
Redakteur Kevin Kindel hat eine Stadtrundfahrt in seiner eigenen Nachbarschaft getestet. © Kevin Kindel
Sightseeing im roten Doppeldecker-Bus - Lohnt sich die Rundfahrt durch Dortmund?
Mit Video
Zwölf Stationen in unter zwei Stunden: Die „City Tour“ mit dem roten Doppeldecker-Bus klingt nach effizientem Sightseeing in Dortmund. Allerdings gibt es Probleme, wie unser Selbstversuch zeigt.
Immer freitags und samstags ist ein roter Doppeldecker-Bus in Dortmund unterwegs. Fast zwei Stunden lang zeigt eine Firma aus Much auf ihrer Rundfahrt die wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt - eigentlich. Denn zwei der größten Highlights werden den Gästen aktuell vorenthalten.
Ich, Redakteur Kevin Kindel, bin 1991 in Dortmund geboren und hier aufgewachsen. Zu Studium und Praktika ein paar Jahre weggezogen, lebe ich nun seit acht Jahren wieder in meiner Heimatstadt. In den Sommerferien und pünktlich zu Beginn der Fußballsaison, die viele Menschen nach Dortmund bringt, hab ich eine Stadtrundfahrt in der eigenen Nachbarschaft ausprobiert.
Die Tickets zum Preis von 18 Euro pro Erwachsenem kann man im Vorfeld online buchen (mit Kreditkarte bezahlen) oder mit Bargeld im Bus kaufen. Den ganzen Tag lang sind sie gültig, an (normalerweise) elf Haltestellen kann man aussteigen und mit einem späteren Bus weiterfahren.
Los geht meine Tour am Freitagmittag um 14.20 Uhr am Hauptbahnhof, etwa 15 Personen sind an Bord. Hinter mir sitzt ein Paar mit Kind, sie hat früher in Dortmund gewohnt, ist weggezogen und zeigt dem Sohn jetzt ihre Stadt. Auf der anderen Seite sitzt ein Paar, das zum Start die offenbar neu gekaufte Spieluhr ausprobiert: Aus dem Kästchen trällert das Steigerlied.
Infos über die Stiftung für Hochschulzulassung
Mit der Abfahrt beginnen Lautsprecherdurchsagen vom Band. Kopfhörer, um andere Sprachen zu hören, braucht von den Passagieren offenbar niemand. Am U-Turm vorbei, geht es auf die Hohe Straße. Etwas merkwürdig ist, dass das Volkswohlbund-Gebäude thematisiert wird, aber weder Thier-Galerie noch Opernhaus. Die sind erst auf der Rückfahrt dran.
Die Route führt durchs Kreuzviertel über die Möllerbrücke, benannt nach der Hängegurtträgerbauweise von Max Möller, wie auch ich lerne - obwohl ich praktisch jede Woche diese Brücke überquere. An dieser Stelle wird auch die Stiftung für Hochschulzulassung erwähnt, die hier ihren Sitz hat. Vielleicht nicht gerade die größte Sehenswürdigkeit der Stadt.
Die Stimme vom Band spricht über den Westpark, allerdings sieht man ihn von Möllerstraße und Rheinischer Straße aus nur für den Bruchteil einer Sekunde zwischen den Häusern. Mit Blick auf den U-Turm wird das Dortmunder Bier gepriesen. Ab geht's in Richtung Hafengebiet, vor dem alten Amtsgebäude dann links in Richtung Emscher. Über den Deutschlandachter wird gesprochen, das Wasser des Kanals ist aber nicht zu sehen.
In Dorstfeld hält der Bus an der Arbeitswelt-Ausstellung Dasa: „Ein außergewöhnliches Erlebnis, das Sie kennenlernen sollten“, so die Durchsage. Ich erinnere mich nur vage an einen Kindergeburtstag oder einen Schulbesuch dort vor zwei Jahrzehnten. Sollte tatsächlich mal wieder ein Ausflug fällig sein?
Wo ist denn das Gebirge?
Vom Uni-Gelände aus „sehen Sie die Ausläufer des Ardeygebirges“, heißt es. Nun, Touristen, die wirklich aus den Bergen kommen, suchen wahrscheinlich lange nach diesem Gebirge im Süden der Stadt. Von hier aus sehen wir aber zum ersten Mal das Stadion in der Entfernung mit den auffälligen gelben Pylonen.
Nächster Stopp: Rombergpark und Zoo. 1800 Tiere von 250 Arten gebe es hier, lerne ich. Das nahe Phoenix-Areal ist sicherlich für viele Besucher interessant. „Überleg mal, das ist gerade mal 20 Jahre her“, sagt jemand im hinteren Teil des Busses anerkennend zu seiner Begleitung.

Etwa 15 Personen waren zu Beginn der Fahrt mit dem Hop-on-hop-off-Bus an Bord. Zwischendurch sind einige ausgestiegen. © Kevin Kindel
Weiter geht die Fahrt durch Hörde, und dann kommt der Satz, der mir am meisten im Kopf bleiben soll. Der Stadtteil habe sich „wunderbar zu einem Schmetterling mit schillernden Flügeln entwickelt“. Diese Metamorphose sieht wohl noch nicht jeder Mensch in Dortmund als abgeschlossen an.
Die Geschichte der „Dortmunder Fehde“ um Agnes von der Vierbecke wird erzählt, die mir nur dunkel aus (Grund-) Schulzeiten bekannt vorkommt. Die Gründungsgeschichte und die Erfolge des Ballspielvereins Borussia werden erzählt, allerdings fahren wir nicht am Borsigplatz vorbei - und das Stadion sieht man auch nur noch einmal kurz von der B1 aus.
Stationen wegen Baustellen ausgefallen
Nach der Tour fragt die Mutter mit dem kleinen Jungen, warum der größte Besuchermagnet der Stadt nicht vom Nahen gezeigt wurde. „Baustelle“, antwortet der sehr freundliche Busfahrer. Er habe gedacht, dass der Hinweis zur Umleitung im Internet angekündigt sei. War er aber nicht.
Auch die Reinoldikirche sehen die Fahrgäste nicht aus der Nähe. Dort gebe es eine weitere Baustelle, sagt der Fahrer. Die Zechen in der nördlichen Hälfte der Stadt stehen übrigens auch nicht auf dem Fahrplan, wenn alle Straßen frei sind.
Fazit: Stellenweise hören auch gebürtige Dortmunder interessante Infos, etwa dass die Angst vor Bergschäden der Grund war, warum unterirdische Abwasserkanäle gemieden und stattdessen die Emscher verunreinigt wurde. Oder dass die englische Krone im 14. Jahrhundert mal nach Dortmund verpfändet war.
Für meinen Geschmack gab es jedoch nicht genug solcher Aha-Momente, um pro Person 18 Euro für die Tour zu zahlen - aber wir Ur-Einwohner gehören natürlich auch nicht zur Zielgruppe der Veranstalter.
Kevin Kindel, geboren 1991 in Dortmund, seit 2009 als Journalist tätig, hat in Bremen und in Schweden Journalistik und Kommunikation studiert.
