Unsere Autorin hat ein Sonnenstudio besucht. Sie will wissen: Was finden die Menschen eigentlich so toll daran? © picture alliance/dpa
Sonne aus der Röhre
„Liege im eigenen Saft“: Ein Besuch im Sonnenstudio als Selbsttest
Der Wintertristesse entfliehen viele Menschen, indem sie auf die Sonnenbank gehen. Nach der Diskussion um ein Solariums-Verbot, möchte unsere Autorin wissen: Was finden die Menschen daran?
Die Schaufenster des Sonnenstudios sind leer. Nur ein Poster hängt im Fenster. Es zeigt eine gebräunte Frau. Durch ihr weißes Top und die weiße Unterbuchse kommt der Kontrast zur gebräunten Haut noch besser zur Geltung. Sie lächelt. Und sieht natürlich umwerfend schön aus. So möchte ich auch aussehen.
So schön gebräunt und fröhlich wie die Dame auf der Sonnenbank-Werbung möchte unsere Autorin auch sein. © Freddy Schneider
Die Deutsche Krebshilfe fordert aktuell ein bundesweites Verbot von Solarien. Die Begründung: Sonnenbänke seien schuld daran, dass jährlich 3400 Menschen in Europa an schwarzem Hautkrebs erkranken.
Das Verbot soll der nächste große Coup nach 2009 werden. Seitdem ist es Minderjährigen verboten, Sonnenstudios zu betreten.
Sunpoint selbst schreibt auf Anfrage, dass nur geschultes Personal eingesetzt wird, um „ausschließlich Kunden ab 18 Jahren nach eingehender Beratung und Bestimmung des individuellen Hauttyps“ das Sonnen zu ermöglichen.
Das Sonnenstudio liegt im Erdgeschoss eines grauen Hauses
Jemand hat ein paar Graffiti-Tags an die Hauswand geschmiert, in dem das Sonnenstudio ist. Das ist also der Ort, an dem ich Entspannung finden soll.
So gemütlich sieht das Sonnenstudio von außen aus. © Freddy Schneider
Es ist an diesem Samstagmittag nicht viel los im Sonnenstudio. Als ich es betrete, ertönt eine Glocke und die Mitarbeiterin von Sunpoint kommt sogleich um die Ecke.
Die geschätzt 60 Jahre alte Frau trägt eine blaue Daunenjacke. Komisch. Eigentlich dachte ich, dass das Sonnenstudio-Personal klassischerweise Spaghetti-Tops oder T-Shirts trägt.
An die graue Hauswand hat jemand Graffiti-Taggs geschmiert. © Freddy Schneider
Freundlich fragt die Dame, welche Bank ich nehmen möchte. Die Leichte soll‘s sein. Ich zahle 7 Euro für 20 Minuten und bekomme ein sonnengelbes, kleines Handtuch überreicht.
Die Mitarbeiterin geleitet mich zur Kabine 1 und erklärt mir, dass ich alle Einstellungen der Bank individuell anpassen kann. Belüftung, extra Bestrahlung für das Gesicht und natürlich die Lautstärke der Musik.
Der Entspannung so nahe
Ich bin gerade nackt, da stelle ich fest, dass ich mir keinen Augenschutz habe geben lassen. Mist. Jetzt muss es ohne gehen. Nackt und hilflos zugleich bin ich von der erwarteten Entspannung so weit entfernt wie die Sonne von der Erde – also rund 149 600 000 Kilometer.
Auf der Bank selbst steht ein durchsichtiges Schild, auf dem eine sonnenbrillentragende Sonne zu sehen ist. Dieses Bild gefällt mir. Das wäre ja so, als wenn sich ein Regentropfen mit einem Regenschirm vor Regen schützt.
Die sich vor sich selbst schützende Sonne verspricht: Die Bank ist frisch für mich desinfiziert. Ich fühle mich sicherer.
Das harte Plastik-Polster für den Kopf ist nicht sonderlich bequem
Schon ist der Start-Kopf gedrückt und alles leuchtet blau. Ich liege auf dem Rücken, den Kopf habe ich auf ein durchsichtiges, hartes Plastik-Kopfpolster gelegt. Kaum habe ich mich hingelegt und die Augen geschlossen, erschrecke ich. Die laute Belüftungsanlage ist angesprungen und übertönt die gefällige Plänkel-Musik.
