Schüsse auf Mouhamed Dramé Richter äußert sich zur Notwehr-Frage

Schüsse auf Mouhamed: Richter äußert sich zur Notwehr-Frage
Lesezeit

Zweiter Verhandlungstag gegen fünf Polizistinnen und Polizisten vor dem Dortmunder Schwurgericht: Sie alle sollen im August 2022 an dem Einsatz beteiligt gewesen sein, bei dem Mouhamed Dramé sein Leben ließ.

Der 16-jährige Geflüchtete aus dem Senegal wurde von fünf Projektilen aus einer Polizei-Maschinenpistole getroffen. Er erlag wenig später im Krankenhaus seinen Verletzungen. Mitarbeiter einer Jugendeinrichtung in der Nordstadt hatten damals die Polizei alarmiert, weil der Jugendliche mit einem Messer in der Hand in einem Innenhof saß und man Suizidabsichten vermutete.

Suizidabsicht vermutet

Der Einsatz verlief jedoch nicht wie geplant. der 16-Jährige reagierte weder auf Ansprachen noch auf einen Schwall Pfefferspray. Auch zwei Schüsse mit Elektro-Tasern brachten Mouhamed nicht dazu, das Messer fallenzulassen.

Weniger als eine Sekunde nach dem zweiten Taser-Schuss soll dann das erste Projektil aus der Maschinenpistole abgefeuert worden sein. Innerhalb weniger Wimpernschläge folgten die weiteren.

Pfefferspray und Taser

In einer Erklärung hatte der Verteidiger des mutmaßlichen Todesschützen am ersten Verhandlungstag erklärt, sein Mandant habe die Situation als bedrohlich empfunden. „Die Hautfarbe des Opfers spielte dabei überhaupt keine Rolle“, sagte Rechtsanwalt Christoph Krekeler weiter.

Wenn die Situation, als Mouhamed aufstand und mit dem Messer in der Hand auf die Polizisten zugelaufen sein soll, tatsächlich bedrohlich war, könnte der Schütze in Notwehr gehandelt haben. Und genau zu dieser Frage äußerte sich am zweiten Verhandlungstag schon das Gericht.

„Situation war bedrohlich“

Überraschend bot der Vorsitzende Thomas Kelm an, eine erste Einschätzung der Kammer bekanntzugeben. „Diese beruht aber allein auf den Schilderungen in der Anklageschrift“, so Kelm. Eine Beweisaufnahme mit Zeugenbefragungen oder ähnlichem habe es ja noch gar nicht gegeben.

Der Vorsitzende Richter erklärte, für eine Notwehrhandlung sei ein „gegenwärtiger rechtswidriger Angriff“ erforderlich. Das bedeutet: Wenn der Polizist in Notwehr geschossen haben will, müsse man nachweisen, dass Mouhamed ihn tatsächlich mit dem Messer attackieren wollte. Einen solchen Angriff schildert die Anklage jedoch nicht.

Gegenwärtiger Angriff?

Kelm ging aber noch einen Schritt weiter: Komme man am Ende zu dem Schluss, dass der gesamte Polizeieinsatz rechtswidrig war, könnte man auch Mouhamed zugestehen, dass er sich in einer Notwehrlage glaubte.

Zur Frage des Tatablaufs sollen ab dem 17. Januar (Mittwoch) Zeugen vernommen werden.

Der zweite von elf Verhandlungstagen war geprägt von gewissen strategischen Überlegungen der beteiligten Parteien. Die Beschuldigten ließen über ihre Verteidiger mitteilen, dass sie sich derzeit nicht äußern. Die Nebenklage wiederum machte Zweifel an der Verhandlungsführung des Richters deutlich.

Das öffentliche Interesse am Prozess ist weiterhin hoch, wenn auch etwas geringer als zum Auftakt. Vor dem Gerichtsgebäude stand eine kleinere Gruppe Unterstützer aus dem Solidaritätskreis Mouhamed.

Tod von Mouhamed Dramé (16): Polizisten-Aussagen nicht verwertbar? Nebenkläger protestieren deutlich

Tödliche Polizeischüsse: Angeklagte schweigen zunächst

Polizei-Prozess nach Tod von Mouhamed Dramé in Dortmund: Dürfen Zeugenaussagen verwertet werden?

Fünf Polizisten vor Gericht: Video-Dokumentation zum Fall Mouhamed Dramé (†16)