Bäume werfen plötzlich Äste ab – Gefahr für Spaziergänger

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Bäume werfen plötzlich Äste ab – Gefahr für Spaziergänger

rnKlimawandel

Viele Laubbäume gehören zu den Verlierern des Klimawandels - und werfen aktuell unvermittelt Äste ab. Rombergpark-Leiter Patrick Knopf hat einen Vorschlag für Dortmunds Grün der Zukunft.

Dortmund

, 01.09.2019, 04:30 Uhr / Lesedauer: 3 min

„Wenn es knackt: So schnell wie möglich loslaufen.“ Das rät Patrick Knopf. Er ist Leiter des Rombergparks. Seit rund drei Jahren stellt er vermehrt fest, dass Bäume, die in vollem Laub stehen, an heißen Tagen plötzlich Äste abwerfen. „Grünastbruch“ nennen das Experten. Knopf kann sich gut an jene Eiche erinnern, die innerhalb von zwei Tagen drei Äste verloren hat. „Der Baum hat sich quasi selber zerlegt“, schildert Knopf. Nur ein kurzes Knacken kündigt die Gefahr an, dann fällt mit Wucht ein großer Ast zu Boden. Für alle Spaziergänger heißt das: erhöhte Vorsicht, bitte!

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Beim Rundgang durch den Botanischen Garten Rombergpark macht Knopf vor mächtigen Eichen halt. Die meisten Äste sind abgestorben, die Baumkronen erlauben freien Blick auf den Himmel. Wenn man durch die Krone hindurchsehen könne, sei der Baum kaum noch zu retten, sagt Knopf. Höchstens zweieinhalb Jahre gibt er den vier Stieleichen noch. „Dann sind die weg.“ Die Deutsche Eiche, sagt Gehölz-Experte Knopf, „gehört zu den Verlierern des Klimawandels.“ Genau wie Birke und Bergahorn. „Und beim Eschentriebsterben kann man zugucken.“ Die vier Eichen werden also nicht die letzten Bäume sein, die im Zuge des Klimawandels für eine „nachhaltige Bepflanzung der Stadt“ künftig ausfallen.

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Im Gegenteil: Rund 70 Prozent der an Straßen gepflanzten Bäume seien Linden, Stieleichen, Berghorn, Rosskastanie und gemeine Esche. „Der Drang, mehr Bio-Diversität hineinzubringen, war in der Vergangenheit nicht sehr ausgeprägt“, sagt Knopf. Dafür stehen manche Alleen, die gleichmäßig mit Exemplaren einer Art bepflanzt seien. Das Problem: Erkranke ein Baum an einem Pilz, steige die Gefahr eines Domino-Effektes, der auf alle Nachbarbäume der gleichen Sorte durchschlage. So wie bei den Rosskastanien am Ostwall. Man habe zu sehr auf „Einheitspflanzungen“ gesetzt, sagt Knopf. Dabei seien Baumarten bevorzugt worden, die den damaligen klimatischen Bedingungen in einer von der Montanindustrie geprägten Stadt standgehalten hätten. Inzwischen haben sich die Rahmenbedingungen aber spürbar verändert. Knopf: „Wir brauchen viel mehr Mut zur Verschiedenheit.“

Die Eichen (l.) haben ihre besten Jahre hinter sich und müssen bald weichen. Dahinter wachsen bereits Maronenbäume.

Die Eichen (l.) haben ihre besten Jahre hinter sich und müssen bald weichen. Dahinter wachsen bereits Maronenbäume. © Beushausen

Helfen sollen dabei jene 450 Gehölze und Sträucher, die 2016 als potenzielle „Zukunftsbäume“ im Rombergpark gepflanzt worden sind. Wie in „einem Labor“ sollen sie rund fünf Jahre in einer schützenden Umgebung wachsen, bevor sie nach prüfenden Blicken der Experten an Straßenränder verpflanzt und damit ungleich raueren Bedingungen ausgesetzt werden. Darunter mehrere Eichenarten aus den USA und Mexiko, groß- und kleinblättrige Ahornbäume aus dem Mittelmeerraum, die japanische Kaiser-Eiche, Maronenbäume, und, und, und. „Bei einigen lassen sich durchaus schon Aussagen machen“, resümiert Knopf. Längst nicht jeder Zukunftsbaum, der im Romberpark gedeihe, sei auch den Gegebenheiten an Straßenrändern gewachsen.

Vorreiterrolle für andere Städte

Um dem Ruf nach mehr Bio-Diversität Nachdruck zu verleihen, bringt der Rombergpark-Leiter ein Experiment ins Spiel. Sein Vorschlag: Die Stadt möge zwei „Straßen der Zukunftsbäume“ schaffen. Dortmund habe etliche Neubaugebiete und solche wie das frühere Gelände von Hoesch Spundwand, das erst noch entwickelt werde. Solche Quartiere seien gut geeignet. „Wir könnten zwei Straßen herauszupicken, die wir mit unterschiedlichen Baumarten bepflanzen.“ Um vergleichen zu können, müsse eine der beiden Straße von Häusern weitgehend frei sein, während das Pendant sehr wohl eine Bebauung aufweisen soll. „Dort herrscht ein völlig anderes Kleinklima.“ Unter diesen Vorzeichen ließen sich Schlüsse ziehen, welche Baumarten unter neuen Klima-Bedingungen für welche Standorte infrage kämen. Mit dem Projekt „Straßen der Zukunftsbäume“ könne Dortmund „eine Vorreiterrolle für andere Ruhrgebietsstädte übernehmen“, sagt Knopf.

Alt und jung: Im Schatten der großen Eiche wurden testweise neue, verschiedene Eichenarten gepflanzt, deren Wachstum die Gärtner aufmerksam verfolgen.

Alt und jung: Im Schatten der großen Eiche wurden testweise neue, verschiedene Eichenarten gepflanzt, deren Wachstum die Gärtner aufmerksam verfolgen. © Beushausen

Bei Martin Rüthers, als Bereichsleiter im städtischen Tiefbauamt zuständig für Unterhalt und Pflege des Stadtgrüns, stößt die Idee auf offene Ohren. Wie Rüthers betont, habe die Verwaltung vor gut zwei Jahren eine Liste mit 60 bis 70 möglichen „Zukunftsbäumen“ erstellt. Die würden teilweise auch bereits gepflanzt. „Pro Jahr fallen rund 650 Bäume weg“, sagt Rüthers. An etwa der Hälfte dieser Standorte würden „Zukunftsbäume“ in die Erde gesetzt. Dennoch halte er den Vorschlag für interessant. „Ein solches Projekt könnte Sinn machen.“

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Rombergpark-Leiter Knopf ist sich da ziemlich sicher. „Das Potenzial an möglichen Gehölzen ist sehr viel größer, als auf der Liste steht. Wir sollten mutiger sein und viel mehr experimentieren.“ Der Rombergpark könne der Stadt dabei gute Dienste leisten. Je härter die klimatischen Bedingungen künftig würden, umso größer das Risiko, dass ein Teil der Kandidaten von der städtischen Liste wieder gestrichen werden müsse. Der Rombergpark biete sich als „Labor“ an, in dem eine Vorauswahl getroffen werden könne, welche Kandidaten für den Praxistest im Stadtraum infrage kämen.

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