
© Stephan Schütze
Schalla-Mörder abgetaucht: Das Gericht hat die Flucht dieses Mörders ermöglicht
Meinung
Es ist die eine Sache, einen Mörder nicht zu erwischen oder ihm die Schuld nicht nachweisen zu können. Einen verurteilten Mörder bewusst in Freiheit zu lassen, ist etwas ganz anderes. Ein Kommentar.
Seit dem Sommer 2020 ist Ralf H. ein freier Mann. Schon damals konnte kaum jemand verstehen, warum er freigelassen wurde. Und jetzt, da er untergetaucht ist, hat sich das Unverständnis in Wut verwandelt. Das war absehbar.
Zum Zeitpunkt der Freilassung (vor dem Urteil) konnte man noch argumentieren, dass die Unschuldsvermutung galt. Wäre er freigesprochen worden, wäre es richtig gewesen, ihm nicht unnötig Monate seines Lebens zu nehmen. Aber dass ein verurteilter Mörder noch fast ein Jahr lang frei bleibt, weil er Revision gegen das Urteil eingelegt hat, geht nicht in meinen Kopf.
Die Flucht ist geradezu verständlich
Auch die einmonatige Frist von der Rechtskraft des Urteils bis zum Haftantritt kann man vielleicht für weniger schwere Verbrechen rechtfertigen. Aber mit dem Urteil „lebenslänglich“, mit der Aussicht auf viele Jahre hinter Gittern kann man doch einem Mörder nicht einen ganzen Monat Zeit geben. Ganz ehrlich: Ist der Fluchtversuch da nicht vorprogrammiert?
Die Zuständigen beim Oberlandesgericht Hamm haben nachweislich einen Fehler begangen, als sie den Mann nach dem Mord-Urteil nicht wieder inhaftiert haben, trotz der Revision - so, wie es die Staatsanwaltschaft gefordert hatte. Jetzt können die Richter nur hoffen, dass er auf der Flucht keine weiteren Straftaten begeht.
Kevin Kindel, geboren 1991 in Dortmund, seit 2009 als Journalist tätig, hat in Bremen und in Schweden Journalistik und Kommunikation studiert.
