Kevin Bark ist Feuerwehrmann mit Leib und Seele. Der 37-Jährige ist dann da, wenn er gebraucht wird. Und in der Silvesternacht wird er gebraucht.
„Silvester ist nicht so mein Ding“, sagt er, „ich gönne es aber den Kollegen, die gerne feiern und übernehme deshalb den Nachtdienst.“ Der Hauptbrandmeister ist einer von über 30 Feuerwehrleuten oder Notfallsanitätern, die in der Silvesternacht ein Löschfahrzeug oder einen Rettungswagen fahren. Sein Wagen ist der 9RTW1. Die 9 steht für die Rettungswache 9 an der Haberlandstraße in Mengede/Nette - das ist „seine“ Wache.
„Ich habe noch kein Silvester erlebt, an dem ich mal in Ruhe mit den Kolleginnen und Kollegen in der Schicht anstoßen konnte. Nach null Uhr gibt es nur wenige Minuten Karenzzeit, dann geht es los“, sagt Kevin Bark. Hier eine Hecke in Flammen, da ein brennender Papiercontainer und schnell auch Verbrennungen durch falsches oder ungeschicktes Hantieren mit Böllern und Raketen.
„Eine zusätzliche Gefahr“
„So war es normal. In den vergangenen beiden Corona-Jahren waren die Silvesternächte wegen des Böllerverbots allerdings deutlich entspannter als in den Jahren davor“, sagt Kevin Bark. Er muss es wissen: seit 2010 ist er zum Jahreswechsel regelmäßig im Dienst.
Daher weiß er auch genau, was ihn diesmal wohl wieder erwartet. „Es gibt kein Böllerverbot mehr. Das heißt, es gibt damit eine zusätzliche Gefahr, die man berücksichtigen muss. Wir müssen wieder mehr auf unseren Eigenschutz achten.“ Erst recht gelte das, wenn es stürmisch werden sollte.
Wie viele Alkoholleichen er in all seinen Silvesterdienst-Nächten schon transportiert hat, hat Kevin Bark nicht gezählt. Er weiß aber, dass bei Vielem was bis zum Neujahrsmorgen passiert, Alkohol im Spiel ist.
„Wenn man ab 0 Uhr rausfährt, ist wegen des Alkoholpegels bei vielen die Hemmschwelle niedriger. Wir werden also wohl in dieser Silvesternacht wieder damit rechnen müssen, mit Böllern und Raketen ‚beschossen‘ zu werden. Damit müssen wir seit einigen Jahren leben, wir müssen ja unseren Beruf ausüben“, so der Notfallsanitäter.
Generell sei die Knallerei eine Gefahr. „Auch unabsichtlich können mal Raketen oder andere Feuerwerkskörper in unsere Richtung kommen“, sagt Kevin Bark. Was es ausmacht, ob geknallt wird oder nicht, wurde vor einem Jahr deutlich. „Der Jahreswechsel 2021/22 ist als die ruhigste Dienstschicht aller Zeiten in die Geschichte der Dortmunder Feuerwehr eingegangen. Es gab keine Verletzungen durch Feuerwerkskörper“, sagt Pressesprecher Matthias Kleinhans.
Wenngleich in den vergangenen Jahren der Respekt vor den Helfern geschwunden sei und man mit Gaffern und Böllerwerfern leben müsse, gebe es auch immer wieder schöne Erlebnisse, so Kevin Bark: „Wir erleben auch, dass Leute uns zujubeln. Oder beim Brand einer Hecke beispielsweise hat mal eine Nachbarin uns noch Essen und Trinken vom Silvesterbuffet angeboten.“

Solche Einladungen braucht es jedoch nicht, denn die Feuerwehrleute und Rettungssanitäter bereiten sich auf die „Nacht der Nächte“, wie Kevin Bark sagt, gut vor. „Ich gucke zum Beispiel immer, dass ich vor 0 Uhr genug gegessen und getrunken habe, denn es kann schon vorkommen, dass man bis 4 Uhr durchfährt. Um helfen zu können, müssen wir alle bei Kräften sein.“
Viele Bagatellverletzungen
Wenn bei den Silvesterfeiern in der Stadt der Alkoholpegel am 31. Dezember langsam steigt, zieht Kevin Bark seine neongelbe Jacke an. Um 22 Uhr beginnt sein Dienst. Der 9RTW1 ist dann vollgetankt und steht bereit für das, was da kommen mag. „Primär fahre ich im Bereich Mengede, Oestrich, Nette, Westerfilde, Huckarde“, sagt Kevin Bark, „in der Silvesternacht ist der Begriff Einsatzbezirk allerdings dehnbar. Da fahre ich bei Bedarf auch in die Innenstadt.“
Wenn er seine Erfahrung aus den vergangenen zwölf Jahren zugrunde legt, dann wird Bedarf da sein. „Wir werden in Dortmund zwei Drittel unserer 33 RTW bereit haben. Und in der Regel gibt es keinen RTW, der keinen Einsatz macht“, sagt Kevin Bark. Am häufigsten, berichtet er, werde man zu Bagatellverletzungen durch Knaller gerufen. Und übermäßiger Alkoholkonsum führe auch oft dazu, dass die 112 angerufen wird. „Viele trinken mehr als sie vertragen und es kommt zu Hausunfällen, zu Stürzen und Platzwunden“, so Kevin Bark.
So ruhig die Silvesternacht im vergangenen Jahr mit insgesamt nur 168 Einsätzen in ganz Dortmund war, erinnert er sich, so turbulent war sie vor der Corona-Pandemie 2019/2020. Damals gab es schon vor Mitternacht 422 Einsätze, davon 362 Rettungsdiensteinsätze. In den ersten acht Stunden des neuen Jahres kamen dann 318 Einsätze dazu, davon fielen 242 Einsätze auf den Rettungsdienst.

Die Stadt Dortmund appelliert zwar an alle Bürgerinnen und Bürger, wegen der Verletzungsgefahren am besten auf das Abbrennen von Böllern zu verzichten - aber, ob das wirkt? Wie auch immer es diesmal kommt, irgendwann am Neujahrsmorgen wird es für für Kevin Bark ruhiger werden. Um 12 Uhr endet die Schicht, dann ist Zeit für ein Mittagsschläfchen. „Man geht auf jeden Fall mit einem besseren Gefühl nach Hause, als wenn man gefeiert hätte“, sagt Kevin Bark: „Solche Tage machen Feuerwehr aus.“
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