Nach fünf Minuten beginnt der Musik-Lautsprecher zu krächzen. Es wird unerträglich. Ich traue mich nicht, die Augen zu öffnen, doch die Musik und das Getöse sind so nervig, dass ich blinzle und den Lautsprecher-Knopf finde. Geschafft. Jetzt ist Ruhe.
Entspannung findet die Autorin nicht
Doch wirklich entspannen kann ich nicht. Ob ich wohl einen weißen Fleck am Po bekomme, von dem viele Studio-Gänger berichten? Weil ich das nicht möchte, winkle ich die Beine an und hebe die Hüfte. Ob ich nun weiße Flecken in Höhe der Schultern bekommen, weil dort mein Gewicht lagert?
Aus der eigentlich geplanten Entspannung ist ein kleines Work-out geworden. Ich halte die Position 15 Sekunden, eine halbe Minute – Und schon fange ich an zu schwitzen. Bald liege ich im eigenen Saft.
Nachdem ich das Work-out nicht mehr durchhalten kann, liege ich einfach nur da.
Ich fühle, wie sich eine kleine Schweiß-Lache unter meinem Rücken bildet. Das ist prinzipiell kein Problem für mich, ekle mich ja nicht vor mir selbst. Aber schön ist es trotzdem nicht.
Besonders, weil mir einfällt, dass ich kein Deo dabei habe und gleich noch mit einem Kollegen in der Redaktion arbeiten muss. Er tut mir schon jetzt ein wenig leid.
Das Gehirn wird gebraten
15 Minuten sind vorüber. Nicht nur die Haut spannt, mein Hirn scheint auch langsam mitzubrutzeln. Mir fehlt Musik. Die ersten Töne des Songs „The Bad Touch“ von der Bloodhound Gang kommen mir in den Kopf: „Sweat, baby, sweat.“ Genau das tue ich, während ich passend zum Ohrwurm mit den Füßen wippe. Schon folgt der nächste Song. „Girl, I want to make you sweat“ von Inner Circle.
Dann wird mir bewusst: In den Liedern geht‘s nicht ums Schwitzen. Es geht um Sex!
Obszöne Songtexte zum Thema Schwitzen fallen mir ein
Lange denke ich nicht über die obszönen Songtexte nach. Denn andere Gedanken kommen mir in den Sinn. Wer hat wohl vor mir auf der Bank gelegen und sich gelangweilt?
„Uuurgh. Hoffentlich lügt die sonnenbebrillte Sonne nicht.“
Die 20 Minuten sind rum, der Selbsttest ist vorbei. Während ich meine Socken anziehe, ertönt eine mechanische Roboter-Stimme aus der Sonnenbank. Sie hofft, dass ich mit „meinem Bräunungsergebnis zufrieden bin“.
Im Spiegel erkenne ich keinen wirklichen Unterschied zu vorher. Wahrscheinlich müsste ich regelmäßiger ins Studio gehen, um so auszusehen wie die Poster-Frau. Und ich finde keine weißen Stellen an meinem Körper. Weder am Po noch sonstwo.
Das war nun also die Praxis-Erfahrung zum viel beschworenen Hautkrebs-Risiko, über das momentan wieder diskutiert wird.
Mein persönliches Fazit
Verbot hin oder her: Menschen möchten sich wohlfühlen, und leicht gebräunte Haut gilt als Ideal. Wenn sie unter dem Solarium ihre Traum-Bräune erreichen möchten, um sich schön zu finden, bitte sehr. Wenn sie sich Pickel wegbraten lassen wollen, nur zu. Und wenn die Leute aus ganz anderen Gründe das Solarium besuchen, meinetwegen.
Das Solarium ist für Sonnenanbeter die „Sonne to go“. Wer hat schon Zeit, um die perfekte Bräune im Freien zu erreichen? Vor allem im Winter.
Solange die Menschen nicht allzu oft ins Sonnenstudio gehen und sich immer auf die starke Bank knallen, sollte keine Gefahr bestehen, an Hautkrebs zu erkranken. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt, den Körper nicht mehr als 50 Mal im Jahr der direkten Sonnenbestrahlung im Solarium auszusetzen.
Die einzige Frage, die man sich vor dem Sonnenstudio-Besuch fragen sollte, ist: Macht das Sonnen im Freien nicht mehr Spaß?
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