Marco aus Bochum zieht erstaunt die Augenbrauen hoch und sieht sich um. „Bin ich der Erste?“, fragt er. Es ist Mittwochabend (28.12.), kurz nach 19 Uhr. Der Wind bläst. Landregen prasselt auf den Asphalt. Scheinwerfer und eine Lichterkette leuchten den Vorplatz des Grundstücks aus.
Wenige Minuten zuvor hat Scheidings Lagerverkauf im Gewerbegebiet Dortmund-Oestrich geschlossen. Vorerst. Für nicht ganz fünf Stunden. Um Mitternacht beginnt in der Halle ein 24-Stunden-Verkauf von Silvesterfeuerwerk. Nach zwei Jahren Pause wegen corona-bedingten Verkaufsverbots von Böllern.
Marco kommt regelmäßig her und ergattert in der Verkaufshalle das eine oder andere Schnäppchen. Auch Feuerwerk – zuletzt 2019. „Hier gibt es eine sehr gute Auswahl, und ich war immer sehr zufrieden“, sagt er.
Geschäftsführer Christoph Scheiding kommt über den Vorplatz. „Wo ist der Erste?“, ruft er. „Du bekommst eine Wurst aufs Haus!“ Aus einer Holzbude duftet der Grill. Noch steht das Rolltor zum Firmengelände weit offen. Keine Schlange wie in den Jahren vor Corona, als die sich ersten Kunden des Sonderverkaufs bereits um 17 Uhr auf den Bürgersteig in der Sackgasse stellten.
In der Wurstbude brummt‘s
„Ich bin gespannt, wie es heute wird“, sagt Scheiding. „Eigentlich hätte ich gedacht, die Jungs und Mädels, die Pyromanen sind, hätten nach den zwei Jahren so richtig Nachholbedarf. Aber es ist eine schwierige Zeit, das Geld ist knapp.“
Vor dem Tor rollen Autos aus Dortmunds Nachbarstädten und -kreisen langsam durch den Wendehammer. Einige suchen sich einen Parkplatz in der Stichstraße. Aussteigen mag bei dem nasskalten Wetter kaum jemand. Gegen 19.45 Uhr klappen vier junge Männer ihre Campingstühle aus, gönnen sich ein Bier im Regen.
Zwölf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben mit Ladenschluss ihre Schicht begonnen. Sie räumen die vordere Verkaufshalle zu einem Teil leer, machen Platz für Böller, Raketen und Batterie-Feuerwerk. In den hinteren beiden Hallen stapeln sich die Kartons. Etikettiermaschinen klackern.

Scanner erfassen jedes einzelne Päckchen. Ein Laptop zeigt neben dem Preis auch das Gewicht des Sprengstoffs. Maximal 70 Kilogramm dürfen vorne in den Verkaufsraum. In drei sprengsicheren Containern am Rand des Vorplatzes lagern 1,4 Tonnen Feuerwerk und Knaller. Was verkauft ist, wird in der Halle nachgelegt.
Geht der Bestand auf dem Firmengelände aus, werden Fahrer mit Lastwagen Nachschub aus einem Bunker in Witten holen. Dort lagern weitere 1,4 Tonnen Sprengstoff. Eine logistische Herausforderung.
Der Regen lässt nach. Vor dem Rolltor wächst langsam die Schlange. Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes erlauben nur den Zugang zur Bratwurstbude. Dort stehen Günter und Sven am Grill. „Von 23 Uhr bis 3 Uhr wird‘s wohl brummen“, sagt Günter. Er soll Recht behalten.
Cruisen durch den Wendehammer
Es ist kurz nach 23 Uhr. 120 Meter lang ist die Schlange mittlerweile. Am Straßenrand parken Autos Stoßstange an Stoßstange. Trotzdem cruisen die Fahrer durch den Wendehammer der Sackgasse. Sie kommen sogar aus Münster und dem Kreis Lippe. Auf einem 250 Meter entfernten Nachbar-Firmengelände sind noch ein paar Stellplätze frei.
In der Halle des Lagerverkaufs steht Geschäftsführer Christoph Scheiding und spricht in sein Handy. Über einen Facebook-Video-Stream promotet er den Verkaufsstart. 170.000 User folgen ihm auf diversen Kanälen des Sozialen Netzwerks. Binnen Minuten haben viele User den Stream geteilt. Scheiding ist zufrieden.
Letzte Vorbereitungen: Immer noch klackern die Etikettiermaschinen. Mitarbeiter fegen die Halle. Der Geschäftsführer geht auf den Vorplatz und greift zum Megaphon. Christoph Scheiding begrüßt die Wartenden, gibt ein paar Hinweise. „Viel Spaß“, ruft er.

23.55 Uhr: Einlass. Die Kunden bahnen sich zügig den Weg in die „heilige Halle“. Die meisten lassen Knallfrösche und selbst Raketensortimente erst einmal links liegen. Schnell herrscht im letzten Regalgang Gedränge. Hier liegen die hochwertigen Batterie-Feuerwerke. Oder besser: ihre Verpackung. Die Verbund-Feuerwerke haben mehrere Kilo Sprengstoff – die erlaubte Kapazität der Halle wäre schnell erreicht. Mitarbeiter holen sie im Eiltempo aus den Containern.
„Only the Brave“, heißt eines. „Etwas für Feinschmecker“, sagt Scheiding. Die Feuerwerks-Batterie hat das Ausmaß des Einkaufswagens. Bei einem Paar liegt es oben auf Raketen und Böllern im Korb. Der Geschäftsführer taxiert zufrieden die Auswahl des Paares. „Da dürfte Ware für 500 bis 600 Euro drin sein.“
Binnen Minuten sind die ganz hochwertigen und teuren Verbund-Feuerwerke ausverkauft. Es ist die Stunde der Pyro-Freaks, die dafür bis zu fünf Stunden in der Schlange gestanden haben und nur deswegen hier sind. „Wir haben aber noch viele andere schöne Sachen“, verspricht der Firmenchef. Ein Blick in die Container auf dem Vorplatz bestätigt das.

Während die ersten Kunden auf dem Weg zum Auto sind, wächst vor dem Tor die Schlange weiter. Sie führt mittlerweile aus der Stichstraße heraus. Die von Scheiding geschätzte Wartezeit bis zum Einlass: drei bis dreieinhalb Stunden. Die Stimmung ist eine Mischung aus Geduld, Vorfreude und Neugierde.
Sebastian Mauso und Freundin stehen 175 Meter vor dem Tor – und bilden nur kurz das Ende der Wartereihe. Von Freunden haben sie kurz vor Mitternacht von dem 24-Stunden-Nonstop-Verkauf erfahren. „Wir warten mal ab“, sagt Sebastian Mauso. „Wenn es zu lange dauert, streichen wir die Segel.“
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